Diebe ohne schlechtes Gewissen

Text-Klau im Internet

19.08.2013
Oft werden interessante Artikel anderer Unternehmen kopiert und als eigene Texte in Netz gestellt. Wie sich Firmen gegen Plagiatoren im Web wehren können, beschreibt Bernhard Kuntz.
Urheber können sich gegen den Diebstahl geistigen Eigentums im Web wehren.
Urheber können sich gegen den Diebstahl geistigen Eigentums im Web wehren.

Auf der Suche nach Content für ihre Webseiten und Blogs beschreiten manche (Web-)Dienstleister eigenwillige Wege. Sie kopieren interessante Artikel anderer Unternehmen, schreiben diese kurz um und stellen diese dann als eigene Texte in Netz – ohne dass sie der Hauch eines schlechten Gewissens plagt.

"Content is king" – diese Parole hört man von Online-Marketing- und SEO-Beratern oft, wenn es um das Puschen und suchmaschinentechnische Optimieren von Webseiten geht. Entsprechend verzweifelt suchen sie zuweilen nach Content für ihre Webseiten und Blogs, um diese regelmäßig mit Inhalt zu füttern. Denn das Verfassen eines flotten Blog-Beitrags oder knackiger Tipps kostet Zeit. Und selbst dem kreativsten Menschen gehen irgendwann die Ideen aus, wenn er ein, zwei Mal pro Woche einen Blog-Beitrag verfassen möchte. Was also tun, wenn mal wieder die erforderliche Zeit oder Idee fehlt?

Manch findiger Wiki- und Blog-Betreiber hat dann den Gedanken: Ich kann ja mal das World Wide Web durchforsten. Schließlich hält es einen nahezu unerschöpflichen Fundus an Texten parat. Gedacht, getan! Und stößt der Blogger auf einen interessanten Text, dann kopiert er ihn – wie weiland Karl-Theodor zu Guttenberg – mal eben schnell, schreibt ihn kurz um und stellt ihn anschließend als eigenes Werk ohne Quellenangabe auf seine Webseite oder in seinen Blog.

Text-Klau – ein weit verbreitetes Phänomen

Text-Klau im Internet – das ist weit verbreitetes Phänomen. Diese Erfahrung sammelte auch der Darmstädter PR-Journalist und SEO-Experte Andreas Lutz. Er schrieb im April 2013 einen Tipp-Artikel mit dem Titel "Wie Sie den passenden SEO-Unterstützer finden" und bot ihn Print- und Online-Medien zum Veröffentlichen an. Und weil die Tipps offensichtlich nicht schlecht waren, wurden sie von mehreren Print- und Online-Medien publiziert.

Das freute Andreas Lutz. Doch leider sandten ihm nicht alle Medien, die seine Tipps publizierten, einen Print- oder Online-Beleg zu. Also setzte sich Lutz Anfang Juni an seinen PC und gab bei Google solche Wortkombinationen wie "SEO-Berater …", "SEO-Unterstützer …" und "SEO-Experten finden" als Suchbegriffe ein. Mit einem erstaunlichen Ergebnis. Nicht nur deutlich mehr Print- und Online-Medien, als er wusste, hatten seine Tipps publiziert. Nein, auch mehrere Beratungsunternehmen – vor allem aus dem SEO- und Online-Marketing-Bereich – fanden seine Tipps offensichtlich so gut, dass sie diese in mehr oder minder umgeschriebener und gestraffter Form entweder auf ihrer Webseite oder in ihrem Blog publizierten. Leider stets ohne die Quelle zu nennen.

Sogar auf dem Portal der Volks- und Raiffeisenbanken für ihre mittelständischen Kunden www.mittelstanddirekt.de fand er in modifizierter Form seine Tipps. Zum Beispiel den Tipp: Unterneh-men, die einen SEO-Unterstützer suchen, sollten bei von Google hoch gerankten Webseiten "im Impressum oder im Quelltext" nachschauen, "ob dort möglicherweise der SEO-Experte genannt" wird. Des Weiteren den Tipp: Die Unternehmen sollten potenzielle Unterstützer bitten, ihnen Referenzkunden nebst den Suchbegriffen zu nennen, auf die sie deren Webseiten optimierten, und dann schauen, wie gut diese tatsächlich im Netz dastehen.

Zudem sollten sie den potenziellen Unterstützern bewusst "einige allgemeine Suchbegriffe wie ‚Coaching‘ oder ‚Projektmanagement‘ nennen und diese danach fragen, wie sie ihre Seite bezogen auf diese Keywords optimieren würden – um Schaumschläger, die das Blaue vom Himmel versprechen, von seriösen Anbietern zu unterscheiden. Überraschend war für Lutz insbesondere, dass sich die "Tipp-Klauer" nicht einmal die Mühe machten, die Überschrift und die in seinem Artikel genutzten Beispiele so weit zu ändern, dass er diese bei Google-Suchabfragen nicht sofort findet.

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