Seit Apple das iPad Pro offensiv als „Computer der vielleicht keiner ist“ bewirbt und es als Notebook-Ersatz präsentiert, muss sich das iOS-Betriebssystem ebenfalls mit Desktop-Systemen messen. Dass es hier eher mau abschneidet, liegt nach wie vor an den starken Restriktionen: Es gibt keinen Zugriff auf das Dateisystem, einen Finder suchen User ebenso vergebens wie die Möglichkeit, Daten zentral und ohne Cloud unabhängig von der App abzulegen.
Auch die Automatisierung verschiedener Tasks ist nicht vorgesehen. Dabei könnte gerade eine solche Funktion das lästige Wechseln zwischen Apps deutlich erleichtern und dem professionellen Anspruch des iPads zugute kommen. Die gute Nachricht ist: Es gibt eine App für das iPad, die genau das kann – nur eben nicht von Apple entwickelt. Aber da Apple den Hersteller übernommen hat, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Workflow im Lieferumfang von iOS auftaucht. So erleichtert die App schon heute den Alltag:
Aufgaben mit Workflow automatisieren
Die inzwischen kostenlose App Workflow für iOS ist jedoch erste Wahl, wenn es darum geht, schnell Aufgaben im Stil der Software Automator auf dem Mac am iPad (Pro) oder auch dem iPhone zu automatisieren. Der Gewinner des Apple Design Awards 2015 erlaubt die einfache Erstellung verschiedener Tasks, die mit einem Klick ausgelöst werden können. Praktischerweise kann die App diese auch direkt auf dem Home-Screen oder sogar als Widget in der 2,99 Euro teuren App Launch Center Pro ablegen.
Gleichzeitig werden sie über den neuen Eintrag „Run Workflow“ auch ins Teilen-Menü von iOS eingebunden. Dadurch sind sämtliche Workflows wie „kleine Apps“ jederzeit zur Hand – und in allen Apps verfügbar, die einen einstellbaren Teilen-Dialog besitzen. Und damit Sie sich nicht erst umständlich in das Programm hereinfuchsen müssen, sorgt eine aktive Community für einen steten Nachschub an mehr oder minder nützlichen Automatismen, die Sie ganz einfach in die App laden können.
Workflow richtig einrichten
Sie ahnen wahrscheinlich schon: Ein derart mächtiges Tool ist nicht durch die einfache Installation aus dem App Store einsatzbereit. Aber das stimmt nur halb: Natürlich stehen dank der mitgelieferten Automatiken und den Community-Workflows sofort einige Tasks zur Verfügung. Für deren effektive Nutzung müssen Sie jedoch noch zwei kleine Einrichtungsschritte vornehmen. Der wichtigste ist, die App zum „Teilen“-Menü von iOS hinzuzufügen, um die Workflows jederzeit zur Hand zu haben. Öffnen Sie dazu nach dem Download des Tools eine App mit „Teilen“-Funktion – etwa Safari. Tippen Sie hier auf den „Teilen“-Button, das kleine Viereck mit dem Pfeil. Dort finden Sie zwei Symbolzeilen: Eine für Apps und eine für System-Funktionen. In dieser müssen sie ganz nach rechts, bis der Menüpunkt „Mehr“ auftaucht. Tippen Sie diesen an und schalten Sie „Run Workflow“ ein. Das war es auch schon: Workflow ist jetzt aus jeder App mit Teilen-Knopf verfügbar.
Anschließend sollten Sie noch das Workflow-Widget in die Mitteilungszentrale legen: Wischen Sie dafür auf Ihrem iPad-Homescreen nach rechts, bis die Mitteilungszentrale angezeigt wird. Mit Klick auf „Bearbeiten“ können Sie das Widget „Workflow“ hinzufügen. Das erlaubt ebenfalls den Schnellzugriff auf die Workflow-App und ihre Skripte. Nun sind Sie bereit: Laden Sie sich den ersten Workflow herunter.
