Grundlagen WiMAX

29.03.2006
Von Dr. Axel
Der Standard IEEE 802.16 (WiMAX) soll die breitbandige drahtlose Anbindung mit bis zu 75 Mbit/s realisieren und noch in Entfernungen von 50 Kilometern funken. Erfahren Sie hier alles über die Anwendungen, die Architektur und den Aufbau dieser Verbindung.

Von Dr. Axel Sikora, tecChannel.de

Die breitbandige drahtlose Anbindung (Broadband Wireless Access - BWA) ist an und für sich keine wirkliche Neuheit. Bereits seit Jahren stehen mit Hilfe von Mikrowellen- und Laserlinks im Sinne von Punkt-zu-Punkt (P2P) beziehungsweise Punkt-zu-Multipunkt (P2MP) Anbindungen zur Verfügung. Während hierfür in der Vergangenheit praktisch ausschließlich proprietäre Protokolle zum Einsatz kamen, versucht man nun mit 802.16, einem neuen Stan-dard aus der IEEE-802-Familie, den Markt mit standardisierten und somit günstigeren Produkten zu durchdringen und zu erweitern.

In Bezug auf Marketing und Kompatibilitätstests erfährt der Standard Unterstützung durch das WiMAX-Forum, das mittlerweile mehr als 200 Unternehmen vereint. WiMAX steht für "Worldwide Interoperability for Microwave Access". Die Technologien sollen mit einer Bandbreite von bis zu 75 Mbit/s noch in Entfernungen von 50 Kilometern funken.

Einsatzgebiete von WiMAX

Damit stellt sich WiMAX nicht nur als Konkurrent zu den Brückenverbindungen, sondern auch zu den zukünftig zu erwartenden vermaschten Topologien des WLAN auf. Vor allem aber bietet es sich dort als Alternative zu DSL-Netzen an, wo aus Kostengründen eine Verkabelung nicht sinnvoll erscheint. Hier ist auch der Ursprung des markigen Wahlspruchs von Intel "Connecting the Next Billion People" zu sehen, da WiMAX die Möglichkeit bietet, breitbandige Zugangsnetze ohne aufwändige und leitungsgebundene Infrastruktur bereitzustellen.

Im Bereich der Endgeräte kommt WiMAX schließlich auch als Konkurrent zu UMTS ins Spiel. Um das Wettbewerbsfeld noch vielfältiger und komplexer zu gestalten, wird in Zukunft auch der Mobile Broadband Wireless Access der IEEE-Arbeitsgruppe 802.20 antreten. Ob es in diesem Umfeld genügend Raum für alle diese unterschiedlichen Standards gibt, wird sich herausstellen.

WiMAX positioniert sich hierbei vor allem als Wireless Metropolitan Area Network (WMAN), einer Netzwerkhierarchie-Ebene, die im drahtgebundenen Bereich wesentlich durch Ethernet oder ATM ersetzt wurde. Die oben stehende Tabelle zeigt die Ebenen für die drahtlosen und drahtgebundenen Technologien. Dabei ist klar, dass es zwischen den Ebenen jeweils Überschneidungen gibt.

IEEE 802.16 und seine Bestandteile

Obwohl IEEE 802.16 erst vier Jahre alt ist, existieren bereits heute zahlreiche Bestandteile und Optionen. Diese lassen sich - neben den unterschiedlichen Zielsetzungen der Anwendungen - vor allem auf die Tatsache zurückführen, dass die bisherigen proprietären Technologien möglichst weit eingefangen werden mussten.

Im Jahr 2001 wurde der erste Richtfunkstandard für das WMAN konzipiert. In dem im April 2002 verabschiedeten Standard, der einen Frequenzbereich zwischen 10 und 66 GHz vorsieht, ist ausschließlich die Datenübertragung über eine Sichtverbindung (Line of Sight - LOS) möglich.

Anfang 2003 wurde unter der Federführung von Intel das WiMAX- Forum gegründet, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, den Standard auch für portable Endge- räte zu nutzen. Noch im gleichen Jahr wurden dann die Teilstandards IEEE 802.16a und IEEE 802.16REVd verabschiedet, die im Juli 2004 zum 802.16-2004-Standard zusammengefasst wurden. Die niedrigeren Frequenzen zwischen zwei und elf GHz sollen hierbei sowohl kostengünstigere Realisierungen als auch indirekte Verbindungen erlauben, die als Near Line of Sight bezeichnet werden.

