Die Zahl ist gigantisch: Etwa 32 Milliarden Rechnungen pro Jahr werden in Deutschland ausgetauscht. In mittelständischen Betrieben meist umständlich auf Papier und im teuren Postversand. Dabei gäbe es mit der elektronischen Rechnung- zumindest theoretisch - schon lange eine einfache, zeitsparende und kostengünstige Alternative.
Das Sparpotential der E-Rechnung ergibt sich zum einen aus dem Wegfall von Papier-, Druck- und Versandkosten. Vor allem aber erhöht sich damit die Verarbeitungseffizienz: Eingehende Rechnungen können digital bearbeitet und abgelegt werden. Einigen sich zwei Unternehmen darauf, Rechnungen elektronisch zu versenden, lassen sich die Daten direkt in die entsprechenden IT-Systeme überführen, prüfen und mittels Abgleich der Bestelldaten automatisch freigeben.
Summa summarum, so hat eine Berechnung des E-Invoicing-Beratungshauses Billentis ergeben, liegt das Einsparpotenzial pro Rechnung bei 11,60 Euro - ein für kleinere Unternehmen erklecklicher Betrag. Mit den 100 bis 2.000 monatlichen Rechnungen, die zwei Drittel mittelständischer Unternehmen laut einer Sage Studie ausstellen, könnten bei digitaler Verarbeitung erheblich Kosten gespart werden.
Andere Wirtschaftsakteure sind da schon weiter. Im Großhandel und in der Industrie etwa hat sich die E-Rechnung längst durchgesetzt. Dort ist der elektronische Austausch von Rechnungen über EDIFACT seit langem automatisiert und wird medienbruchfrei abgewickelt. Die bei den Großanwendern eingesetzten EDIFACT-Lösungen taugen allerdings nicht für die heterogene und wenig strukturierte Faktura-Welt der KMUs.
E-Rechnungs-Standard in Aussicht
Hinderlich für den breiten Einsatz digitaler Rechnungen im Mittelstand war vor allem die Pflicht zur digitalen Signatur. Sie hat das Vorhaben kompliziert und teuer machte, weil die digitale Unterschrift kaum ohne Hilfe durch externe Dienstleister einzuführen ist. Ein weiteres Hindernis: Es fehlte ein allgemeines Format für die E-Rechnung, das den gesetzlichen Vorschriften gerecht wird.
Das Steuervereinfachungsgesetz von 2011 hat die Pflicht zur qualifizierten Signatur beim elektronischen Rechnungsversand abgeschafft. Damit war quasi die Formatfreiheit bei der Übertragung möglich - was aber nur dem Sender Erleichterung brachte, weil die Rechnung quasi formatfrei als Word-, Excel oder PDF-Datei verschickt werden kann. Beim Empfänger einer solchen elektronischen, aber nicht standardisierten Rechnung fallen die gleichen manuellen Erfassungstätigkeiten wie bei der Papierkorrespondenz an.
Dort müssen immer noch durch innerbetriebliche Kontrollverfahren Authentizität, Integrität und Lesbarkeit der Rechnungen sichergestellt und ein verlässlicher Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung nachgewiesen werden. So muss zum Beispiel die elektronische Rechnungsabwicklung Schnittstellen zu ERP- und Buchhaltungsprogrammen anbieten und die rechtskonforme Archivierung der Rechnungsdaten sicherstellen.
FeRD forciert den digitalisierten Rechnungsaustausch
Das leidige Problem der nur schleppenden Akzeptanz beim elektronischen Rechnungsaustausch geht das im Frühjahr 2010 gegründete "Forum elektronische Rechnung Deutschland", kurz FeRD, gezielt an. Mit der breiten Unterstützung von über 20 Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft wie dem Bitkom, allen relevanten Bundesministerien sowie wichtigen ERP-Playern will das Forum das schaffen, was in der Vergangenheit nur bruchstückhaft in Wirtschaft und Verwaltung gelungen ist: einen möglichst breiten Konsens für eine Standardlösung herstellen.
