Wissensverlust minimieren

Erfolgskritisches IT-Know-how im Unternehmen halten



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Die acht Coaching-Schritte

Schritt 1: Die Führungskraft des IT-Experten und der Vertreter des Personalbereichs beleuchten nach dem Personalmanagement-Gespräch die Ausgangssituation: Wann verlässt der IT-Experte die Abteilung wohin? Wer wird sein (voraussichtlicher) Nachfolger sein? Arbeitet dieser bereits für Schwäbisch Hall? Warum ist der IT-Experte Träger von erfolgskritischem Wissen? Welchen Charakter hat dieses Wissen? Wie könnte der Wissenstransfer erfolgen?

Schritt 2: Nach dieser Erstanalyse beauftragt die Führungskraft einen hierfür geschulten Coach der Schwäbisch Hall Training (SHT), einem Tochterunternehmen der Bausparkasse Schwäbisch Hall, den Wissenstransfer-Prozess zu begleiten. Gemeinsam durchleuchten sie die Kompetenzen und die Aufgaben des IT-Experten: Über welche speziellen Fähigkeiten verfügt er zum Beispiel aufgrund seines beruflichen Werdegangs, seiner bisherigen Tätigkeit, seiner (Zusammen-)Arbeit mit anderen Bereichen und Organisationen? Welche dieser Kenntnisse sind erfolgskritisch?

Schritt 3: Die Führungskraft bespricht mit dem IT-Experten das geplante Wissenstransfer-Coaching und holt sein Commitment hierzu ein. Mit dem Coach analysieren sie gemeinsam, über welches Spezialwissen der IT-Experte im Detail verfügt. Die Leitfragen dabei sind:

  • Auf welchen Quellen basiert Ihr Wissen?

  • Welche Kompetenzen befähigen Sie für Ihre Aufgaben?

  • Welche Aufgaben erfüllen Sie aktuell?

Basierend auf diesem Gespräch erstellen sie einen sogenannten Wissensbaum, dessen Wurzeln die Quellen des Wissens, der Stamm die Kompetenzen und die Krone die aktuellen Aufgaben beinhalten. Diese Systematisierung ist hilfreich für das Strukturieren des weiteren Prozess und versinnbildlicht das Lebenswerk des Wissensgebers.

Schritt 4: Auf Basis dieser Übersicht verständigen sich die Führungskraft und der Coach darüber, welches Wissen dem Nachfolger des IT-Experten in welcher Reihenfolge und mit welchen Prioritäten vermittelt wird. Entscheidend ist dafür vor allem die Relevanz der Themen für das Unternehmen oder für eine möglichst rasche Einarbeitung des Nachfolgers.

Schritt 5: Nachdem dieser Rahmen feststeht, beziehen die Führungskraft und der Coach den Nachfolger des IT-Experten in das Wissenstransfer-Coaching ein. Der Nachfolger erhält Informationen, wie der Wissenstransfer abläuft, wozu er dient und um welche Inhalte es geht.

Schritt 6: Die Führungskraft, der Coach, der IT-Experte als Wissensgeber und sein Nachfolger als Wissensnehmer treffen sich zum Wissenstransfer-Auftakt. Dieses Treffen dient der Erläuterung der Ziele des Wissenstransfer-Coachings sowie der Klärung des organisatorischen Ablaufs. Gemeinsam erstellen die Teilnehmer einen Transferplan, in dem auch steht, wie oft sich der IT-Experte und sein Nachfolger (voraussichtlich) treffen, welche Themen jeweils behandelt werden und was beide zur Vorbereitung tun sollten.

Schritt 7: In den Folgemonaten treffen sich der IT-Experte und sein Nachfolger regelmäßig – zum Beispiel über einen Zeitraum von drei Monaten alle drei Wochen – um das erfolgskritische Wissen zu "transferieren". In diesen von dem Coach moderierten Dialogen befassen sich Wissensgeber und Wissensnehmer systematisch mit den im Transferplan definierten Themen. Das Ziel: der Wissensnehmer eignet sich das erfolgskritische Wissen an.

