Die Wirtschaftskrise hat neben der finanziellen auch eine enorme psychische Belastung vieler Menschen mit sich gebracht. Das zeigt eine repräsentative Befragung unter 500 Menschen, die in Wien im Rahmen Veranstaltung "Tag der Psychologie" präsentiert wurde. Für Menschen, die durch die Krise zu Arbeitslosen oder zu Kurzarbeitern wurden, könne die Arbeitspsychologie Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensqualität und auch der konkreten Arbeitssituation aufzeigen, so der Tenor der Experten. Das gelte jedoch ebenso bei den Gefühlen der Angst oder Ohnmacht im Job, die im Lauf des Jahres deutlich zugenommen haben.
"Sechs von zehn Menschen belastet die Wirtschaftskrise", berichtet die Meinungsforscherin Sophie Karmasin. Jeden Sechsten ordneten die Studienautoren der Gruppe der "Ängstlichen" zu, die außer von Zukunftsangst häufig auch von Schlafstörungen, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit und Ruhelosigkeit geplagt sind. "Diese Menschen berichten besonders häufig von steigendem Konkurrenzdenken in der Kollegenschaft aufgrund von hohem Arbeitsdruck", so Karmasin. Eine ähnlich große Gruppe wurde als "Machtlose" bezeichnet. Die so Bezeichneten sehen sich von der Krise in eine passive Rolle gedrängt und verspüren statt Wut oder Aggression nur mehr die eigene Ohnmacht. Jeder Vierte fühlt sich von der Krise leicht betroffen, die restlichen 41 Prozent gar nicht.
Als "deutliche Warnhinweise" wertet Ulla Konrad, Präsidentin des österreichischen Psychologenverbands, die Ergebnisse. Besonders wenn Gefühle wie Ohnmacht und Angst aufkommen leide der Selbstwert und Menschen würden sich weniger trauen, bei gesundheitlichen Problemen in Krankenstand zu gehen. Das begünstige die Entstehung eines Burnout-Syndroms, das häufig sogar das Ende eines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehe. "Um dem Burnout wie auch dem immer stärker werdenden Mobbing vorzubeugen, können Firmen gerade in Krisenzeiten von der Unterstützung durch die Arbeitspsychologie profitieren. Bisher fehlt jedoch eine gesetzliche Garantie, dass Arbeitnehmer im Bedarfsfall Zugang dazu bekommen", so Konrad.
Wer Arbeit verliert, leidet an Stress
Eine weitere Erhebung widmete sich speziell den Menschen, die infolge der Krise ihre Arbeit verloren oder zu Kurzarbeit verpflichtet wurden. Deutlich öfter als der Bevölkerungsschnitt berichtet diese Gruppe von höherem Stress, Frustration und Unzufriedenheit, viele verstärken ungünstiges Verhalten wie Rauchen und Alkoholkonsum und sind auch häufiger in Konflikt mit dem Partner. Typische Freizeitaktivitäten nehmen zwar bei einigen dank der vermehrten freien Zeit zu, doch schränken viele Hobbys, Sport und Urlaub aufgrund finanzieller Überlegungen ein und verringern auch die sozialen Kontakte. "Das führt in Summe dazu, dass Arbeitslose und Kurzarbeiter eine signifikant schlechtere subjektiv empfundene Lebensqualität besitzen als der Bevölkerungsschnitt", fasst Karmasin die Ergebnisse zusammen.
Um mit der Situation zurecht zu kommen, flüchten Betroffenen oftmals in die Einnahme von Medikamenten, suchen Unterstützung im sozialen Umfeld oder besuchen vorgeschriebene Seminare zur Weiterbildung. "Wenngleich 37 Prozent eine psychologische Beratung als hilfreich ansehen, setzt das nicht einmal jeder Zehnte in die Wirklichkeit um", so Konrad. Psychologen könnten jedoch sehr gezielt dabei helfen, den Schock einer Entlassung abzufangen, Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen und gemeinsam mit dem Betroffenen Voraussetzungen für den erfolgreichen Verlauf eines Bewerbungsgespräches zu erarbeiten. "Krisenbewältigung spart viel mehr Geld als sie kostet, weil sie die Rückkehr in den Alltag beschleunigt", so die Psychologin.
Besondere Vorsicht fordert Konrad für die Kommunikation der Nachricht, dass die Krise bereits überwunden sei. "Wenn die Botschaft der Erholung der Banken auch viele aufatmen lässt, darf die weiter steigende Arbeitslosigkeit nicht übersehen werden. Ob die Krise vorbei ist, zeigt sich letztlich erst auf individueller Ebene." Politiker sollten aus der Krise lernen, dass man Arbeitssuchende und Menschen in Ausbildung nicht alleine lassen darf. "Es gibt noch immer einen großen Mangel an Berufsorientierung. Was bisher nur für einzelne Randgruppen wie etwa Sonderschüler der Fall war, müsste flächendeckend durchgesetzt werden." (pte/rw)