Die zwei Pfeiler von ZUGFeRD
Die Grundidee des FeRD-Standards ist es, ein hybrides Dokumentenformat zu spezifizieren, das sich einerseits so verarbeiten lässt wie Papier und andererseits die notwendigen Rechnungsdaten digital mit sich führt. Diese mitgeführten Daten sind maschinenlesbar und können vollautomatisch importiert, geprüft und verarbeitet werden. Ein einheitliches Verfahren und das Datenmodell "Zentrale User Guidelines für elektronische Rechnungen in Deutschland" (ZUGfeRD) setzt diese Idee um.
Den ersten Pfeiler der ZUGfeRD-Spezifikation bildet das PDF/A-3-Format, das auf Langzeitarchivierung ausgelegt ist. Er stellt den "menschenlesbaren" Teil der Rechnung dar und kann so behandelt werden wie jedes andere handelsübliche PDF.
Der zweite Pfeiler ist der maschinenverarbeitbare XML-Teil. Der XML-Code ist ins PDF eingebettet, die Rechnung wird ganz normal als PDF-Dokument zusammen mit dem Code verschickt. Für den XML-Teil der Rechnung erfindet der ZUGFeRD Standard das Rad nicht neu, sondern setzt auf dem existierenden und umfassenden Standard "Core Cross Industry Invoice" (CII) von UN/CEFACT auf.
Optisch ist die E-Rechnung also nicht von einer gewöhnlichen PDF-Rechnung zu unterscheiden. Die XML-Komponenten im ZUGFeRD-Rechnungsformat erlauben es aber zusätzlich, die Rechnungsdaten in strukturierter Weise zu übermitteln und diese ohne weitere Schritte automatisch auszulesen und zu verarbeiten.
Finale Release im Sommer 2014
Auf der CeBIT 2013 wurde das neue Rechnungsformat erstmals vorgestellt, und zwar von den zwei Bundesministerien BMI (Bundesministerium des Innern) und BMWi (Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) sowie vom Branchenverband Bitkom. Im Sommer 2013 stellte das Forum eine Vorabversion des Formats - einen sogenannten Release Candidate - kostenlos zur Verfügung. ZUGFeRD konnte damit bereits in Finanz- und Buchhaltungssoftware integriert werden und viele Software-Hersteller bieten seit mehreren Monaten schon Lösungen auf Basis der vorläufigen Version an. Zudem laufen Pilotprojekte im öffentlichen Sektor bei verschiedenen Behörden.
Mit dem heutigen Release Candidate lässt sich lediglich eine Zahlung generieren und die Rechnung verbuchen, darüber hinaus gibt es bis dato keine weiteren Funktionen.
Die finale Version 1.0 soll im Sommer 2014 erscheinen und die vorläufigen ZUGFeRD-Ausführung um mehrere Funktionen erweitern. So soll das endgültige Release es beispielsweise erlauben, einen automatisierten Rechnungsabgleich auszuführen. Zudem sollen branchenspezifische Anforderungen integriert werden. Die finale Spezifikation und das Datenmodell sind ab Sommer über die FeRD-Homepage abrufbar und können von jedem kostenlos genutzt werden.
Wie Betriebe von ZUGFeRD profitieren
Setzt sich das ZUGFeRD-Datenmodell durch - und davon ist auszugehen - wird der Rechnungsaustausch grundsätzlich kostengünstiger und einfacher. Die beim postalischen Versand anfallenden Papier-, Druck- und Versandkosten entfallen.
Darüber hinaus werden Aufwände im Rechnungseingangs-Workflow drastisch gesenkt, da Arbeitsschritte, wie beispielsweise Scannen und OCR, Identifikation der Rechnungsfelder sowie Zuordnung zu einer Buchung, komplett entfallen. In den "Handlungsempfehlungen zur Umsetzung des elektronischen Rechnungsaustauschs mit der öffentlichen Verwaltung" rechnet das BMI etwa vor, dass für die Bearbeitung von Papierrechnungen durchschnittlich 27 Minuten anfallen. Der elektronische Austausch von PDF-Dateien, die mit "Kopfdaten" (etwa Rechnungssteller, -nummer, -datum und Konto) für die teilautomatische Bearbeitung angereichert sind, reduziert den Aufwand auf rund fünf Minuten.