Dabei liegt der Fokus neben dem fachlichen Spezialwissen vor allem auf dem Erfahrungswissen, das sich nur bedingt verschriftlichen lässt. Solche Punkte können sein:

  • Stolperdrähte, über die man beim alltäglichen Wahrnehmen der Funktion, schnell stürzt,

  • Faktoren, denen der künftige Stelleninhaber zum Beispiel aufgrund der Historie eines Projekts ein besonderes Augenmerk schenken sollte, um dieses erfolgreich zu managen,

  • Faktoren, die es bei der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen und Organisationen, zu beachten gilt.

Schritt 8: Nach dem eigentlichen Transferprozess treffen sich die Führungskraft und der Coach erneut mit dem Wissensgeber und dem Wissensnehmer, um den Prozess gemeinsam zu reflektieren und evaluieren. Vereinbart wird auch, inwieweit der Wissensgeber den Wissensnehmer weiterhin unterstützt - zum Beispiel, indem er ihm bei Fragen als Ansprechpartner sowie Tipp- und Ratgeber zur Seite steht. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, die Arbeit des bisherigen Stelleninhabers noch mal ausdrücklich zu würdigen.

Bei planbaren Stellenwechseln erstreckt sich der beschriebene Prozess über circa ein halbes Jahr – unabhängig davon, ob der Wissensgeber das Unternehmen altersbedingt verlässt oder bei Schwäbisch Hall eine neue Position übernimmt. Zuweilen ist ein so strukturiertes Vorgehen nicht möglich –zum Beispiel, wenn das Unternehmen unterjährig vom geplanten Ausscheiden eines Mitarbeiters erfährt. Dann wird das Prozess-Design den jeweiligen Rahmenbedingungen angepasst.

Verantwortlich für das Steuern des Gesamtprozesses ist die jeweilige Führungskraft. Der Coach unterstützt als Dienstleister in dem Prozess. Er hilft der Führungskraft sowie dem Wissensgeber und dem Wissensnehmer dabei, den Transfer-Prozess qualitativ hochwertig und systematisch zu gestalten.

Wissenstransfer-Coaching hat sich bewährt

Inzwischen wird das Transfer-Coaching seit drei Jahren bei Schwäbisch Hall praktiziert – mit durchweg positiven Erfahrungen. Die Praxis hat gezeigt: Durch das Transfer-Coaching erfolgt die Vermittlung von erfolgskritischem Wissen in einer deutlich systematisierteren Form, wodurch nicht nur die Einarbeitung der neuen Stelleninhaber schneller und reibungsloser gelingt. Auch die Effizienzverluste bei Stellenwechseln werden minimiert.

Die Erfahrung hat zudem gezeigt: Wissensgeber und Wissensnehmer erfahren das Transfer-Coaching als Zeichen der Wertschätzung ihrer Person und ihrer Arbeit. Den Wissensgebern wird vermittelt, dass sie

  • in den zurückliegenden Jahren eine wertvolle Arbeit für das Unternehmen geleistet haben und

  • dabei ein Know-how erworben haben, das Schwäbisch Hall nicht verlieren möchte.

Den Wissensnehmern hingegen wird vermittelt, dass

  • es ihrem Arbeitgeber bewusst ist, welch komplexe Aufgabe sie übernehmen und

  • er ihnen deshalb die erforderliche Unterstützung gewährt.

Gezeigt hat sich in den vergangenen Jahren auch: Durch die gezielte Reflexion, bei welchem Wissen es sich um erfolgskritisches Wissen handelt, wird es allen Prozess-Beteiligten inklusive der Führungskraft oft erst bewusst, was zentrale Erfolgsfaktoren der Arbeit in ihrem Bereich sind. Das führt häufig dazu, dass (Teil-)Prozesse und Abläufe neu definiert und neue Standards für die (Zusammen-)Arbeit formuliert werden, wodurch die Qualität der Leistung insgesamt steigt.

Weitere Infos: Bernadette Imkamp, Abteilungsleiterin Personalbetreuung/-marketing bei Schwäbisch Hall. Sie betreut das Wissenstransfer-Coaching.

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