ChannelPartner: Die aktuelle Stimmung im Elektronikhandel ist nicht gut. Die Konsumentenbudgets sind knapper geworden und nach den Jahren der Coronapandemie haben oft andere Ausgaben Vorrang vor dem Kauf von Elektronikartikeln. Wie erleben Sie bei MediaMarktSaturn diese Situation?
Hubert Kluske: Ich denke, man muss die Marktdynamik unabhängig von den kurzfristigen Faktoren betrachten: Elektronik ist ein spannender, innovativer Markt und wenn die richtigen Produkte da sind, lassen sich hier immer Umsätze erzielen. Wir sehen uns dabei vor allem in einer Vermittlerrolle, die uns großen Spaß macht. Aktuell sind dafür gute Beispiele Kleingeräte und SDAs wie Saugroboter oder Heißluftfritteusen, bei denen wir unsere Rolle in der Beratung und beim Präsentieren der Produkte besonders gut ausspielen können. Die Konsumstimmung bleibt weiterhin herausfordernd - aber wir können Ideen finden, wie wir damit umgehen und das gelingt uns ziemlich gut: Wir sind gerade im sechsten Quartal in Folge gewachsen und haben Marktanteile in 10 von 11 Ländern so auch in Deutschland gewonnen.
ChannelPartner: Mit dem Thema Beratung wollen im Elektronik-Retail alle Marktteilnehmer punkten. Beschreiben Sie doch einmal konkret, wie sich MediaMarktSaturn hier vom Wettbewerb abhebt.
Kluske: Wir haben eine sehr klare Strategie: Wir leben die volle Kundenorientierung. Dazu zählt, dass wir nicht mehr einfach Unterhaltungselektronik verkaufen, sondern mit "Experience Electronics" ein Erlebnis vermitteln. Dass wir technische Innovationen - wie aktuell KI - für unsere Kundinnen und Kunden verständlich machen und ihnen helfen, ihr Leben zu verbessern. Ebenso gehört dazu unsere Omnichannel-Strategie. Viele in der Branche versprechen ihren Kundinnen und Kunden ein Omnichannel-Einkaufserlebnis, aber richtig umsetzen kann das nur jemand, der online und offline so stark ist wie wir.
ChannelPartner: Die Krise der Warenhäuser hat gezeigt, wie wenig stationäre Stärke im Wettbewerb mit Online-Riesen wie Amazon wert ist. MediaMarktSaturn hält weiter an seinem Store-Netz fest, setzt aber inzwischen auf eine größere Bandbreite an stationären Formaten. Welche Kundenbedürfnisse adressieren Sie damit?
Kluske: Wir wollen ein breiteres, modernes Einkaufserlebnis über alle Kanäle bieten. Dazu haben wir vier stationäre Formate entwickelt: Das Lighthouse-Format, wie wir es jetzt in Deutschland nach Berlin auch in Hamburg umgesetzt haben, soll dem Elektronikhandel neuen Glanz verleihen. Dieses Format ist aber nur für große Metropolen gedacht. Unsere "klassischen" Stores, die es in Deutschland über 390 mal gibt, sind im Core Format. Dabei handelt es sich um mittelgroße Märkte mit viel Service und Beratung, wie wir kürzlich in Göttingen neu eröffnet haben. Am 4. Oktober wird ein neuer Markt in Berlin-Wildau in diesem Format folgen. Und dann gibt es noch Lagen, die aktuell noch hauptsächlich von Wettbewerbern besetzt sind, in denen wir perspektivisch aber auch vertreten sein wollen. Dafür haben wir die Formate Xpress und Smart. Mit all unseren Formaten, Neueröffnungen und auch Modernisierungen investieren wir konsequent in unsere Märkte und entwickeln neben unseren Online-Fähigkeiten auch den stationären Handel immer weiter.
MediaMarktSaturn plant Eröffnungen an ehemaligen Gravis-Standorten
ChannelPartner: Mit dem Xpress-Format, das Sie in Deutschland erstmals Mitte 2023 im südhessischen Groß-Gerau präsentiert haben, zielen Sie auf Standorte, die bisher eine Kernkompetenz der Verbundgruppen EP, Euronics und Expert darstellen. Wie will MediaMarktSaturn im Wettbewerb mit deren Fachmärkten punkten?
Kluske: Wir haben aktuell in Deutschland drei Xpress-Märkte und bereiten weitere Standorte vor. Wir tun das aus der Position des stationären Marktführers heraus und gehen von einer stationären Konsolidierung aus, die wir vorantreiben wollen. Als Elektroniknahversorger steht MediaMarkt Xpress im Wettbewerb mit verschiedenen Marktpartnern, aber wir haben klare Vorteile: unsere Marke kennt jeder, wir haben eine sehr stark ausgeprägte Kompetenz nicht nur bei Smartphones und Tablets sondern auch bei vielen anderen Produktgruppen. Zudem bieten wir ein breites Spektrum an Services an, die wir hervorragend skalieren können, und haben mit gut ausgebildeten Beratern vor Ort und online sowie der Ergänzung durch die digitale Regalverlängerung einen hohen Kundennutzen.
ChannelPartner: Wie muss man sich das Smart-Format vorstellen? In Deutschland gibt es bisher noch keine entsprechenden Standorte...
