Der Gesetzgeber hat den Internethändlern in der Anlage zu § 14 BGB-Informationspflichtenverordnung eine Muster-Widerrufsbelehrung zur Verfügung gestellt. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV sieht eigentlich vor, dass der Internethändler korrekt über das Widerrufsrecht belehrt, wenn das amtliche Muster verwendet wird. Da der Gesetzgeber die Widerrufsbelehrung jedoch nur als Verordnung und nicht als Gesetz gefasst hat, können deutsche Gerichte die Muster-Widerrufsbelehrung in einzelnen Punkten für unwirksam erklären, was zur Folge hat, dass Händler, die die Muster-Widerrufsbelehrung verwenden, wettbewerbswidrig handeln und abgemahnt werden können. Ein Beispiel ist beispielsweise die Formulierung zum Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung, ein anderes Beispiel die Diskussion über die Klauseln zum Wertersatz. Von einer Rechtssicherheit bei Verwendung des amtlichen Musters für die Widerrufsbelehrung kann somit nicht die Rede sein.
Am 26.09.2007 hat der Bundesgerichtshof in dem Verfahren VIII ZR 25/07 verhandelt. Grundlage der Verhandlung ist eine Entscheidung des Landgerichtes Koblenz vom 20.12.2006, Aktenzeichen 12 S 128/06. Hintergrund ist ein so genanntes Haustürgeschäft, in dem ein Verbraucher ein Produkt im Rahmen eines unangemeldeten Vertreterbesuches kaufte. Das Bestellformular enthielt die gesetzliche Widerrufsbelehrung. Der Vertrag war am 06.10.2004 unterzeichnet worden. Die Lieferung erfolgte am 02.11.2004, am 16.11.2004 sandte der Verbraucher die Ware zurück. Über die Widerrufsfolgen war der Verbraucher nicht informiert worden, da gemäß des Gestaltungshinweises 4 der Muster-Widerrufsbelehrung über die Widerrufsfolgen nicht zu informieren ist, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden. Diese war zum Zeitpunkt der Lieferung bereits abgelaufen.
Das Landgericht Koblenz hatte der Klage des Verbrauchers stattgegeben, obwohl die Anmerkung 4 der Musterwiderrufsbelehrung beinhaltet, dass auf die Widerrufsfolgen in dem vorliegenden Fall eigentlich nicht hinzuweisen wäre, regelt § 312 Abs. 2 BGB, dass die erforderliche Belehrung über das Widerrufs- oder Rückgaberecht auch auf die Rechtsfolgen des § 312 Abs. 1 und 3 BGB hinweisen muss. § 357 Abs. 1 und 3 BGB regeln die Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe, beispielsweise über den Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme.
Das Landgericht Koblenz führt den Meinungsstreit zur Muster-Widerrufsbelehrung eigentlich ganz umfassend aus. Es wird auf der einen Seite vertreten, dass bei Verwendung des Musters der Unternehmer den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung genügt. Ein Teil der Kommentarliteratur und insbesondere der Rechtsprechung geht jedoch davon aus, dass für den Fall, dass die Muster-Belehrung falsch oder unklar ist, diese nichtig ist. Dieses Problem ereilt dann letztlich auch die Internethändler über Abmahnungen. In der Entscheidung des Landgerichtes Koblenz heißt insofern "Die BGB-InfoV kann als nachrangiges Recht nicht die Regelungen des BGB außer Kraft setzen." Unter dieser Erkenntnis leidet zur Zeit der gesamte Internethandel.
Der Gesetzgeber, der bisher keinen Handlungsbedarf sah, ist jedenfalls aufgewacht. Es laufen erste Anhörungen, um dem Internethandel eine rechtssichere Belehrung zur Verfügung stellen zu können.
Die Beklagte nahm in der mündlichen Verhandlung die Revision zurück, da der BGH andeutete, dass die Musterbelehrung widersprüchlich und unklar sei. Es gibt nun leider kein klärendes Urteil, aber die Tendenz des BGH, die Musterbelehrung als unwirksam anzusehen.
Für den Fernabsatzhandel im Internet hat diese Entscheidung keine direkten Folgen. Bisher hatten viele Gerichte die Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzgebers in einzelnen Punkten als unwirksam erachtet, so dass es einem Wunder gleichgekommen wäre, wenn der Bundesgerichtshof das zugegebenermaßen unklare Muster bestätigt hätte. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg wertet die Rücknahme der Revision als Etappensieg für den Verbraucher mit der Folge, dass betroffene Verbraucher ein unbegrenztes Widerrufsrecht bekommen und ältere Verträge auch nachträglich überprüfen lassen können. Dies ist insofern richtig, als dass die Widerrufsfrist gar nicht erst beginnt zu laufen, wenn der Verbraucher falsch belehrt wird.
§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB regelt insofern, dass das Widerrufsrecht nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Diese Problematik scheint jedoch in der Praxis im Internet nur eine kleine Rolle zu spielen, da uns bspw. keine Fälle bekannt sind, in denen Verbraucher nach Jahren ihr Widerrufsrecht ausübten, nachdem bspw. bei eBay überhaupt erst gerichtlich geklärt wurde, dass es dort ein Widerrufsrecht gibt oder die Fristen abgeändert wurden. Der eBay-Handel und Internethandel ist insofern "begünstigt", als dass durch die Vielzahl von Abmahnungen zum jeweiligen Zeitpunkt relativ gut beurteilt werden kann, wie eine halbwegs ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung auszusehen hat. Für Lexika-Verkäufer, Staubsaugervertreter oder sonstige Klinkenputzer sieht die tatsächliche Situation wohl etwas anders aus. Wir gehen davon aus, dass die Reue des Käufers über das aufgeschwatzte Produkt hier weitaus größer ist, als bei einem bewussten Kauf über das Internet.
Der Autor: Johannes Richard, Rechtsanwälte Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen, Richard Wagner Straße 14, 18055 Rostock, Tel: 0381-448998-0, Fax: 0381-448998-22. Im Internet unter: www.internetrecht-rostock.de. (mf)