Mit der nächsten Ausbaustufe IEEE 802.16e, die am 7. Dezem- ber 2005 verabschiedet wurde, sollen auch mobile Endgeräte (Non Line of Sight - NLOS) unterstützt werden. Dabei sollen Datenraten von bis zu 15 Mbit/s und Reichweiten von bis zu fünf Kilometern erreicht und Roaming ermöglicht werden.

WiMAX und HiperLAN

Im Gegensatz zu bisherigen Ansätzen ist über WiMAX nun auch ETSI im Boot. Dabei soll der HiperMAN-Ansatz aus dem Projekt BRAN (Broadband Radio Access Network) mit den 802.16-Ansätzen so harmonisiert werden, dass eine Kompatibilität erreicht wird. Das High Performance Metropolitan Area Network entstammt der gleichen Familie wie das HiperLAN beziehungsweise HiperLAN/2, die sich am Markt ebenfalls in keiner Weise durchsetzen konnten.

Nicht zuletzt wegen dieser Vielfalt kommen Ansätze wie Software Defined Radio (SDR) in größerem Umfang zum Tragen. Auch wenn immer noch wesentliche Teile des HF-Teils in Hardware ausgeführt werden, so werden diese doch in erheblichem Maße durch Software konfigurierbar.

Von besonderem Interesse ist auch die Markteinführung der Systeme, da auf Grund der Vielzahl von Optionen die Interoperabilität durchaus in Frage gestellt werden kann. Die Etablierung und Zertifizierung so genannter Systemprofile soll hier Abhilfe schaffen.

Architekturen und Anwendungen

Die grundlegende Architektur des IEEE 802.16 sieht die Kommunikation zwischen einer Basisstation (BS) und einer oder mehreren abgesetzten Subscriber Stations (SS) vor. In der Namensgebung zeigt sich die Nähe zur Sprache der Mobilkommunikation. Eine Basisstation entspricht dabei in etwa einem Access Point (AP), eine Subscriber Station einer Client Station von 802.11. Mit dieser Sterntopologie sind verschiedene Rahmenbedingungen vorgegeben:

3 Es muss versucht werden, möglichst viel Funktionalität in die Basisstation zu verlagern, damit die Subscriber Stations, die in größeren Stückzahlen eingesetzt werden, möglichst günstig werden.

3 Es kann eine zentrale Zugriffssteuerung für eine qualitätsorientierte Übertragung im Sinne eines Quality of Service (QoS) realisiert werden.

3 Die Koordination mehrerer mobiler Subscriber-Stationen muss über die Basisstationen erfolgen.

Auf Anwendungsebene sind die verschiedenen Szenarien denkbar:

Mit diesen beiden unterschiedlichen Szenarien können auch die Anwendungen zum Ersatz der DSL-Versorgung abgedeckt werden, wie sie momentan in Probeinstallationen auch in Deutschland aufgebaut werden.

Die zentrale Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Szenarien ist die kostengünstige Verfügbarkeit der Komponenten, was als große Herausforderung im Vergleich zu den bereits sehr preiswerten WLAN-Systemen anzusehen ist. Aus diesem Grund muss WiMAX wesentliche Vorteile in Bezug auf Funktionalität, Qualität und Reichweite bieten, um diesen Erfolg zu ermöglichen. Hierfür sind vielfältige Maßnahmen vorgesehen, die im Folgenden beschrieben werden.

Aufbau des Standards

Die Standards der IEEE-802-Familie decken mit der Bitübertragungs- und der Sicherungsschicht die beiden unteren Schichten des OSI-Referenzmodells ab. Dabei wird die Sicherungsschicht noch einmal in Logical-Link-Control-(LLC)- und Medium-Access-Control-MAC-Layer unterteilt. Der Aufbau des 802.16-Standards folgt diesem Modell und nimmt eine Beschreibung von Bitübertragungsschicht und MAC-Layer vor.

Dabei sind zwei Besonderheiten zu beachten:

Zum einen tritt neben die klassische horizontale Segmentierung eine vertikale Segmentierung, bei der Daten- und Managementverkehr getrennt sind. Diese Trennung ist auch von anderen Protokollen bereits bekannt, insbesondere aus dem Bereich von Telekommunikation und ATM, aber auch von den drahtlosen Protokollen. Zum anderen ist der MAC-Layer noch einmal unterteilt.

Der MAC-Layer

Das Kernelement ist der MAC Common Part Sublayer (MCPS), der die klassischen MAC-Aufgaben wie Kanalzugriffssteuerung und Adressierung übernimmt.

