Mitte März 2019 war es soweit: Der Bundesrat stimmte einer Änderung des Grundgesetzes zu: Mit der Modifizierung des Artikels 104c kann der Bund nun den Ländern Finanzhilfen zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren.
Vorausgegangen war ein über zweijähriges Tauziehen um Kompetenzen, Bildungshoheit und Finanzierung, die die Initiative fast zum Scheitern gebracht hätte. Erst durch Nachjustierungen im Vermittlungsausschuss konnten die Länder dazu bewegt werden, der Änderung des Artikels 104c zuzustimmen. Hier heißt es nun: "Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen sowie besondere, mit diesen unmittelbar verbundene, befristete Ausgaben der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren".
5,5 Milliarden Euro für die digitale Bildung
Damit ist zumindest auf dem Papier der Weg frei für den "DigitalPakt Schule". Fünf Milliarden Euro vom Bund und weitere 500 Millionen Euro von den Ländern sollen nun in den kommenden fünf Jahren für die digitale Infrastruktur der Schulen investiert werden. Allerdings sollen die Länder zusätzlich für die Fortbildung der Lehrkräfte, die Anpassung der Bildungspläne und die Weiterentwicklung des Unterrichts sorgen.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek begrüßt die Möglichkeit "neue strukturbildende Gemeinsamkeiten in der Bildung" im gesamten Bundesgebiet. "Der DigitalPakt Schule ist ein Gewinn für alle Schulen dieses Landes", ist sie sich sicher.
Da die föderalistischen Strukturen das deutschen Bildungswesens es schwer machen, Bildungskonzepte für die gesamte Republik zu entwickeln und zu etablieren, betont die Ministerin ausdrücklich die Handlungsfähigkeit des Föderalismus. "Neu ist, dass mit dem DigitalPakt neue Wege für digitale Kooperationen auf überregionaler und auf länderübergreifender Ebene geschaffen werden", erläutert die Ministerin.
Anschubfinanzierung statt dauerhafte Förderung
Nun könnte es also losgehen mit den Investitionen, doch so schnell mahlen die Bürokratiemühlen dann doch nicht. Immerhin haben die Länder schon einmal Vorarbeit geleistet: Die pädagogischen und inhaltlichen Grundlagen für die Umsetzung des DigitalPakts Schule wurden mit der seit zwei Jahren angewandten Strategie der Kultusministerkonferenz (KMK) "Bildung in der digitalen Welt" gelegt. Alle Bundesländer einigten sich auf gemeinsame Ziele für zentrale Handlungsfelder wie die Anpassung der Bildungspläne, die Fortbildung der Lehrkräfte, Konzepte für die digitale Infrastruktur an Schulen oder Konzepte für eine Schulverwaltung. "In die Ausgestaltung des weiteren Verfahrens werden Bund und Länder auch die kommunalen Spitzenverbände zeitnah einbeziehen", heißt es aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Das führt jedoch derzeit eher zu einem Investitionsstau, als dass die Digitalisierung der Schulen Fahrt aufnimmt. So bittet beispielsweise das Kultusministerium in Bayern in einem Brief an die Kommunen, vorerst keine "neue Maßnahmen zur digitalen Ausstattung von Schulen, für die bislang noch kein Bewilligungsbescheid erteilt wurde, zunächst noch zurückzustellen und insbesondere vorerst keine weiteren Aufgaben zu vergeben". Schulträger befürchten nun, dass bisherige Programm auf Länderebene zurückgestellt werden, weil ja der Bund nun in die Bresche springt. Das BMBF macht jedoch klar, dass die Zuständigkeit für das Schulwesen als wichtiger Bestandteil der Kulturhoheit der Länder unberührt bleibt. Das gilt dann aber auch für zukünftige finanzielle Unterstützungsmaßnahmen: "Eine dauerhafte Finanzierung des Bundes für schulische Infrastrukturen ist nicht vorgesehen", schreibt das Bildungsministerium. Die Gelder im Rahmen des DigitaPakts seien dafür da, "Investitionshilfen als Anschub zu leisten" um "infrastrukturellen Grundlagen für digitale Bildung in deutschen Schulen" zu schaffen. Förderfähig sind insbesondere die breitbandige Verkabelung der Schulen, die WLAN-Ausleuchtung sowie stationäre Endgeräte wie zum Beispiel interaktive Tafeln. Für die genannten Investitionen sollen die vorgesehenen fünf Milliarden des Bunds ausreichen, glaubt man beim BMBF.
