Stationärer Einzelhandel in Zeiten des E-Commerce
Zwei Buchautoren weisen dem Handel den Weg in die Zukunft
Datum:08.03.2013
Wer heute noch im stationären Handel aktiv ist – und das auch in Zukunft bleiben möchte
–, hat es nicht leicht. Balsam auf geplagte Händlerseelen sind daher zwei aktuelle
Wirtschaftsbücher, die sich mit Gegenwart und Zukunft des lokalen Handels auseinandersetzen.
Andreas Haderlein: „Die digitale Zukunft des stationären Handels – Auf allen Kanälen
zum Kunden“ (li) und Gerrit Heinemann: „No-Line-Handel: Höchste Evolutionsstufe im
Multi-Channeling“ (re)
Die Pleiten von traditionsreichen Handelsketten wie Karstadt, Schlecker und Quelle; das große Umsatzwachstum von Onlinehändlern wie Amazon, Cyberport und Notebooksbilliger; und schließlich ein gewandeltes Konsumentenverhalten, das sich unter anderem in Barcode-Scanning, „Showrooming“ und „Beratungsklau“ manifestiert: Wer heute noch im stationären Handel aktiv ist – und das auch in Zukunft bleiben möchte –, hat es nicht leicht. Da ist es schon verständlich, wenn man ein Bedürfnis nach aufmunternden Worten verspürt. Balsam auf geplagte Händlerseelen sind daher zwei aktuelle Wirtschaftsbücher, die sich mit Gegenwart und Zukunft des lokalen Handels auseinandersetzen: Der stationäre Verkauf gewinne gerade angesichts zunehmender Digitalisierung an Bedeutung, schreibt Andreas Haderlein im Vorwort seines Buchs „Die digitale Zukunft des stationären Handels – Auf allen Kanälen zum Kunden“ (mi-Wirtschaftsbuch 2012, 34,99 Euro). Und sogar das Motto „Die Zukunft von online ist offline“ zitiert Gerrit Heinemann in „No-Line-Handel: Höchste Evolutionsstufe im Multi-Channeling“ (Springer Gabler 2013, 39,95 Euro).
Beiden Autoren muss man allerdings zugutehalten, dass sie ihren Lesern keine Illusionen machen: Ein so-weiter-wie-bisher ist für sie keine realistische Alternative. Wer auch weiterhin vom stationären Handel leben will, muss sich stattdessen ernsthaft mit den aktuellen Entwicklungen auseinandersetzen und die im Netz entwickelten Verkaufstrends in sein Geschäftsmodell integrieren. „Bricks & Clicks“ heißt das bei Haderlein, „No-Line-Handel“ bei Heinemann. Während beide Autoren damit ein möglichst weit gefasstes Multichannel-Modell vertreten, gibt es doch auch Unterschiede in den Ansätzen, die ihre Bücher für den interessierten Händler unterschiedlich geeignet machen.
So ist Haderleins „Digitale Zukunft des stationären Handels“ schon vom optischen Eindruck her das einfachere der beiden Fachbücher. Bullet Points, Web- und Youtube-Links sowie gestalterisch abgesetzte Kästen mit „Bricks & Clicks Innovationen“ sorgen für Übersichtlichkeit und machen die theoretische Stoßrichtung auf konkrete Weise begreiflich. Zudem wird das Buch von einer Webseite begleitet, auf welcher der Autor sein Thema kontinuierlich weiterentwickelt. Inhaltlich listet Haderlein fein säuberlich alles auf, was die Fachdiskussion der letzten Monate bestimmt hat: Mobiles Web, Local- und Instore-Dienste, Couponing, Social Commerce, QR-Shopping, Mobile Payment bis hin zum Kunden-Monitoring und zeitgemäßem Mitarbeiter-Recruiting. Endpunkt des Buchs sind „Zehn Goldene Regeln des Multi-Channeling“, die allerdings merkwürdig knapp bleiben und vor allem eines aussparen: Die Kundenperspektive.
Hier liegt dagegen das große Plus von Gerrit Heinemanns „No-Line-Handel“: Das am Anfang
des Buchs des Professors an der Fachhochschule Niederrhein stehende Kapitel über „Grundlagen
und Formen des No-Line-Handel“ setzt konsequent beim Kunden an und beschäftigt sich
unter anderem mit der gewandelten Customer Journey, den Mediennutzungsgewohnheiten,
Möglichkeiten zur Kundengewinnung und Strategien zur Begeisterung der Konsumenten.
Das ist weit mehr als ein kosmetischer Unterschied und macht anschaulich begreifbar,
dass es sich bei den im weiteren Verlauf des Ratgebers beschriebenen Verkaufsstrategien
nicht nur um modischen Schnickschnack handelt, sondern um existenziell wichtige Antworten
auf fundamentale Herausforderungen für den Handel. Auch Heinemann referiert im Folgenden
die Trendthemen Multi-Channel-Funktionen, Mobile Dienste, Crossmedia-Marketing, aber
auch Aspekte wie Crowdsourcing, Gamification und Mass Customization, die für viele
Händler noch einen hohen Neuigkeitswert haben dürften. Positiv zu erwähnen ist, dass
der FH-Professor auch betriebswirtschaftliche Handreichungen wie Empfehlungen für
einen Business-Plan, Organisationstipps und Merkmale zur Bewertung der eingesetzten
Systeme in sein Buch integriert hat. Damit erreicht „No-Line-Handel“ allerdings auch
eine Komplexität, die das Fachbuch wohl eher für ein schon recht gut informiertes
mittelständisches Handelsunternehmen geeignet macht, als für den kleinen Einzelhändler
vor Ort.
Während die Bücher von Haderlein und Heinemann durchaus für das jeweilige Klientel
ihren Wert besitzen, gibt es bei beiden Autoren doch ein großes Manko: Die angeführten
Best Practices. Beide Handelsexperten schreiben, dass es in Deutschland noch keine
entsprechend geeigneten Multi-Channel-Erfolgsgeschichten gibt und greifen deshalb
fast ausschließlich auf Beispiele aus den USA und UK zurück. Auf den ersten Blick
mögen Best Buy, Sears und Nordstrom gut klingende Namen sein, doch ist nicht nur Best Buy ein Spiegelbild des im Filialgeschäft kriselnden europäischen Retail-Marktführers
Media-Saturn1. Wer von den Zukunftschancen eines modern aufgestellten stationären Handels schreibt,
sollte dies mit guten Beispielen – auch aus dem Inland – belegen. Denn wie die Synaxon AG2, Cyberport3 und vielleicht bald auch EP4 zeigen, gibt es solche Beispiele nicht zuletzt sogar im deutschen Elektronikhandel.
(mh)
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