Für das laufende Jahr prognostizieren Experten dem Online-Handel Gesamteinnahmen von 62,5 Milliarden Euro, für 2017 werden 73 Milliarden veranschlagt. Im Jahr 2015 haben bereits 52 Prozent der Deutschen Einkäufe im Internet getätigt. Tendenz steigend. Doch je größer der Kundenstamm, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich der eine oder andere säumige Zahler darunter befindet. In dieser Hinsicht zeigt der Trend leider nach unten: Eine aktuelle Befragungder Mitglieder des BDIU (Bundesverband deutscher Inkassounternehmen) kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Zahlungsmoral von E-Commerce-Kunden verschlechtert: Während 2015 noch 37 Prozent der befragten Mitgliedsunternehmen berichteten, dass der Online-Handel unter dem unzuverlässigen Zahlungsverhalten seiner Kunden leidet, waren es 2016 bereits 44 Prozent.
Die Folge: Statt sich ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren zu können, müssen Händler zeitliche, finanzielle und personelle Ressourcen in die Beitreibung ihrer Forderungen investieren. Das Outsourcing an einen externen Dienstleister ist eine mögliche Alternative, birgt allerdings auch gewisse Reputationsrisiken, sollte der falsche Partner gewählt werden. Besser ist es, das Risiko von Zahlungsverzögerungen aktiv zu reduzieren und schon Maßnahmen zu ergreifen, bevor der Worst-Case eintritt.
Selbst ist der Händler
Die gute Nachricht: Die häufigsten Gründe für Zahlungsverzug im E-Commerce sind Vergesslichkeit, Urlaub und Krankheit. Oft haben Kunden auch einfach nur den Überblick über ihre Einkäufe verloren. Betrügerische Absichten sind die Ausnahme und das Gros der Käufer möchte ausstehende Summen schnellstmöglich begleichen. Dieser Umstand eröffnet Händlern die Möglichkeit, an einigen Stellschrauben zu drehen und Prozesse dahingehend zu verändern, dass auch Kunden, die etwas vergesslich oder unorganisiert sind, ihre Einkäufe pünktlich bezahlen.
1. Bieten Sie alle gängigen Zahlungsmethoden an
Der Zahlungsvorgang ist ein sensibles Thema. Online-Händler sollte hier alle Stolpersteine beseitigen und die Präferenzen ihrer Kunden berücksichtigen. Denn unvertraute Verfahren können zu Zahlungsverzug führen. Vor allem jüngere Verbraucher, die an unkompliziertes, direktes Bezahlen mit PayPal und Kreditkarte gewöhnt sind, neigen dazu, Rechnungen hin und wieder einfach zu vergessen.
Doch auch wenn moderne Zahlungsarten immer beliebter werden, Händler dürfen die Bedeutung von klassischen Methoden - wie Rechnung, Lastschrift und Nachname - nicht unterschätzen. Denn ältere Verbraucher sind eine immer wichtigere Zielgruppe im E-Commerce: 2015 haben fast 50 Prozent der über 65-Jährigen im Internet eingekauft. Die ältere Kundschaft hat sich zwar das Internet erschlossen, steht Bezahlmethoden wie PayPal und Co. in puncto Datenschutz und Sicherheit aber oft noch skeptisch gegenüber. Um allen Zielgruppen gerecht zu werden, sollten Händler deshalb verschiedene Zahlungsarten anbieten.
2. Erinnern Sie frühzeitig
2014 kam es bei 8,5 Prozent aller Käufe auf Rechnung zu Zahlungsstörungen. Häufig liegt das schlicht an der Vergesslichkeit der Kunden. Deshalb lohnt es sich, den Käufer schon vor Ablauf der Zahlungsfrist freundlich an die bevorstehende Fälligkeit zu erinnern. Dafür braucht es kein offizielles Schreiben, eine kurze SMS oder E-Mail kann - vor allem bei jüngeren Kunden - völlig ausreichend sein.
3. Belohnen Sie bezahlte Rechnungen
Rechnungen zahlen macht eigentlich niemandem Spaß, kann aber zu einer positiven Erfahrung für den Kunden werden. Die Neurowissenschaften haben herausgefunden, dass im Gehirn des Menschen ein regelrechtes Belohnungszentrum existiert, das Einfluss auf unbewusste Kauf- und Handlungsentscheidungen nimmt. Sobald man sich etwas gönnt oder ein Erfolgserlebnis hat, schüttet dieser Teil des Gehirns Dopamin aus und ruft positive Emotionen hervor. Das Entscheidende: Dieser Effekt tritt auch dann auf, wenn eine Belohnung nur erwartet wird. Und eine starke Aktivität im Belohnungssystem des Gehirns wirkt sich positiv auf die Handlungsintention der Kunden aus.
Von diesem unbewussten Vorgang können Online-Händler profitieren, indem sie mit Hilfe von Rabattgutscheinen oder Loyalitätsprogrammen die Zahlung von Rechnungen zu einer belohnenden Erfahrung machen.
Und wenn das Geld trotzdem ausbleibt?
Sollte es trotz dieser Maßnahmen zu einer Zahlungsstörung kommen, hat der Käufer meist mit einem finanziellen Engpass zu kämpfen. In diesem Fall sollten Unternehmen immer im Hinterkopf behalten, dass auch säumige Zahler wertvolle Kunden sind. Denn bei Forderungen im E-Commerce handelt es sich oft um Kleinbeträge in Höhe von rund 100 Euro. Demgegenüber stehen durchschnittlich 1.211 Euro Umsatz pro Online-Shopper. Es ist also im Interesse eines Händlers, auch säumige Zahler im Kundenstamm zu halten, da ihm sonst erhebliche potenzielle Umsätze verloren gehen.
Ein professionelles, service-orientiertes Forderungsmanagement verhindert, dass Kundenbeziehungen geschädigt und eigentlich loyale Käufer in die Arme der Konkurrenz getrieben werden. In Zusammenarbeit mit den betroffenen Kunden wird eine einvernehmliche Lösung erarbeitet. Die Basis dafür bilden individuelle, an die jeweilige finanzielle Situation des Kunden angepasste Angebote zur Ratenzahlung. Während es auf dem deutschen Markt oft noch üblich ist, bei Forderungen von 100 oder 200 Euro Ratenzahlungen in Höhe von 50 Euro anzubieten, haben Gläubiger in Zentraleuropa gute Erfahrungen damit gemacht, die Beträge gegebenenfalls deutlich niedriger anzusetzen.
Entscheidend ist auch die Haltung gegenüber den säumigen Zahlern. Trotz Schulden sind und bleiben sie Unternehmenskunden, die mit dem entsprechenden Respekt behandelt werden sollten. Eine kurze Dankes-Nachricht nach einer gezahlten Rate zum Beispiel signalisiert dem Käufer, dass er trotz Verzug weiterhin als Kunde geschätzt wird.
Fazit
Generell gilt: Die Summe vieler kleiner Maßnahmen kann entscheidend zum Geschäftserfolg beitragen. In einem sich immer weiter verschärfendem Wettbewerbsumfeld werden die Händler langfristig am Markt bestehen, die sich durch besondere Kunden- und Serviceorientierung auszeichnen - sowohl bevor als auch nachdem der "Kauf-Button" geklickt wurde.