Zukünftige Speichertechnologien - Teil 1

25.05.2005 von Hermann Strass
Das Speichern von Daten in Molekülen oder mit Hilfe von Proteinen gilt noch als Zukunftsmusik. Auf der Suche nach höheren Speicherdichten lassen die Forscher wenig unversucht. - Teil 1

Von Hermann Strass, tecChannel.de

Forschungen über physikalische, chemische, biologische und andere (exotische) Speichertechniken gibt es schon lange. Nachdem sich der Entwicklungsfortschritt bei Festplatten in jüngster Zeit etwas verlangsamt hat, werden jetzt wieder intensiver Alternativen für die Zukunft untersucht. Nachfolgend finden Sie den Stand der Technik und die derzeitigen Entwicklungsvorhaben alternativer Techniken beschrieben. Viele Techniken ähneln sich. Sie werden aber derzeit unabhängig voneinander an verschiedenen Orten in verschiedenen Laboren parallel und mit unterschiedlichen Zielvorstellungen entwickelt. Den holographischen Techniken haben wir einen eigenen Artikel gewidmet.

In dem in Kürze erscheinenden zweiten Teil dieser Artikelserie finden Sie alles über die Zukunft von optischen, elektrischen und magnetischen Speichertechniken.

Grundlegendes

Die mehr oder weniger lineare Weiterentwicklung der bisherigen magnetischen Festplattentechnik soll zumindest noch für eine Speicherdichte bis in den Bereich von Terabit pro Quadratzoll reichen. Da diese Speicherdichten für Magnetplatten aus heutiger Sicht nur noch mit sehr großem technischen Aufwand und daher sehr hohen Kosten erreichbar sein dürften, wird eifrig nach Alternativen geforscht. Neuartige magnetische, optische, thermo-mechanische, elektrische, chemische und biologische Verfahren werden intensiv erforscht. Es bleiben aber noch einige Jahre Entwicklungszeit, bis diese alternativen Techniken einspringen müssen. Oft werden mit ähnlichen Grundtechniken ganz unterschiedliche Verfahren erprobt, wobei sich erst später erweisen wird, welche Technik ökonomisch zu verwirklichen ist.

Speichertechniken werden häufig danach beurteilt, ob sie nach dem Abschalten der Stromzufuhr ihren Dateninhalt behalten oder nicht. Der übliche Maßstab für den Datenerhalt sind zehn Jahre ohne erneute Energiezufuhr. Dies ist auch das Maß für das so genannte superparamagnetische Limit bei magnetischen Plattenspeichern. Dies ist keine physikalische Größe, sondern nur ein Maß für die Größe einer magnetischen Domäne (ein Bit), also der Korngröße, die statistisch nach zehn Jahren noch unterscheidbar als NULL oder EINS gelesen werden kann.

Weitere Unterscheidungsmerkmale sind einmal oder beliebig oft beschreibbare Datenträger, mit oder ohne zwischengeschaltete Formatierung/Löschung sowie die Anfälligkeit gegen Licht oder magnetische Felder. Generell versucht man die relativ langsamen Schreib- und Lesezyklen von manchen der neuen Materialien durch Parallelzugriff zu beschleunigen. Ein Beispiel dafür ist der unten beschriebene Tausendfüßler (Millipede). Zum Vergleich sei daran erinnert, dass die relativ hohe Schreib-/Lesegeschwindigkeit bei Festplatten auf einer rein sequenziellen Technik beruht. Die Daten werden immer nur als ein Strom von einzelnen Bits geschrieben und gelesen, das aber bei sehr hoher Bitrate.

Mechanische Verfahren

Nanomechanische Systeme haben gewisse Vorteile gegenüber elektronischen Lösungen. Dabei kommen Varianten von STM (Scanning Tunneling Microsope, Rastertunnelmikroskop) und AFM (Atomic Force Microscope, Rasterkraftmikroskop) wegen ihrer extrem genauen Positioniermöglichkeit zum Einsatz. Die mechanische Bewegung benötigt wenig Energie und ist relativ schnell. Hitze ist kein großes Problem, weil sich im Gegensatz zu elektronischen Lösungen die Elektronen nicht durch immer engere Leiterbahnen und Schaltelemente zwängen müssen.

Wissenschaftler an den Universitäten von Edinburgh in Schottland und Bologna (Institut für das Studium von Nanostruktur-Materialien) in Italien haben eine Art molekularer Braille-Schrift entwickelt. Die Braille-Punkte entstehen auf einem dünnen Plastikfilm (3 bis 35 nm) mit Hilfe von Rotaxane-Molekülen. Im Labor waren solche Bitmuster einige Tage stabil. Je nach Dicke der Rotaxane-Schicht werden mit einer Kraft von 2 nN Punkte von 100 bis 500 nm Durchmesser bei einer Höhe von 1 bis 20 nm als Folge des mechanischen Drucks geformt.

Für die Forschung im Nanometer-Bereich und für MEMS (Micro Electronic Mechanical Systems) werden entsprechende AFMs (Atomic Force Microscopes, Rasterkraftmikroskope) benötigt. Ein solches Messgerät für 8-Zoll-Wafer kostet derzeit etwa 100.000 US-Dollar. Die AFM-Technik wurde in den Forschungslaboren bei IBM auch schon mit rotierenden Scheiben genutzt.