Nach oben fügt sich der Service Specific Convergence Sublayer (SSCS) an, wie er ebenfalls von anderen 802-Standards bekannt ist. Hier wird vor allem die Anpassung an die Verkehrscharakteristik vorgenommen. So definiert beispielsweise ein MAC-Profil die zellorientierte Übertragung im ATM-Standard, ein weiteres die paketorientierte Übertragung nach dem Internet-Protokoll.

Nach unten liegt der sehr wichtige Privacy Sublayer, der Aufgaben wie Verschlüsselung übernimmt. Hierbei sind symmetrische Verschlüsselungsverfahren wie Triple-DES und AES vorgesehen.

Je größer die Mobilität der Geräte ist, desto größer ist auch die Notwendigkeit der Einbindung in eine Systemadministration. Hierbei unterscheidet man die so genannte Mikro-Mobilität (Handover in verschiedenen WiMAX-Zellen) und die Makro-Mobilität (Handover zwischen verschiedenen Netzen).

Neben der Herausforderung, die unterschiedlichen Übertragungsmechanismen in ein Gerät zu integrieren, müssen auch die Fragestellungen Authentifizierung, Autorisierung und Accounting (AAA) benutzerfreundlich, zuverlässig und übergreifend geklärt werden. Dieser Bestandteil ist als Managementebene nicht Bestandteil des IEEE-802.16-Standards. Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die WiMAX-Systeme potenziell in sehr unterschiedliche Infrastrukturen und Administrationsumgebungen eingebunden werden sollen.

PHY - Frequenzbänder

Frequenzen sind ein rares Gut. Abgesehen von dem 2,4-GHz-ISM-Band, das beispielsweise von IEEE 802.11, Bluetooth oder ZigBee verwendet wird, gibt es praktisch keine Frequenzbänder, die weltweit einheitlich von den jeweiligen Aufsichtsbehörden zugeteilt werden. WiMAX verwendet deswegen für 802.16-2004 verschiedene lizenzfreie (licence exempt) und lizenzbehaftete (licensed) Frequenzbänder, deren wichtigste Vertreter Sie in der Tabelle oben finden.

Als Vorteile der lizenzbehafteten Frequenzen lassen sich eine bessere Qualität durch eine entschärfte Koexistenzproblematik, eine bessere Empfangsqualität auch bei NLOS-Verbindungen durch die Verwendungen niedrigerer Frequenzen sowie ein besserer Investitionsschutz auf Grund der höheren Markteintrittsbarrieren identifizieren. Auf der anderen Seite erscheint die Nutzung der lizenzfreien Frequenzen wegen der geringeren Kosten, der Möglichkeiten einer schnelleren Markteinführung und der Vielzahl der weltweit verfügbaren lizenzfreien Frequenzbänder attraktiv.

Weltweite Frequenznutzung

In den USA hat die Federal Communications Commission (FCC) als zuständige Aufsichtsbehörde den so genannten "Broadband Radio Service" (BRS) definiert, der früher als "Multi-Channel Multipoint Distribution System" (MMDS) bezeichnet wurde. Diese Restrukturierung hat eine Öffnung des Bands zwischen 2,495 GHz und 2,690 GHz für lizenzbehaftete Technologien wie WiMAX ermöglicht.

In Europa hat dagegen das übergreifende European Telecommunications Standards Institute (ETSI) das 3,5-GHz-Band für lizenzierte WiMAX-Lösungen umgewidmet. Dieses war ursprünglich für Anwendungen im "Wireless Public Local Loop" (WPLL) vorgesehen.

Die lizenzfreien Bänder entsprechen den Frequenzen, wie sie auch für Systeme nach 802.11a und h vorgesehen sind (vgl. 802.11-Standard für drahtlose Netze). Entsprechende Koexistenzprobleme im - heute allerdings noch kaum ausgenutzten - 5-GHz-Bereich könnten die Folge sein.

Hohe Frequenzen

Für den ursprünglichen Standard IEEE 802.16 mit Frequenzen zwischen 10 und 66 GHz entfällt diese Problematik durch die Melde- und Genehmigungsregelungen der Aufsichtsbehörden. Zusätzlich breiten sich elektromagnetische Wellen dieser hohen Frequenz nur quasilinear aus. Eine Übertragung ist deswegen nur über eine direkte Sichtverbindung (Line of Sight; LOS) möglich.

