...Mit freundlichen Grüssen

09.06.1996
Computerwoche Verlag GmbH, Postfach 40 04 67, D-80704 München

Computerwoche Verlag GmbH, Postfach 40 04 67, D-80704 München

manager magazin

Chefredaktion

Herrn Dr. Wolfgang Kaden

Ost-West-Straße 23

20457 Hamburg

München, 06.09.1996

Sehr geehrter Herr Dr. Kaden,

es gibt in der deutschen Computerbranche eine Vielzahl von Unternehmen mit einem ambivalenten Verhältnis zur Presse. Kritischer Journalismus wird zwar geschätzt, aber nur in bezug auf den Wettbewerber. Hinsichtlich der Berichterstattung über das eigene Unternehmen kennt das Management nur zwei Beurteilungskategorien: fair und unfair. Wobei ein kritischer Artikel per definitionem ein unfairer Artikel ist.

Dazu ein Beispiel: Vor einigen Wochen veröffentlichten wir die Ergebnisse einer repräsentativ angelegten Umfrage unter Computerhändlern und Systemhäusern über die Zusammenarbeit mit ihren Distributoren. Nach dem Erscheinen dieses Artikels warf ein großer Distributor, der bei dieser Umfrage überraschend schlecht abgeschnitten hatte, unserer Redaktion eine absichtsvolle und sachlich natürlich ungerechtfertigte negative Berichterstattung vor. Zur Strafe schnitt der Distributor unsere Redaktion radikal vom Informationsfluß ab, nahm sie aus dem Presseverteiler und erklärte den Chefredakteur zur persona non grata. Der Vorschlag unsererseits, in einem ausführlichen Gespräch die Situation zu diskutieren, stieß auf taube Ohren. Daß zu dieser Strafaktion auch die Stornierung sämtlicher Anzeigen gehörte, muß wohl nicht betont werden.

Klarer Fall also: Hier soll eine unbequeme Redaktion gefügig gemacht werden. In dieser Radikalität sicherlich ein Einzelfall. Dennoch sind für einige Unternehmen der Computerbranche Journalisten anscheinend in erster Linie Menschen, die die Rückseiten von Anzeigen beschreiben. Wer eine Anzeigenseite kauft, so die weitverbreitete Erwartung, der kauft auch gleich die Redaktion. Gerechterweise muß man zugeben, daß einige schwarze Schafe unter den Computer-Zeitschriften, bei denen die Spielregeln tatsächlich so lauten, an dieser Einstellung nicht ganz unschuldig sind.

Mich würde nun interessieren, ob eine derartige Einstellung der Unternehmen zur Presse ein besonderes Charakteristikum der Computerbranche ist (dann wäre nach den besonderen Ursachen zu fragen), oder ob es vergleichbare Beobachtungen auch in anderen Industriezweigen gibt. Als Chefredakteur des "manager magazins" und früherer "Vize" beim "Spiegel" haben Sie zweifelsohne einen erheblich weiteren, weil branchenübergreifenden Überblick über diese Thematik als ich. Zudem würde ich mich freuen zu erfahren, wie Sie mit derartigen Problemfällen umgehen.

Für Ihre Unterstützung bedanke ich mich bereits im voraus und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

- Chefredakteur -

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