Workflows hinzufügen
Starten Sie zunächst die Workflow-App. Diese zeigt zunächst eine kleine Einführung an, die Sie sich ansehen und weiter klicken können. Am Ende dieser Einführung schlägt Workflow acht typische Aktionen vor, von denen Sie einige übernehmen können, indem Sie sie antippen und danach „Done“ wählen. Nun wird die eigentliche App-Oberfläche angezeigt, hier finden Sie oben zwei Tabs: „My Workflows“ und „Gallery“. „My Workflows“ zeigt die Workflows an, die bereits auf dem iPad installiert sind – nach einer Neuinstallation sind das die, die Sie bei der Einführung ausgewählt haben.
Unter „Gallery“ eine Auswahl von zusätzlichen Aktionen, die Sie jederzeit auf das iPad herunterladen können. Die Workflow-Galerie ist recht umfangreich und bietet eine Reihe praktischer Aktionen, etwa „Make PDF“, mit der Sie die unter iOS nach wie vor fehlende PDF-Druckfunktion in jeder App mit Teilen-Dialog nachrüsten können. Gleichzeitig sind die hier verfügbaren Workflows auch praktisch, um das Funktionsprinzip der App für eigene Workflows zu verstehen. Am besten laden Sie sich zunächst die praktischen Workflows „Make PDF“ und „Get Battery Level“ aus der Galerie herunter. Diese finden Sie über die Suchfunktion.
Laden Sie sie auf das iPad, indem Sie auf „Get Workflow“ tippen.
Workflow in einer App ausführen
Die Aktionen befinden sich jetzt in der lokalen Workflow-Übersicht „My Workflows“ und sind damit einsatzbereit. Als leichte Übung können Sie jetzt eine App mit Teilen-Funktion öffnen, etwa Safari. Öffnen Sie hier eine beliebige Website – etwa macwelt.de – und öffnen Sie dort einen Artikel. Tippen Sie jetzt auf den „Teilen“-Dialog.
Hier wählen Sie „Run Workflow“: Eine Übersicht der in Safari möglichen Aktionen wird angezeigt, darunter auch „Make PDF“. Tippen Sie diese an. Anschließend öffnet sich ein Workflow-Fenster mit einer Übersicht der im Workflow enthaltenen Schritte. Workflow arbeitet jetzt bereits und wandelt den Artikel in ein PDF um. Das kann eine Weile dauern. Anschließend zeigt der Workflow die PDF-Version des Artikels an, von wo aus Sie das PDF mit einem weiteren Teilen-Dialog etwa in die iCloud legen, per Mail versenden oder ausdrucken können. Hier zeigt sich dann auch gleich ein fehlender Automatismus des Workflows: Warum das PDF nicht gleich automatisch in der iCloud-Drive archivieren? Für diesen Schritt müssen Sie den Workflow anpassen.
Workflow an die eigenen Bedürfnisse anpassen
Jetzt geht es ans Eingemachte und die eigentliche Funktionsweise der Workflow-App. Öffnen Sie diese erneut und tippen Sie in der Workflow-Übersicht „Make PDF“ an. Hier können Sie nun die einzelnen Schritte des Workflows bearbeiten. Links finden Sie eine Auswahl der möglichen Aktionen, rechts den eigentliche Workflow-Ablauf, ähnlich wie bei Automator auf dem Mac.
„Make PDF“ hat zwei Schritte: Zuerst wird ein PDF erstellt, anschließend wird es in Quick Look für weiteres Teilen angezeigt. Sie wollen aber, dass das PDF direkt in der iCloud abgelegt wird. Deshalb löschen wir den Punkt „Quick Look“ mit dem X rechts daneben und wählen in der Liste der Aktionen die Option „Save File“ und ziehen diese in den Workflow. Die Aktion ist auf „iCloud Drive“ voreingestellt und fragt nach, wo gespeichert werden soll („Ask where to save“). Die PDF-Datei soll aber direkt in der iCloud landen: Schalten Sie daher „Ask where to save“ aus, woraufhin weitere Optionen erscheinen, die Sie jedoch zunächst so lassen können.