Ist dies funktional als Einschränkung zu sehen, so sind jedoch auch zwei Vorteile zu beachten. Da nur ein Ausbreitungsweg genutzt wird, besteht die Möglichkeit einer Modulation auf einer Trägerfrequenz (Wireless MAN - Single Carrier (SC)). Die sich hierdurch ergebende Vereinfachung des Transceiver-Aufbaus wird sich aber - auf Grund der hohen Frequenzen - wohl kaum in güns- tigeren Komponenten niederschlagen. Zum Zweiten ergibt sich bedingt durch die Ausbreitungscharakteristik eine weitere Entspannung der Koexistenzproblematik.

Für die weiteren Teilstandards ist eine Reihe von Besonderheiten zu berücksichtigen:

3 Auch für den 802.16a-Standard wird eine Option angeboten, die nur eine Trägerfrequenz nutzt. Diese wird als Wireless MAN Single Carrier Access (SCa) Air Interface bezeichnet.

3 Für die Frequenzspreizverfahren können die Kanalbandbreiten flexibel zwischen 1,75 und 28 MHz gewählt werden, so dass ein Netzanbieter die verfügbare Bandbreite möglichst ziel-gerecht einsetzen kann.

Bei dieser Flexibilität, die in den Werbebroschüren sehr stark herausgestellt wird, muss aber berücksichtigt werden, inwieweit der Regulierer die Nutzung der breitbandigen Kanäle erlaubt.

Nutzung von OFDM

Nicht nur die IEEE-802.16-2004-Standards verwenden das Orthogonal-Frequency-Division-Multiplex-Verfahren (OFDM), bei dem die Datenübertragung auf mehrere Frequenzen aufgeteilt wird. Im Gegensatz zu herkömmlichen FDM-Verfahren überlappen sie sich nun aber teilweise.

OFDM weist aus diesem Grund eine besondere, hohe spektrale Effizienz auf. Die WiMAX-Systeme beispielsweise erreichen Werte von bis zu 3 Bit/s/Hz. OFDM ist darüber hinaus in besonderem Maße für Kanäle mit frequenzselektiver Auslöschung geeignet, wie sie insbesondere bei NLOS-Verbindungen auftreten. OFDM findet bei einer Vielzahl weiterer Kommunikationslösungen Anwendung, wie IEEE 802.11 oder DSL. Im Gegensatz zu 802.11 werden allerdings einige Unterschiede deutlich:

3 So wird bei 802.16-2004 das Sendesignal auf bis zu 256 Teilfrequenzen (Subcarrier) aufgeteilt, während es bei 802.11 nur bis zu 64 Teilfrequenzen sein können. Dabei gilt der einfache Sachverhalt, dass bei einer größeren Anzahl von Subcarriers die einzelnen Frequenzbänder schmalbandiger und gleichzeitig die Symboldauern länger werden. Die längere Symboldauer erlaubt dann eine größere Toleranz der Signallaufzeit, was ein wichtiger Einflussfaktor auf die mögliche Mehrwegeausbreitung ist.

3 Zusätzlich muss die so genannte Guard Time oder Cyclic Prefix (CP) berücksichtigt werden. Hierunter versteht man die erlaubte Übergangszeit zwischen zwei aufeinander folgenden Symbolen. Diese kann bei 802.16 in Stufen von 1/32, 1/16, 1/8 oder 1/4 eingestellt werden, um eine optimale Anpassung an die Kanaleigenschaften zu erreichen.

3 Mit Hilfe dieser und weiterer Maßnahmen erlaubt der IEEE 802.16 Variationen der Verzögerung (Delay Spread) von bis zu 10 *s. Im Vergleich hierzu: Der entsprechende Wert von IEEE 802.11 liegt bei 90 ns.

OFDMA und SOFDMA

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass der PHY-Layer von 802.16e eine flexible Nutzung von OFDM im Rahmen des so genannten OFD Multiple Access PHY Layers (OFDMA) vorsieht. Hierdurch wird eine weitere Kanalaufteilung sowohl im Up- als auch im Downlink ermöglicht und unterschiedliche Kodierungsarten für die unterschiedlichen Teilkanäle angeboten.

Und schließlich kann dieser Ansatz mit Hilfe des so genannten Scalable OFDMA (SOFDMA) noch feiner an die Gegebenheiten angepasst werden, indem die Teilkanäle in Abhängigkeit von ihrer Qualität mit QPSK, 16QAM oder 64QAM moduliert werden.

Die Fortsetzung dieses Beitrags finden Sie kommende Woche in der ComputerPartner-Ausgabe 15/06.

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