LAG-Urteil
Dienstliche SMS müssen in der Freizeit nicht gelesen werden
Datum:11.01.2023
Ein Arbeitnehmer muss keine dienstlichen SMS in der Freizeit lesen. Das entschied
das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem jetzt veröffentlichten
Urteil vom September 2022.Arbeitnehmer müssen keine dienstlichen SMSs in ihrer Freizeit lesen, entschied das
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.
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In dem Fall ging es um kurzfristige Dienstplanänderungen für einen Notfallsanitäter. Zuvor berichtete "Der Spiegel" über das Urteil. (Az.: 1 Sa 39 öD/221)
Wesentlich geht es um die Frage, ob der Notfallsanitäter in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag reagieren musste. Er war in zwei solchen Fällen telefonisch und per SMS und in einem Fall auch per E-Mail nicht zu erreichen gewesen und meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten seines Angestellten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und dann eine Abmahnung. Der Notfallsanitäter zog vor das Arbeitsgericht (ArbG) und unterlag. In der Berufung entschied das LAG zugunsten des Mannes.
Recht auf Nichterreichbarkeit
Der Arbeitgeber musste nach Angaben des LAG damit rechnen, dass der Kläger die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen und dazu gehöre auch, die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen.
Der Kläger habe sich nicht treuwidrig verhalten, urteilte das LAG. Das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dem Persönlichkeitsschutz. "Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht."
DGB-Bundesvorstandsmitglied Anja Piel lobte die Entscheidung. Arbeitgeber, die von ihren Beschäftigten in der Freizeit Arbeit und Erreichbarkeit erwarteten, seien auf dem Holzweg. "Keine Arbeitnehmerin und kein Arbeitnehmer muss in der Freizeit SMS lesen oder sonstige Anfragen beantworten. Damit erbringt man nämlich Arbeitsleistung und das ist Arbeitszeit", teilte Piel mit. Unbegrenzte Arbeitszeit und ständige Erreichbarkeit seien ungesund. "Arbeitgeber müssen Arbeit so organisieren, dass die Freizeit der Beschäftigten geschützt ist - das ist technisch ohne Weiteres möglich." (dpa/rs/rw)
Links im Artikel:
1 https://www.sit.de/lagsh/ehome.nsf/5E372B90DC23191CC12588F000454137/$file/Urteil-1-Sa-39%20%C3%B6D-22-27-09-2022.pdfAlle Rechte vorbehalten. Jegliche Vervielfältigung oder Weiterverbreitung in jedem Medium in Teilen oder als Ganzes bedarf der schriftlichen Zustimmung der IDG Tech Media GmbH. dpa-Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt und dürfen weder reproduziert noch wiederverwendet oder für gewerbliche Zwecke verwendet werden. Für den Fall, dass auf dieser Webseite unzutreffende Informationen veröffentlicht oder in Programmen oder Datenbanken Fehler enthalten sein sollten, kommt eine Haftung nur bei grober Fahrlässigkeit des Verlages oder seiner Mitarbeiter in Betracht. Die Redaktion übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen. Für Inhalte externer Seiten, auf die von dieser Webseite aus gelinkt wird, übernimmt die IDG Tech Media GmbH keine Verantwortung.