Die Angst vor Neuem überwinden

08.03.2000
Innovatives Verhalten ist gefragt. Doch für nicht wenige Unternehmer und Führungskräfte ist das leichter gesagt als getan. Die Unterstützung durch einen Coach wirkt hier nicht selten Wunder, berichtet Hartmut Volk*.

Die Hasenfuß-Ungleichung nennen Gabriele Stöger und Mona Vogl, Unternehmensberaterinnen aus Markt Schwaben nahe München, ein weit verbreitetes Dilemma: Ein Betriebsinhaber oder Manager weiß, dass ein Prob-lem angepackt und gelöst werden sollte, aber er rührt sich nicht. Anstatt über Lösungsmöglichkeiten und -wege nachzudenken, lässt er alles beim Alten und wurstelt sich, nicht selten zunehmend gereizt, mit flauem Gefühl in der Magengegend weiter durch.

Die Angst, Fehler zu machen

"Wir leiden lieber unter dem Bekannten, als vom Unbekannten zu profitieren. Wir ziehen den sicheren Schmerz der unsicheren Wohltat vor", beschreiben sie das eigentlich Unverständliche und sagen auch gleich weshalb: weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist und Veränderungen ihm Angst machen.

Und zwar nicht allein die diffus im ganzen Körper als beklemmendunruhiges Unwohlsein gespürte Angst, sondern auch eine ganz konkrete: Die Angst vor Fehlschlägen. "Wir scheuen davor zurück, Neues einfach auszuprobieren, weil wir Angst haben, dabei Fehler zu machen", erläutern Stöger und Vogl diesen gerade in unserer veränderungsbetonten Zeit so gefährlichen Mechanismus.

Obwohl Betriebsinhaber und Führungskräfte in vielen Fällen durchaus eine Ahnung davon haben, wie es besser gehen könnte, scheuen sie davor zurück, es auszuprobieren. Sie lösen Aufgaben lieber mit alten, im Bezug auf gestern bewährten Mitteln. Neues wenden sie, wenn überhaupt, nur zögerlich oder gar nicht an - auch wenn es mehr Erfolg verspricht -, weil sie anstatt auf Fortschritt auf Fehlerlosigkeit programmiert sind, machen Stöger und Vogl dieses eigentlich unverständliche Verhalten verständlich.

Für die beiden erfahrenen Beraterinnen ist das ein wahrhaft paradoxer Zustand. "Vielfach liegt der Erfolg so nahe, man bräuchte nur die Hand danach auszustrecken", beschreiben sie diese gar nicht so seltene Situation, "aber man tut es nicht. Es könnte ja ein Fehler dabei unterlaufen!"

Nicht wenige Unternehmer und Führungskräfte schlagen sich tagtäglich mit dieser Hasenfuß-Ungleichung herum. Es ist ihnen klar: Reagieren sie nicht auf die Flut der Neuerungen, steht die Zukunft des Unternehmens auf wackeligen Beinen. Aber irgendwie schaffen sie es nicht, dieses Wissen in konkrete Maßnahmen und Handlungsschritte umzusetzen, dem auf dem Fundament des Gewohnten festzementierten "Try harder" den Laufpass zu geben und es mit "Try something new" zu versuchen. Wie können sie sich aus diesem Dilemma befreien?

Coaching als mentales Fitnesstraining

Ein bewährter Schritt heißt Coaching. Coaching bietet für verantwortliche Kräfte die Möglichkeit, erläutert Frank Steffen, selbst erfahrener Manager und Personalberater mit Coaching-Ausbildung aus Wuppertal, "die erkannte, häufig aber auch nur gespürte Zwiespältigkeit der eigenen Situation und deren meist durchaus auch erfass-te Unhaltbarkeit im Vier-AugenGespräch mit einem versierten, zu absoluter Verschwiegenheit verpflichteten Gesprächspartner offen zu legen und mit seiner Unterstützung an ihrer Überwindung zu arbeiten".

Eine zunehmend wichtige Funktion des Coachings sieht Steffen auch darin, den Klienten zu stützen und zu ermutigen, wenn Ängste und innere Widerstände seinen Horizont und sein Verhalten einengen und seine Entscheidungs- und Entwicklungsmöglichkeiten blockieren: "Der Coach gibt ihm Feedback und konfrontiert ihn mit seinen blinden Flecken. Er vereint in seiner Person Spiegel, Gesprächs- und Sparrings-Partner und nicht zuletzt den mentalen Fitnesstrainer."

Kein Weg schneller und einfacher Lösungen

Demzufolge beschreibt er Coaching auch gern als einen Prozess gemeinsamen Suchens und Findens. Coaching, sagt er, "ist kein Weg schneller oder einfacher Lösungen". Daher kommt es insbesondere in der Anfangsphase eines Coaching-Prozesses gelegentlich zu Konflikten zwischen Coach und Klienten. Kräfte in verantwortlicher Position, die vom ständig steigenden Druck der Umstände auf "schnell" und "machen" programmiert sind, reagierten gelegentlich unwillig, wenn - besonders zu Beginn - nur Fragen gestellt, die Gegebenheiten sondiert und Hypothesen angedeutet würden.

Ungeschriebenes Gesetz des Coachings: Coach und Klient begegnen sich "auf Augenhöhe", also ohne Beziehungsgefälle in der einen oder anderen Richtung. Ihre Zusammenarbeit kombiniert individuelle Beratung, Konfrontation und Einzeltraining. Ganz generell unterstützt Coaching Betriebsinhaber und Führungskräfte,

- Wissen gezielt zu erwerben.

- Wahlmöglichkeiten im Entscheiden und Handeln herauszuarbeiten.

- sich abzeichnende oder bereits manifeste Probleme und deren Ursachen zu erkennen und zu verstehen.

- sich ihrer üblichen Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster, ihrer Vorlieben, Stärken und Schwächen bewusst zu werden, deren Auswirkungen zu erfassen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren.

"Mit Hilfe des Coachings soll das gewohnte, das selbstverständliche, das unreflektierte Fühlen, Denken, Handeln und Reagieren offen gelegt, infrage gestellt und Schritt für Schritt durch ein weniger routinehaftes, weniger in sich befangenes und dadurch insgesamt innovativeres Verhalten ersetzt werden", beschreibt Steffen eine wesentliche Aufgabe des Coaches. Dazu ist es nicht ungewöhnlich, wie er betont, dass Führungskräfte ihren Coach bitten, sie in ihrer unmittelbaren beruflichen Tätigkeit zu begleiten, um so direkte Eindrücke von ihrer Arbeit, ihrer Arbeitsumgebung und ihrer Arbeitsatmosphäre zu bekommen.

*Hartmut Volk ist Diplom-Betriebswirt und freier Wirtschaftspublizist in Bad Harzburg.

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