Die Zeiten als der Aufstieg und Fall von Intershop den Neuen Markt der Frankfurter Börse in Atem hielten, sind lange vorbei. Zwar sorgte in letzter Zeit der Wegfall von Großkunden wie Quelle, Otto und Tchibo für gelegentliche Verunsicherung, doch hat sich Intershop als Marke für "E-Commerce made in Germany" etabliert. Vor allem größere Unternehmen vertrauen bei ihren Aktivitäten im Online-Handel auf die zuverlässige und leistungsstarke Intershop Suite. Doch hat die Solidität auch ihren Preis: Geht es um Innovationen im E-Commerce, ist nur selten von Intershop die Rede. Vorne liegen dann vielmehr flexible Open-Source-Systeme wie Magento und Oxid oder das im letzten Jahr gestartete Shop-Netzwerk Shopware/Bepado. Dass Intershop nun den Schwerpunkt auf das Trendthema Omnichannel verlagert und sich mit einem neuen Logo und einer Niederlassung in Berlin neue Dynamik verpasst, wirkt da kaum wie ein Zufall.
Auch Intershop-CEO Jochen Moll bemüht sich, gängige Vorurteile über den E-Commerce Software-Hersteller aus dem Weg zu räumen: "Die ‚große Lösung Intershop‘ ist nur genau so groß, wie unsere Kunden sie im jeweiligen Moment benötigen." Intershop sei sehr gut skalierbar und könne daher sehr flexibel auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen. Angesichts des zuletzt durch die Übernahme von Hybris durch SAP demonstrierten Konzentrationsprozesses im E-Commerce-Bereich habe das Jenaer Unternehmen sogar den Vorteil, eben nicht zu den ganz Großen zu zählen. "Aber es ist schon so, dass einige unsere Alleinstellungsmerkmale besonders zur Geltung kommen, wenn große Installationen, komplexe, auch internationale Geschäftsmodelle abgebildet werden müssen", räumt Moll ein. Spitzensportler seien ja auch besonders stolz auf die besondere Leistung. "Die würde aber auch nicht zustande kommen, wenn nicht insgesamt täglich ein hohes Niveau abgeliefert würde. Nicht weniger ist unser Anspruch", so der Intershop-CEO.
Shop-Technologie zur Verbindung von Online und Offline-Handel
Diesem Anspruch versucht Intershop nun mit einer Schwerpunktsetzung auf das Leitbild Omnichannel zu folgen. Wie Moll erklärt, seien die Grenzen zwischen On- und Offline-Handel zunehmend im Verschwinden begriffen: "Selbst reine Online-Händler eröffnen mittlerweile 'reale' Ladengeschäfte, wie das bekannte Beispiel Zalando zeigt." Andererseits begriffen immer mehr Einzelhändler, dass sie zusätzliches Geschäft generieren könnten, wenn sie nicht nur mit dem stationären Angebot, sondern online mit zusätzlichen Informationen, Lieferoptionen oder zusätzlicher Reichweite punkteten. "Für uns heißt das, Technologie zur Verfügung zu stellen, die beide Welten für Kunden optimal verbindet", so Moll. Die heutige Online-Technologie biete dem Handel eine großartige Möglichkeit, seine Kunden besser kennenzulernen. Ziel sei es, die verschiedenen Kanäle strategisch sinnvoll und profitabel zusammenzuführen.
Dabei setzt auch Intershop vermehrt auf eine modulare Ausgestaltung seines Shopsystems. "Dadurch dass unsere Plattform sehr offen für die Integration an Drittsysteme ist, können spezielle zusätzliche Lösungen unkompliziert angebunden werden", erklärt Firmenchef Jochen Moll. Um das Wachstum des Ökosystems rund um Intershop zu beflügeln, hat das Unternehmen nun die die Initiative "Seed - Growing Ideas" gestartet. Wie Moll erzählt, handele es sich dabei um eine Art Inkubator für wertvolle neue Ideen und Konzepte, die auch in der Zusammenarbeit mit Start-ups für die Branche entstehen sollten. Als erstes sichtbares Ergebnis der Initiative wurde Anfang April am "Intershop Summit" in Berlin eine zusammen mit dem Bilderkennungs-Spezialisten Picalike erarbeitete Lösung zum Thema Visual Commerce präsentiert. Dabei geht es darum, dass Produkte mit dem Smartphone eingescannt werden und daraufhin ähnliche Produkte im Onlineshop gefunden werden.
eBay ist heute größter Intershop-Einzelaktionär
In Berlin veranstaltete Intershop nicht nur seinen "Summit", sondern ist in der Hauptstadt seit Anfang des Jahres auch mit einer neuen Niederlassung vertreten. "Wir sind bereits mit unserer Tochter TheBakery in Berlin ansässig", erklärt dazu CEO Jochen Moll. "Zukünftig sollen Vertrieb und Marketing aus Berlin gesteuert werden." Hintergrund sei die leichtere Erreichbarkeit für Kunden und Geschäftspartner sowie die Zusammenarbeit mit Start-ups aus dem dortigen Umfeld. Dass mit Berlin ein wesentlich höherer Hipness-Faktor verbunden wird als mit dem Unternehmenshauptsitz Jena, dürfte Intershop allerdings auch nicht stören. Auch das neue Intershop-Logo und die dazugehörige Homepage präsentieren sich deutlich zeitgeistiger - eine Verjüngungskur, die sich für den Software-Hersteller im E-Commerce-Umfeld durchaus positiv auswirken könnte.
Keinen Einfluss auf die Neuerungen hat nach Angabe von Moll eBay genommen. Der amerikanische E-Commerce-Konzern ist über den 2011 übernommenen Dienstleister GSI Commerce (heute: eBay Enterprise) inzwischen größter Intershop-Einzelaktionär. "eBay Enterprise ist heute für uns ein großer Kunde", erklärt der Intershop-CEO. Vor allem zu Beginn der Zusammenarbeit habe man starke Einblicke in Kundenanforderungen im amerikanischen Markt erhalten, die in die Intershop-Lösung eingeflossen seien und damit für andere Kunden nutzbar seien. Zur Frage, ob Intershop im Gegenzug auch dem hierzulande eher schwerfüßigen Dienstleistungsgeschäft von eBay auf die Sprünge helfen könne, äußert sich Moll nur sibyllinisch: "Im deutschen Markt sind wir sehr gut aufgestellt. Mit weiteren Partnerschaften erschließen wir uns zusätzliche internationale Reichweite, technologische Synergien sowie tieferen Zugang zu speziellen Branchen mit ihren jeweiligen Anforderungen." (mh)