Einen Chip für Speicherzellen in Atomgröße hat Franz Himpsel, Physikprofessor an der Universität von Wisconsin (USA) mit einem Team von Wissenschaftlern hergestellt. Damit wurde zum ersten Mal bewiesen, was der berühmte Physiker Richard Feynman bereits 1959 vorhergesagt hatte. So könnten theoretisch alle jemals in der Menschheitsgeschichte geschriebenen Worte in einen Würfel mit einer Kantenlänge von weniger als 0,1 mm passen, wenn jedes Atom zur Speicherung eines Bit genutzt würde.

Das Labormuster von Franz Himpsel ist allerdings erst zweidimensional, also noch nicht dreidimensional, wie es für die vorgenannte Speicherdichte nötig wäre. Aber auch so ist die Speicherdichte schon etwa eine Million mal dichter als bei heutigen CD-ROMs. Nach herkömmlicher Rechnung wären das 250 Terabit pro Quadratzoll, was etwa 2500-mal so viel ist wie heute maximal bei Plattenspeichern möglich.

20 Atome pro Bit

Der von Professor Himpsel entwickelte Silizium-Speicherchip hat auf seiner Oberfläche Längsrillen. Darin liegen einzelne Silizium-Atome wie Tennisbälle nebeneinander in einer Rinne. Werden nun einzelne Atome mit der Spitze eines STM (Scanning Tunneling Microscope) herausgenommen, entstehen Fehlstellen, die als logische NULL gelten. Atome, die am Platz bleiben, repräsentieren jeweils eine logische EINS. Lesen, Schreiben und Formatieren eines solchen atomaren Speichers geschieht bei Raumtemperatur. Zwar ist die Manipulation einzelner Atome bei extrem tiefen Temperaturen technisch einfacher und präziser, aber auch teurer.

Die Rinnen (Gräben) an der Silizium-Oberfläche wurden nicht in herkömmlicher Wafer-Technik belichtet und herausgeätzt. Solche Strukturen (heute etwa 90 nm) wären um Größenordnungen zu grob.

Professor Himpsel bedampfte seine Silizium-Speicherchips extrem dünn mit Gold. Dadurch entstanden Strukturen mit Längsrillen. Danach wurde darauf noch Silizium aufgedampft. Die Siliziumatome fallen von allein in die vom Goldüberzug erzeugten Gräben, wie Eier in den Eierkarton. Dabei entstehen automatisch regelmäßige Abstände zwischen den Atomen, die somit einzeln herausgenommen oder eingefügt werden können, ohne dass Nachbaratome beeinflusst werden. Das sind dann, wie oben schon beschrieben, die atomaren Bits.

Diese Technik benötigt sicher noch Jahre oder Jahrzehnte, bis sie kommerziell genutzt werden kann. Nachteilig ist, dass ein Vakuum benötigt wird. Das Lese-/Schreib-Gerät in Form eines STM ist langsam, weil es nur einzelne Atome bewegt, und außerordentlich teuer. Die Signalstärke ist offensichtlich extrem klein. Die Verstärkung aus dem thermischen Rauschen heraus ist sehr aufwändig.

Die Speicherdichte übertrifft dabei selbst die in der Natur nach einem langen Evolutionsprozess erreichten Werte: Franz Himpsel benötigt etwa 20 Atome je Bit. In der DNA werden 32 Atome für eine Informationseinheit je Basenhalbpaar benötigt.

Millipede

Bei der von IBM im Forschungslabor Rüschlikon bei Zürich Millipede (Tausendfüßler) genannten thermomechanischen Technik werden Bits in Molekülgröße gespeichert. Peter Vettiger, einer der Erfinder dieser Technik, gibt an, dass die Idee bei einem kühlen Bier nach dem wöchentlichen firmeninternen Fußballspiel entstand. Die erreichbare Speicherdichte (1 Terabit pro Quadratzoll) des Millipede ist etwa 20-mal so hoch wie bei heutigen Festplatten. Kern der Millipede-Technologie ist laut IBM-Research (www.re search.ibm.com) eine zweidimensionale Anordnung von V-förmigen Silizium-Federzungen (Kantilever), die 0,5 Mikrometer dünn und 70 Mikrometer lang sind. Beim Millipede bewegt sich ein Kamm aus 32 x 32 elastischen Federzungen mit Kegelspitze über eine Plastikoberfläche. Damit werden beim Schreiben, je nach Bitmuster, bei 400 Grad Celsius Löcher in die Oberfläche geschweißt. Beim Lesen wird die Meldung, Loch oder kein Loch, als EINS oder NULL interpretiert. Die Löcher haben einen Durchmesser von etwa 10 nm. Gelesen wird etwa durch die Temperaturänderung, die sich ergibt, wenn eine Federspitze auf eine atomare Erhöhung stößt (Reibungswärme). Die Zugriffszeit soll bei etwa 500 *s liegen.