ZUGFeRD erleichtert zudem die Einhaltung unternehmensbezogener Richtlinien und rechtlicher Anforderungen. Die PDF/A-Datei ist langzeitarchivierbar, denn der ISO-Standard definiert, welche Inhalte erlaubt sind und welche nicht, damit die langfristige Lesbarkeit garantiert ist. Dies ist unabhängig davon, mit welcher Anwendungssoftware und auf welchem Betriebssystem die Dokumente erstellt wurden. Damit entfällt die Papierablage und mit ihr Regale voller Aktenordner.
Auch Medienbrüche beim Übertragen von Dokumenten fallen weg. Dies vereinfacht die Weitergabe. Während Papierrechnungen oft über die Poststelle zur Buchhaltung transportiert werden mussten, kann die elektronische Rechnung direkt an den zuständigen Empfänger digital geschickt werden. Damit beschleunigt sich die Zustellung und die Prozesslaufzeiten werden reduziert.
Summa summarum lässt sich sagen: "Das Format ist ein ganz entscheidender Schritt zur Senkung der Kosten bei der Rechnungsverarbeitung", erklärt Stefan Engel-Flechsig, Leiter des Forum elektronische Rechnung Deutschland. Die Erleichterungen beim elektronischen Rechnungsaustausch ermöglichen es "auch kleinen und mittleren Unternehmen vom elektronischen Rechnungsaustausch zu profitieren."
So lässt sich ZUGFeRD nutzen
Anwendbare Implementierungen stellt das Forum nicht bereit, die Umsetzung des Standards obliegt den Softwareherstellern.
Mittelständische Unternehmen mit Interesse an ZUGFeRD sollten sich daher an einen Hersteller wenden, der PDF/A-Lösungen zum Erstellen von ZUGFeRD-kompatiblen Rechnungen anbietet. Das "PDF SDK" von Luratech ist beispielsweise ein Tool-Kit für Anwendungsentwickler von ERP-Systemen, das Entwicklern die Möglichkeit gibt, den elektronischen Rechnungsaustausch auf Basis des ZUGFeRD-Datenformates in eigene Anwendungen zu integrieren.
Die Zukunft dürfte aber so aussehen, dass die Anbieter von Finanzbuchhaltungs- und ERP-Software die ZUGFeRD-Spezifikation in ihre Systeme implementieren. Das Medienecho und die starke Unterstützung durch die Politik haben die wichtigsten Software-Anbieter inzwischen veranlasst, entsprechende ZUGFeRD Import- und Exportschnittstellen in ihre Programme zu integrieren. Eine Liste von Unterstützern und Anbietern findet sich auf der FeRD-Website.
Software-Anbieter startbereit
Dazu nur ein paar Beispiele: Das ERP-Paket von Sage kann das ZUGFeRD-Format auf Basis des Release Candidate bereits verarbeiten. Mit "connect.ZUGFeRD" der Callas Software können Anwender des ERP-Systems Microsoft Dynamics NAV Rechnungen nach dem ZUGFeRD-Datenmodell austauschen. Ähnliches bietet Gisa aus Halle an. Der IT-Spezialist entwickelt derzeit eine Anwendung für den Rechnungseingang und -ausgang in ERP-Systemen wie Microsoft Dynamics oder SAP.
In mehreren Varianten präsentiert DMS-Anbieter Docuware ZUGFeRD-Lösungen: Ab Mai 2014 will Docuware einen kostenlosen Online-Service anbieten, mit dem sich Rechnungen aus jeder Windows-Software wie Faktura-Programmen oder Word und Excel ZUGFeRD-konform erstellen lassen. Neben dem Online-Service soll der Dienst als DMS in der Cloud und als Komplettsystem für den Inhouse-Einsatz bereit stehen.
Fazit: Der Boden für die E-Rechnung ist bereitet
Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die wichtigsten Anbieter betriebswirtschaftlicher Software das ZUGFeRD-Format in den nächsten Monaten in ihre Programme implementiert haben. Der Einführungsaufwand bei den Anwenderunternehmen bestünde dann nur mehr auf der organisatorischen Seite. In jedem Fall gilt: Wer in der Lage ist, das neue Format zu versenden und empfangen, dürfte gegenüber Wettbewerbern, die Rechnungen noch in Papierform versenden, im Vorteil sein - auch auf internationaler Ebene. (jha)