Lieferketten unter enormem Druck

Zahlungsziele – Ende der Fahnenstange erreicht

10.07.2009
Viele Lieferanten können die Zahlungsziele nicht weiter verlängern, so eine Demica-Studie.

Nach der jüngsten Studie von Demica, einem in London ansässigen Anbieter von Betriebskapitallösungen, sind viele Lieferanten nicht mehr in der Lage, die Zahlungsziele noch weiter zu verlängern. Die neue Studie, die auf einer in Deutschland und Großbritannien durchgeführten Umfrage unter mehr als 1.000 Firmen mit mindestens 50 Mitarbeitern basiert, zeigt, dass viele der Einkäuferfirmen am Ende der Lieferkette von ihren Lieferanten längere Zahlungsziele verlangen, was diesen jedoch infolge des aktuellen Drucks auf den Cashflow und des knappen Angebots an traditionellen Krediten unmöglich ist.

Für die Umfrage wurden Firmen in Deutschland und Großbritannien befragt, da diese beiden Länder die beiden äußeren Enden des Firmenspektrums in Europa repräsentieren: Großbritannien hat eine in hohem Maße vom Dienstleistungssektor abhängige Volkswirtschaft, während Deutschland weiterhin vor allem auf die Industrieproduktion ausgerichtet ist. Die Ergebnisse der Studie lassen Besorgnis hinsichtlich der Lieferketten aufkommen, da wichtige Lieferanten schwer zu ersetzen sind.

Sollte die Lieferkette durch den Ausfall eines Lieferanten unterbrochen werden, so würde dies nicht nur das Geschäft des einkaufenden Unternehmens gefährden, sondern die wirtschaftlichen Auswirkungen würden weiter reichen als bei einer Einzelbeziehung zwischen einem Einkäufer und seinem Lieferanten. Wie Demicas jüngster Forschungsbericht über Supply Chain Finance gezeigt hat, haben 55 Prozent der deutschen Unternehmen und 88 Prozent der britischen Firmen festgestellt, dass wichtige Lieferanten ihnen keine längeren Zahlungsfristen mehr gewähren können.

Zur Lösung dieses Problems arbeiten Banken an der Entwicklung alternativer Finanzierungsprodukte, die unter die Kategorie Supply Chain Finance (SCF) gefasst werden. Diese Produkte werden in der Regel durch die in der Lieferkette ausstehenden Rechnungsforderungen besichert. Diese Kategorie findet bei Banken und ihren Firmenkunden großen Anklang, weil sie das fehlende Kreditangebot ersetzt. SCF-Strukturen ermöglichen großen Unternehmen allerdings nicht nur längere Zahlungsziele bei ihren Lieferanten: Je nach der Kreditqualität ihrer Debitoren ermöglichen sie ihrer Partnerbank darüber hinaus auch, die offenen Rechnungen ihrer Lieferanten zu günstigen Zinssätzen zu finanzieren.

Firmen wollen Liquidität schaffen

Durch die neue Demica-Studie lässt sich der Nachfrageanstieg nach diesen Modellen quantifizieren: Es zeigte sich, dass etwa 43 Prozent der deutschen und 61 Prozent der britischen Firmen planen, ihre ausstehenden Forderungen zu Geld zu machen, um innerhalb ihrer Lieferkette Liquidität zu schaffen. Dieser Forschungsbericht ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung der zweiten Studie über den SCF-Markt, die Demica 2008 veröffentlichte. Darin wurde festgestellt, dass die überwältigende Mehrheit der großen internationalen Banken ihren Firmenkunden Lösungen für das Supply Chain Financing anboten.

Die jüngsten Zahlen bestätigen, dass diesem Angebot ein steigender Bedarf auf Unternehmensseite gegenübersteht. 55 Prozent der Firmen in Deutschland und 83 Prozent derjenigen in Großbritannien gaben an, ihre Bankbeziehungen mit ihren Firmenkunden sich in den letzten 18 Monaten unwiderruflich verändert hätten und jetzt neu strukturiert seien.

Phillip Kerle, Chief Executive Officer bei Demica, meint dazu: "Das knappe Angebot an traditionellen Krediten hat sich dieses Jahr zu einem echten Problem im Lieferkettenmanagement entwickelt. Vor allem, weil viele der in den vergangenen Jahren entwickelten Lieferkettenstrukturen darauf basierten, dass reichlich kostengünstige Liquidität zur Verfügung stand. Die Situation wird jetzt kritisch, ganz besonders in Firmenstrukturen, wo Lieferanten sich nicht ohne Weiteres austauschen lassen, weil sie Spezialprodukte oder Spezialbauteile herstellen. In Deutschland ist die Zahlungszielverlängerung problematisch, in Großbritannien scheint das Problem bereits erdrückend."