Das war es auch schon: Ein Klick auf „Done“ speichert den veränderten Workflow ab. Öffnen Sie jetzt erneut den Artikel in Safari und wählen Sie aus dem Teilen-Menü „Run Workflow -> Make PDF“: Nachdem das PDF berechnet wurde, schließt sich das Workflow-Fenster wieder. Die PDF-Datei liegt jetzt im iCloud-Drive-Ordner „Workflow“.
Detaileinstellungen setzen
So richtig praktisch ist das aber immer noch nicht: Die PDF-Datei ist nicht wiedererkennbar, sondern heißt einfach „PDF.pdf“. Neue Dateien werden nach dem Schema PDF-1, PDF-2 und so weiter benannt – für ein Recherche-Dossier eine ausgesprochen unpraktische Sortierung. Deshalb ist es sinnvoll, den Make-PDF-Workflow weiter anzupassen: Einerseits braucht das PDF einen vernünftigen Namen – und andererseits sollte es auch über ein Datums-Tag verfügen.
Auch das ist mit Workflow problemlos möglich: Öffnen Sie erneut den „Make PDF“-Workflow innerhalb der App und tippen Sie in „Save File“ auf den Verzeichnispfad. An dieser Stelle geht es nur darum, ob und wie die Datei gespeichert wird: Bleibt die Stelle leer, setzt Workflow als Folge der „Make PDF“-Funktion den Dateinamen „PDF“ als Standard, was das oben beschriebene Verhalten zufolge hat.
Eine Tastatur öffnet sich, in der auch zusätzliche Aktionen angezeigt werden, darunter „PDF“ und „Current Date“. Ziehen Sie beide in den Pfad. Tippen Sie danach „PDF“ an und wählen Sie im folgenden Menü unter „Get“ den Punkt „Name“. Die Anzeige des aktuellen Datums können Sie auf die gleiche Weise modifizieren. Bei beiden Eingaben handelt es sich nur um Variablen, die ausgelesen werden, die Dateinamen-Erstellung ist jedoch eigentlich nur eine Texteingabe. So können Sie zum Beispiel zwischen „Current Date“ und „PDF“ noch Zeichen einfügen, etwa einen Bindestrich mit zwei Leerzeichen, um die Dateinamenerstellung übersichtlicher zu gestalten.
Wenn Sie den Workflow jetzt erneut ausführen, wird die PDF-Datei mit dem Namen des Artikels und dem aktuellen Datum der Erstellung gesetzt.
Weitere Funktionen einfügen
So weit, so einfach. Wie Sie bereits sehen, gibt es in Workflow viel zu entdecken. Wichtig ist, die Logik der App zu verstehen. Das geht am einfachsten, indem Sie sich jetzt dem Workflow „Get Battery Level“ widmen. Legen Sie diesen zunächst auf dem Home-Screen ab, indem Sie ihn in Workflow öffnen und auf das Zahnrad-Symbol oben rechts klicken. Wählen Sie hier „Add to Home Screen“.
Das Hinzufügen auf den Home-Screen erfolgt als Web-App, weshalb sich jetzt eine Website mit Instruktionen öffnet. Diese besagt aber nur, dass Sie diese Website jetzt per Teilen-Dialog auf den Home-Screen legen müssen. Anschließend ist der Workflow wie eine App direkt aus dem Home-Screen abrufbar. Wenn Sie „Battery Level“ antippen, zeigt Ihnen Ihr iPad den aktuellen Batterie-Stand und das verwendete WLAN.
Schnell Informationen mit Workflow ausgeben
Natürlich können Sie auch diesen Workflow nach ihren Wünschen anpassen. Öffnen Sie ihn dazu in der Workflow-App. Wie Sie sehen, ist dieser ein wenig komplexer als der für die PDF-Erstellung. Wir wollen die Anzeige eindeutschen und ein paar zusätzliche Informationen, etwa die IP-Adresse und die Signalstärke, ergänzen. Kurz eine Erklärung der Algorithmus: Zunächst liest Workflows per „Get Battery Level“ den aktuellen Batteriestand aus. Diesen setzt er per „Set Variable“ namens „Battery“. Anschließend liest er mit „Get Network Details“ die Daten des Wi-Fi-Netzwerks aus. Diese Informationen gibt der Workflow dann in „Show Alert“ als Fenster aus. Die Aktion „Exit Workflow“ bringt Sie letztlich wieder zum Home-Bildschirm.
