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Die einen erwarten vom Konzept Cloud Computing eine Revolution, die anderen sehen darin schlicht eine Weiterentwicklung altbekannter IT-Betriebsmodelle und -Architekturen. Frank Sempert vom Marktforschungs- und Beratungshaus Saugatuck Technology beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Cloud Computing?
Cloud Computing umfasst On-Demand-Infrastruktur (Rechner, Speicher, Netze) und On-Demand-Software (Betriebssysteme, Anwendungen, Middleware, Management- und Entwicklungs-Tools), die jeweils dynamisch an die Erfordernisse von Geschäftsprozessen angepasst werden. Dazu gehört auch die Fähigkeit, komplette Geschäftsprozesse zu betreiben und zu managen.
Auf welchen grundlegenden Techniken basiert Cloud Computing?
Unabhängig davon, dass prominente Anbieter, wie Amazon, Google, IBM, Microsoft und Salesforce.com, ihre On-Demand-Infrastruktur bereits als "Cloud Computing" bezeichnen, werden einschlägige Angebote etwa ab dem Jahr 2011 folgende Komponenten beinhalten:
Eine On-Demand-Infrastruktur;
SaaS (Software as a Service);
Web 2.0-Funktionen;
Cloud-basierende Softwareentwicklung;
Cloud-basierende Services Hubs, die beispielsweise Billing, Administration und andere ergänzende Dienste zur Verfügung stellen.
Inhalte und Arten von Cloud-Services
Woraus besteht ein typischer Cloud-Service?
Zu einem Cloud-Service gehören Elemente auf verschiedenen Ebenen.
Tragende Geschäftsanwendungen
Diese umfassen Applikationen wie ERP, SCM, CRM, HR, GRC (Government, Risk, Compliance), Einkauf und Sourcing, Finanzen und Buchhaltung sowie industriespezifische Anwendungen.
Tragende IT-Infrastruktur
Diese Kategorie beinhaltet wichtige IT-Bestandteile wie Speicher- und Rechnerkapazität, Data Warehousing Backup und Disaster Recovery. Hinzu kommen Funktionen wie Performance-Management, Problem-Management und Kapazitätsplanung.
Social Computing für Unternehmen
Diese Funktionen wurde erst kürzlich hinzugefügt, da Social Computing stark wächst und eindeutig auch in Cloud-Systemen genutzt wird. Dazu gehören Web Conferencing, Wikis, Blogs, "Facebooks" und Content Tagging sowie bereits etablierte kollaborative Geschäfts-Kommunikation wie Projektmanagement, Office Suites, White Boards, Kalender-Management und -Verwaltung.
Welche Arten von Cloud-Services gibt es?
Cloud- oder Utility Computing beinhaltet Rechenleistung, Datenhaltung oder Applikationen eines lokalen Rechenzentrums, die über ein Grid einer Vielzahl von Nutzern auf Subskriptions-Basis zur Verfügung steht. Diese Art von Cloud wird als "public" bezeichnet. Jedermann, ob privat oder als Institution, kann sie nutzen. Solche Services offerieren beispielsweise Amazon, Google oder Salesforce.com.
Cloud Computing als Unternehmens-Infrastruktur befindet sich noch in einem frühen Stadium, wächst aber kontinuierlich. Das gilt vor allem für den Markt der kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Insbesondere Startups könnten so mit neuester Hardware-, Software- und Netzausrüstung bei sehr geringen internen IT-Ressourcen auf den Markt gehen.
Welchen Nutzen bringt Cloud Computing Unternehmen?
Cloud Computing bietet die Verfügbarkeit leistungsstarker IT-Kapazitäten zu geringeren Kosten pro Benutzer oder Applikation, als dies mit traditionellen Ansätzen möglich wäre. Damit lassen sich Risiken für Unternehmen hinsichtlich Kapitalbedarf, Implementierung, Betrieb und Wartung verringern. Das gilt auch für Risiken, die mit der Abhängigkeit von bestimmten Anbietern oder Technologien zusammenhängen. Hinzu kommt, dass die Gemeinkosten von Unternehmen sinken, wenn IT-Leistungen nur nach dem tatsächlichen Verbrauch abgerechnet werden.
Bei einer Nutzenbetrachtung sind folgende charakteristische Merkmale von Cloud-Services zu berücksichtigen:
Sie sind prinzipiell ortsunabhängig. Ausnahmen bilden gesetzliche Regeln, die anderes vorschreiben, wie beispielsweise in der EU oder in Kanada.
Sie sind über das Web via Browser und Web-Services APIs zugänglich.
Das Cloud-Modell sieht Support für verteilte Gruppen und Organisationen vor. Dazu gehören insbesondere mobile Mitarbeiter, reisende Wissensträger (Consultants etc.) und Manager, aber auch Mitarbeiter im Home Office und lose verbundene Unternehmen.
Cloud-Services liefern eine skalierbare Ressource. Die Cloud- oder On-Demand-Infrastruktur wird auch als "elastisch" und "massiv" oder "unendlich" skalierbar beschrieben.
Anbieter berechnen Cloud-Dienste über Abonnement-Modelle nach Nutzungseinheiten, Größe des Unternehmens oder andere Metriken.
Cloud-Services bieten erhebliche Vorteile hinsichtlich der gesamten IT-Betriebskosten (TCO, Total Cost of Ownership). Für Unternehme entfällt der Kapitaleinsatz weitgehend, zudem sind keine technischen oder personellen Ressourcen erforderlich. IT-Lösungen werden vom Cloud-Anbieter in der Regel professionell gemanaged.
