Die Gesundheitsreform als Einstieg in den totalitären Wohlfahrtsstaat ?

15.01.2007
Von Fiala 

Oder erhält man keinen Ausweis mehr, keine Arbeitsgenehmigung, keine Gewerbeanmeldung, oder erhält ein Bussgeld - und wenn man dies nicht bezahlt, eine Gefängniszelle, wenn man seiner Versicherungspflicht nicht ausreichend nachkommt? Wird dem Anwalt die Rechtsanwaltszulassung entzogen, wenn er ohne Krankenversicherung ist oder muss der private Bauherr prüfen, ob der Bauunternehmer auch krankenversichert ist? Darf man seine Krankenversicherung nicht mehr kündigen und auch der Krankenversicherer nicht kündigen, wenn man die Beiträge nicht bezahlt? In der privaten Pflegepflichtversicherung z. B. darf der Krankenversicherer heute schon auch nicht kündigen, wenn nur diese nicht bezahlt wird - die Fehlbeträge werden dann innerhalb der PKV ausgeglichen.

Es gibt z. B. so genannte Heilfürsorgeberechtigte, die - von Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr - im Krankheitsfall voll versorgt werden - diese haben heute gar keine Krankenversicherung.

Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) und die Postbeamtenkrankenkasse sind weder soziale Krankenkassen noch private Versicherungsunternehmen - die dort gegen Krankheit Abgesicherten benötigen aber weder eine gesetzliche noch eine private Krankenversicherung. Auch das "Werk gegenseitiger Hilfe im Verein Pfälzischer Pfarrerinnen und Pfarrer e.V.", der berufsständischen Vereinigung der Pfarrerinnen und Pfarrer der Ev. Kirche der Pfalz, ist eine soziale Selbsthilfeeinrichtung, die weder unter gesetzliche noch private Krankenversicherung fällt - ähnliche Einrichtungen kommen auch sonst vor. Das Versicherungsaufsichtsgesetz stellt diese ausdrücklich von der Versicherungsaufsicht frei.

Welche alternativen Absicherungen gegen den Krankheitsfall bleiben also künftig noch zulässig und führen dazu, dass die Betreffenden von der neu eingeführten allgemeinen Krankenversicherungspflicht unberührt bleiben?

Sodann stellt sich die Frage, ob denn auch der Umfang des Pflicht-Krankenversicherungsschutzes vorgeschrieben wird. Eine Pflicht ohne jeden vorgeschriebenen Mindestumfang würde ja praktisch ins Leere laufen - daher ist z. B. in der KFZ-Haftpflichtversicherung auch ein gesetzlicher Mindestumfang verbindlich vorgeschrieben, ohne den kein KFZ zugelassen oder sogar zwangsweise stillgelegt wird. Wenn man künftig auch nur eine Krankenversicherung in dem Umfang abschließen muss, die der Art nach der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, dann reichen z. B. nur ambulante Leistungen mit 20.000 Euro Selbstbehalt und ggf. mit weiteren Ausschlüssen oder ein Krankentagegeld von 5 Euro - für den heutigen Arbeitgeberzuschuss (der gerade nicht auch noch auf eine Vergleichbarkeit mit der GKV der Höhe nach abstellt) wäre dies jedenfalls ausreichend. Wenn aber der Mindestumfang vorgeschrieben wird, dann ergeben sich weitere verfassungsrechtliche Bedenken - wie sie ebenso ja auch bereits gegen den über ein absolutes Mindestmass hinausgehenden Basistarif geäußert wurden.

Der Verfassungsrechtler wird sich jeden Pflicht-Leistungsbaustein ansehen, und für jeden wird sich die Frage des Übermaßverbotes stellen, und zwar aus der Sicht des Bürgers: "Politik für 82 Millionen Menschen" bedeutet auch ein bemerkenswertes Potential für den Weg bis zum Verfassungsgericht. Bereits eine Klage nur in einer Instanz genügt, um das Verfahren auszusetzen, und das Verfassungsgericht anzurufen, wenn der Richter die gesetzliche Regelung für nicht verfassungskonform hält.

Oder reicht z. B. auch eine private Krankenversicherung, die nur 50 oder 70 Prozent der Kosten erstattet, um der künftigen Versicherungspflicht nachzukommen? Soll evtl. eine 100prozentige Absicherung und dies auch noch über vorgeschriebene umfassende Leistungsbereiche vorgeschrieben werden? Dann müssten vielleicht sogar viele heute privat Krankenversicherte Ihre Versicherung teuer aufstocken, denen bisher ein geringerer Schutz genügt.

Ist aber Zahnersatz, der selbst auch in Luxusausführung nur 20.000 Euro (vergleichbar auch lediglich dem Preis eines einfachen Neuwagens) kostet, wirklich ein von niemandem finanzierbares existentielles Lebensrisiko, gegen das sich jeder zwangsweise versichern müsste? Selbst die gesetzliche Krankenversicherung zahlt hier ja nur einen prozentualen Zuschuss, der auch noch von der wirtschaftlichsten Kassenausführung ausgeht. Ärzte benötigen wegen der Behandlung durch Kollegen nicht unbedingt einen Schutz gegen ambulante Arzthonorare und Apotheker keinen gegen Arzneimittelkosten, Zahnärzte keinen gegen Zahnbehandlungskosten oder Zahnersatz - wie man an entsprechenden PKV-Angeboten erkennt. Und für die Brille hat der Gesetzgeber bereits festgestellt, dass jeder sie gut selbst bezahlen kann, und sie deshalb aus dem Leistungskatalog der GKV weitestgehend herausgenommen.

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