IP-Adressen auf dem iPad anzeigen
Alles verstanden? Dann steht einer Übersetzung und Erweiterung dieser Anzeige nichts mehr im Weg: Ziehen Sie zunächst zweimal die Aktion „Get Current IP-Adress“ hinter „Get Network Details“ in den Workflow. Ziehen Sie zusätzlich hinter jedes „Get Current IP-Adress“ eine „Set Variable“-Aktion. Stellen Sie die beiden IP-Adress-Felder jetzt einmal auf „Local“ und einmal auf „External“ und setzen Sie die jeweilige Variable als „External-IP“ bzw. „Local-IP“. Im Warnfeld „Show Alert“ können Sie nun den Text anpassen und die jeweiligen Variablen einfügen. Wenn Sie den Workflow jetzt mit dem „Play“-Button starten, zeigt das Warnfenster neben dem Batteriestand und dem WLAN-Namen auch die IP-Adresse des Geräts (intern) und die des Internet-Anschlusses (extern) an. Natürlich können Sie diese Infos von hier aus auch weiterreichen, etwa indem Sie von Workflow eine neue Notiz erstellen lassen.
Die Grenzen der Workflow-Funktionalität
Natürlich kann Workflow viel mehr als in den geschilderten Beispielen. Es kann zum Beispiel Informationen an beliebige Apps übergeben oder in Dateien schreiben, automatisch Bilder zuschneiden oder den aktuell abgespielten Song bei Twitter posten. Durch die Vielzahl der integrierten Funktionen sind dem Tool kaum Grenzen gesetzt.
Wichtig ist allerdings, die Logik zu verstehen: Falsch „programmierte“ Workflows geben nämlich entweder nicht das gewünschte Ergebnis aus – oder funktionieren schlicht nicht oder nur eingeschränkt. Wichtig ist ebenfalls, dass Workflow-Schritte logisch aufeinander folgen müssen, sprich: A muss vor B abgefragt oder ausgeführt werden, sonst passiert... nichts. Die zahlreichen Funktionen können links über die Aktionen-Suche oder über die verschiedenen Übersichts-Ordner aufgespürt werden.
Die Entwickler erweitern diese ständig per App-Update, zuletzt (Stand: 22.03.2017) wurden Funktionen wie „Save File“ und „Get Link to File“ hinzugefügt. Seit Version 1.7.1 können sogar Workflows innerhalb von Workflows aufgerufen werden. Funktionen, die es nicht gibt, können leider nicht manuell eingepflegt werden. Gleiches gilt für Abläufe, die sich außerhalb der durch Apple gesetzten Beschränkungen des iOS-Systems befinden. Hier ist dann die Grenze der App erreicht.
Fazit: Workflow ist mächtig – benötigt aber Einarbeitung
Mit etwas Einarbeitungszeit und ein wenig Verständnis von Algorithmen-Programmierung erhalten Workflow-User ein mächtiges Tool, das eine Vielzahl von Arbeitsabläufen auf dem iPad oder iPhone massiv erleichtert oder erst zur Verfügung stellt, Stichwort PDF-Erstellung aus Websites. Die zahlreichen Gratis-Workflows der Nutzergemeinde sind gute Startpunkte zur Erstellung eigener Automatisierungen.
Wenn Sie etwas fortgeschritten sind, können Sie natürlich auch eigene Workflows von der Pike auf erstellen, die die tägliche Arbeit massiv erleichtern können oder Ihnen schlicht das Öffnen und Teilen von Dokumenten über mehrere Apps hinweg erspart. Insofern sollte Workflow auf keinem produktiv genutzten iPad (Pro) fehlen.
(Macwelt)