Das Cloud-Modell vereinfacht eine Reihe von IT-Aufgaben: Implementierung, Upgrades, Downgrades, neue Releases, Patch-Management, wichtige Updates, laufende Erweiterungen und Fehlerbeseitigung.
Cloud Computing verkürzt das Einführen von neuen IT-Systemen drastisch, da diese in der Regel bereits auf der Cloud Plattform des Dienstleisters installiert sind. IT-Verantwortliche müssen sich lediglich um die Beschaffung, Konfiguration und Zugriffsmodalitäten kümmern.
Welches sind die wichtigsten Anbieter von Cloud-Services?
Zu den relevanten Unternehmen gehören neben den Branchenriesen IBM und Microsoft unter anderem folgende börsennotierte US-Unternehmen, die On-Demand oder SaaS-Dienstleistungen anbieten.
Amazon.com: Simple Storage Service (S3)
Athenahealth Inc.: Medical Billing
Blackboard Inc.: Online Education
Concur Tech Inc.: Expense Reporting
Constant Contact: Marketing
EMC: Storage on Demand
Google: Google Apps
Ingram Micro: Seismic Managed Services
Intuit: Financial Software
Kenexa: HR Recruiting
NetSuite: Accounting und CRM
Omniture: Analytics Software
Rightnow: CRM
Salary.com: Compensation Software
Salesforce.com: CRM
SuccessFactors: HR Management
Taleo: HR Recruiting
Vocus: PR und Government Relations
Websense: IT Security
Weitere Anbieter in alphabetischer Reinfolge sind:
Athena Health, Apttus, Ariba, Axentis, Birch Street Systems, Cadence, Cis-co/Webex, Constant, Contact, Coupa, Dealer Track, DemandTec, Dream Fac-tory, EthicsPoint, Facebook, Intacct, Ketera, LivePerson, LoopNet, Lucidera, MySpace, Plexus Online, Prolifiq Software, Riskonnect, Salesforce.com, Synchonoss, Ultimate, Workday, Workstream, Xactly, Yahoo, Zoho.
SaaS, On Demand & Outsorcing
Wie unterscheidet sich Cloud Computing von SaaS?
Während SaaS im Zeitrahmen von 2008 bis 2013 Workflow-basierende, unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse sowie die Optimierung der IT-Ökosysteme in den Mittelpunkt stellt, ist Cloud Computing eine Weiterentwicklung dieses Ansatzes.
Cloud Computing, auch als Post-SaaS bezeichnet, wird etwa ab dem Jahr 2011 bis 2016 messbare, überwachbare und steuerbare End-to-End-Ge-schäftsprozesse, intelligente Hubs und Linking Plattformen als online nutzbare Angebote über dynamisch skalierbare Infrastrukturen zur Verfügung stellen.
Wie unterscheidet sich Cloud Computing vom Konzept Computing on Demand?
On-Demand-Computing ein Bestandteil von SaaS. Erste SaaS-Angebote in den Jahren 2002 und 2003 waren im Grunde On-Demand-Dienste, wobei der Schwerpunkt auf Kostensenkung und schneller Implementierung von nicht geschäftskritischen Anwendungen lag. Cloud Computing dagegen lässt sich als umfassendes Ökosystem beschreiben, mit dem Unternehmen ihre IT-Operationen dauerhaft flexibler und agiler gestalten können.
Wie unterscheidet sich Cloud Computing von klassischen Outsourcing-Diensten?
Cloud-Computing stellt integrierte, skalierbare und anpassbare Applikationen für Geschäftsprozesse zur Verfügung. Im Vordergrund steht eine höhere Flexibilität bei geringeren Kosten und Risiken. Outsourcing verlagert lediglich den Betrieb von Teilen des IT-Ökosystems zu einem Outsourcing-Anbieter, beispielsweise die Personalabrechung oder Desktop-Services. Outsourcing ist demnach nicht unternehmensstrategisch, sondern Teil von Kostensenkungsprogrammen, die sich häufig nicht als nachhaltig erwiesen haben.
Wie sicher sind Cloud-Services hinsichtlich Datenschutz und Verfügbarkeit?
Geht es um Datenhaltung und lokale Datenschutzbestimmungen, können Cloud-Services durchaus Probleme bergen. Die meisten lassen sich aber mit Hilfe lokaler Dienste vermeiden. Datenschutz und Verfügbarkeit der Services entwickeln sich für die Anbieter zu wichtigen Kriterien ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Entsprechende Vorkehrungen dürften deshalb sogar weiter gehen als diejenigen von internen IT-Abteilungen. Cloud Security bietet Vorteile gegenüber Verteidigungs-Strategien über eine Firewall, die zudem extrem teuer sind. Keine Firewall ist undurchdringbar, und Hacker erfinden immer neue Methoden gegen moderne Abwehrsysteme. Cloud-Anbieter können mehr in Security investieren als einzelne IT-Organisationen, da sie die Kosten über eine Vielzahl von Nutzern verteilen.
Die wahrscheinlich größte Herausforderung für das Management besteht im Verhandeln und Steuern von Service-Level-Agreements (SLAs) mit Cloud Anbietern. Wenn mehrere Cloud-Provider eingebunden sind, brauchen Unternehmen zudem hochentwickelte Fähigkeiten, um die verschiedenen Technologien und Schnittstellen zu managen. Es ist zu erwarten, dass die Umschichtung signifikanter Workloads in die Cloud das IT-Management noch komplexer machen wird. (wh)