Deutschland, so Kerle weiter, sei vielleicht etwas liquider als Großbritannien, weil das Banksystem dort Erfahrung darin habe, die Bonität nicht börsennotierter mittelständischer Familienunternehmen, die für viele Lieferketten eine wichtige Rolle spielen, einzuschätzen und Kredite an diese zu vergeben. In Großbritannien bestehe ein wesentlich größerer Gegensatz zwischen sehr großen und sehr kleinen Unternehmen. In einer Rezession litten die kleinen Firmen häufig darunter, dass das Kreditangebot pauschal reduziert wird, weil die Darlehensbeträge - aus der Sicht der Bank - nicht die Kosten einer detaillierten Bonitätseinschätzung rechtfertigen.

"Man sollte jedoch nicht darüber hinwegsehen", so Kerle, "dass in beiden Ländern über die Hälfte der Unternehmen meinte, die Zahlungsziele könnten nicht weiter verlängert werden. Dieses Problem hat definitiv sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien einen kritischen Punkt erreicht. Die großen Firmen am Ende der Lieferkette stehen weiterhin unter starkem Druck, Barmittel freizusetzen. Wenn das jedoch dazu führt, dass unverzichtbare Lieferanten ihr Geschäft aufgeben müssen, kann es sein, dass die ganze Lieferkette wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Außerdem sind viele Lieferketten wechselseitig voneinander abhängig, wie wir es etwa bei einer Einzelhandelskette gesehen haben, für die kürzlich die Konkursverwaltung angeordnet wurde: Dieses Unternehmen war gleichzeitig auch der Hauptgroßhändler für den Musik- und Film-Einzelhandel. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Banken nicht untätig waren. Sie haben eine Palette von Instrumenten für Supply Chain Finance entwickelt, die größtenteils durch die Forderungen besichert sind, die gegen die am Ende der Lieferkette angesiedelten großen Firmen mit guter Bonität bestehen. Wir können damit rechnen, dass sich diese Produkte im weiteren Verlauf des Jahres einer rapide steigenden Nachfrage erfreuen werden."

Zusammenfassung der wichtigsten Studienergebnisse:

- 48 Prozent der deutschen Unternehmen und 63 Prozent der britischen Firmen wollen, dass ihre Lieferanten ihnen längere Zahlungsziele einräumen.

- Ohne Unterstützung durch alternative Finanzierungsmöglichkeiten ist das jedoch unter Umständen nicht möglich. 55 Prozent der deutschen Unternehmen und 88 Prozent der britischen Firmen sind sich auch darüber im Klaren, dass einige ihrer Hauptlieferanten nicht in der Lage sein werden, ihnen längere Zahlungsziele zu gewähren.

-Damit droht die Gefahr des Ausfalls wichtiger Lieferanten, der wiederum verheerende Auswirkungen auf den Rest der Lieferkette hätte. Dies gilt ganz besonders für Deutschland, dessen Volkswirtschaft stärker von der Produktion abhängig ist als die britische.

- Deshalb zeigen sich Unternehmen und Banken sehr interessiert am Einsatz von SCF-Techniken, um diese Spannungen in der Lieferkette zu neutralisieren, so dass die Großunternehmen ihre Barmittel erhalten und die von ihren Hauptlieferanten eingeräumten Zahlungsziele behalten oder verlängert bekommen können.

- 43 Prozent der deutschen Unternehmen und 61 Prozent der britischen Firmen planen, ihre Forderungen oder Verbindlichkeiten zu Geld zu machen, um ihrer eigenen Liquiditätsknappheit bzw. derjenigen ihrer Lieferanten maximal entgegenzuwirken.

- Wenn der konjunkturelle Aufschwung in Großbritannien und Deutschland wieder einsetzt, dürfte SCF ausgereift sein und sich zu einer normalen Finanzierungstechnik entwickelt haben. 55 Prozent der deutschen Firmen und 83 Prozent der britischen glauben, dass die Bankbeziehungen zu ihren Firmenkunden in den vergangenen 18 Monaten unwiderrufliche Veränderungen und Neustrukturierungen erfahren haben. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Lia Hennig, E-Mail: lia@lindsellmarketing, Internet: www.demica.com