Startpunkt ist ungewiss
Es ist aber weiter unklar, wann die ersten Gelder fließen sollen. Immerhin weiß man schon, wo das Geld herkommen soll, nämlich aus dem Digitalinfrastrukturfonds. In der derzeit laufenden Legislaturperiode, die unter regulären Bedingungen bis Mitte 2021 dauern wird, sollen von den 5,5 Milliarden schon 3,5 Milliarden Euro ausgeschüttet werden. Im Schnitt wären das am Ende laut BMBF bei 40.000 Schulen in Deutschland ein Betrag von 137.000 Euro pro Schule. Bei der derzeit angenommenen Anzahl von 11 Millionen Schülern bleibt dann allerdings gerade einmal 500 Euro pro Schüler übrig.
Nachdem letztlich auch der Bundesrat der Grundgesetzänderung zugestimmt hat, soll nun eine "Verwaltungsvereinbarung" zwischen Bund und Ländern geschlossen werden. Ein entsprechender Entwurf existiert bereits. Im Ministerium rechnet man damit, dass, sofern alles zügig voran geht, "die ersten Schulen noch in diesem Jahr mit ihren Investitionsmaßnahmen beginnen" können. Erste Bundesländer haben nun Förderrichtlinien vorgelegt, darunter Hamburg und Sachsen (ChannelPartner berichtete).
Etwas konkreter wird das BMBF bei der Vorgehensweise. Die einzelnen Schulen können jedoch nicht direkt Fördergelder beantragen. Um in den Genuss der Förderung zu kommen, muss die jeweilige Schule ein Konzept erarbeiten, in dem die pädagogische Strategie, die technischen Anforderungen sowie die notwendigen Fortbildungsmaßnahmen dargestellt werden. Dieses Konzept wird dann dem Träger der Schule weitergeleitet, das können Kommunen, Landkreise oder auch Trägervereine sein. Die Schulträger sammeln dann zunächst die Anträge ihrer Schulen ein, um sie dann gebündelt an das Bundesland weiterzureichen. Dazu muss jedes Bundesland aber zunächst eine Stelle benennen, die die Anträge prüft und die Schulen sowie ihre Träger beraten kann.
Betrieb, Support und Wartung bleibt bei den Kommunen
Im Entwurf der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern wurden Eckpunkte der förderwürdigen Maßnahmen festgelegt. Es sollen spezielle digitale Arbeitsgeräte förderfähig sein, die in der beruflichen Ausbildung für das Erlernen der Bedienung von Maschinen benötigt werden, wie VR-Brillen, sowie interaktive Tafeln. Wenn es nach dem speziellen pädagogischen Konzept einer Schule erforderlich ist und sämtliche Infrastrukturkomponenten bereits vorhanden sind, könnten ausnahmsweise auch Klassensätze mobiler Endgeräte förderfähig sein. Für die genaue Ausgestaltung der Regelung sind aber die Länder zuständig. Der Anteil an Fördermitteln, der für mobile Endgeräte aufgewendet wird, darf jedoch 20 Prozent aller Fördermittel pro Schulträger nicht überschreiten. "Damit ist der DigitalPakt auch weiterhin eindeutig eine Infrastrukturprogramm und keine Endgeräteförderung. Mobile Endgeräte zur Nutzung durch Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte außerhalb des Unterrichts werden generell nicht förderfähig sein", heißt es vom Ministerium.
Das bedeutet aber auch, dass Betrieb, Support und Wartung der IT in den Schulen Aufgabe der Kommunen bleibt. Allerdings sieht der DigitalPakt ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Entwicklung effizienter und effektiver Strukturen für die professionelle Administration und Wartung digitaler Infrastrukturen als regionales oder landesweites Projekt zu fördern. Die Lösungen sollen über die einzelne Schule und den einzelnen Schulträger hinausgehen, um die Kosten zu senken und die Lehrkräfte von der Systemadministration zu entlasten. Gefördert werden Vorhaben bis zur Inbetriebnahme dieser Supportstrukturen. Der Regelbetrieb ist aber dann wieder Aufgabe der Schulträger.