Kluske: Wir sind dafür gerade dabei, einige ehemalige Gravis-Standorte zu prüfen. Es handelt sich also um innenstädtische Lagen mit einer Fläche von maximal 500 Quadratmetern. Für Media Markt Smart, das es bereits seit einigen Jahren in Italien gibt, haben wir ein ganz neues Konzept entwickelt. Der Schwerpunkt sind zum Beispiel Smartphones, Tablets und Kaffeeautomaten - also Produkte bis zu einer Größe, die man auch gut mit dem Fahrrad mitnehmen kann. Neben dem ausgewählten Sortiment steht hier vor allem die Onlineanbindung, unter anderem mit digitalen Stelen zur Regalerweiterung, im Fokus. Viele darüber verfügbaren Produkte können wir gut per Pick-up in einem unserer größeren Märkte in der Nähe abbilden.
"Es ist uns nicht mehr wichtig, MediaMarkt und Saturn voneinander abzugrenzen"
ChannelPartner: Während MediaMarktSaturn bei den Store-Formaten auf Vielfalt setzt, haben Sie bei den Vertriebslinien die Zweimarkenstrategie gelockert und setzen zunehmend einen Schwerpunkt auf MediaMarkt - bei der Lighthouse-Eröffnung in Hamburg war es nur noch ein Nebenaspekt, dass damit gleichzeitig von Saturn auf MediaMarkt umgeflaggt wurde. Wie reagieren die Konsumenten darauf, die lange gelernt hatten, dass MediaMarkt und Saturn zwei separate Marken sind?
Kluske: Die Kundinnen und Kunden verstehen immer mehr, dass MediaMarkt und Saturn ein Unternehmen sind. Gleichzeitig können wir bei der Messung der Brand-Werte feststellen, dass beides weiterhin starke Marken sind. Aus Unternehmenssicht war es unser Antrieb, effizienter zu werden, nicht alles doppelt zu machen und nicht mehr untereinander in Wettbewerb zu treten. Diese Ziele haben wir erreicht. Was die einzelnen Standorte betrifft, ist das immer das Resultat einer sehr individuellen Prüfung, welche Marke wo mehr Sinn macht. In Hamburg lag der Markenwechsel daran, dass das Lighthouse ein internationales Format ist, das es nur von MediaMarkt gibt. Am Alexanderplatz in Berlin, wo unser zweiter Lighthouse Store in Deutschland ist, betreiben wir einen Saturn-Markt gleich gegenüber.
ChannelPartner: Welcher Unterschied besteht in der Positionierung von MediaMarkt und Saturn?
Kluske: Wir haben beide Marken viel enger zusammengerückt. Was zum Beispiel Services, Angebote und Werbemaßnahmen betrifft, gibt es keine Differenzierung mehr. Uns ist es wichtig, uns vom Wettbewerb außerhalb der Unternehmensgruppe abzugrenzen, jedoch nicht voneinander.
"Wir können neuen Brands eine attraktive Plattform bieten"
ChannelPartner: Auch MediaMarktSaturn kann sich der Herausforderung nicht entziehen, mit den stationären Flächen eine möglichst gute Rentabilität zu erzielen. Eine Initiative ist hier das Ende 2023 gestartete Pilotprojekt Space-as-a-Service, mit dem Marketplace-Partner stationäre Ausstellungsfläche buchen können. Wie viel Zukunftspotenzial hat das Konzept?
Kluske: Space-as-a-Service ein wichtiger Teil unserer Strategie. Mit stetig wechselnden Themen bieten wir unseren Kundinnen und Kunden ein Erlebnis und erhöhen gleichzeitig unsere Flächenproduktivität. Das Konzept eignet sich für Märkte einer bestimmten Größe, die entsprechende Experience Flächen bereitstellen können. Im Lighthouse in Hamburg haben wir über 70 Flächen, die von Partnern bespielt werden. Das ermöglicht den Herstellern, ihre Marke am besten zu inszenieren, und bietet den Kundinnen und Kunden eine noch bessere Shopping Experience. Das Spektrum der Partner reicht dabei von Online-Brands wie beispielsweise Anker über Marketplace-Seller, gleichzeitig rücken wir auch unsere Eigenmarken ins Rampenlicht.
ChannelPartner: Sie erwähnen Anker, ein typisches Beispiel für eine über Amazon groß gewordene D2C-Marke, die sich lange nicht besonders für den stationären Handel interessiert hat. Geht es mit dem Space-as-a-Service-Konzept auch darum, solche Brands überhaupt in die MediaMarkt- und Saturn-Filialen zu bringen?
Kluske: Unser Ziel ist es, den Kundinnen und Kunden ein Erlebnis zu bieten und dazu gehört auch, auf die Fläche zu bringen, was digital gerade erfolgreich ist. Viele neue Brands fangen heute online an, fragen sich aber ab einer gewissen Größe, wie sie aus dem digitalen in den stationären Handel kommen. Als Europas führender Ominchannel-Retailer können wir ihnen diese Plattform bieten, da wir online wie offline das nötige Netzwerk und die Expertise haben.
ChannelPartner: Besonders in der Zeit, in der Home-of-Hardware-Gründer Martin Wild die Rolle des Digitalchefs einnahm, setzte MediaMarktSaturn stark auf digitale Features am Point of Sale. Ist der Eindruck richtig, dass Ihr Unternehmen hier inzwischen die Experimentierlust etwas verloren hat?
Kluske: Beim Thema digitaler POS befinden wir uns heute klar nach dem Anfangs-Hype. Dennoch ist das nicht alles weg und es bleibt auch vieles spannend. Wir müssen weiter am Puls der Zeit sein, aber auch auf die Machbarkeit achten. Zu den Elementen, die sich als besonders interessant erwiesen haben, zählen zum Beispiel digitale Preisschilder, die Mitarbeiter-Smartphones, unsere Mitarbeiter-App, die Online-Terminvereinbarung sowie die Live-Beratung per Videochat in unseren Onlineshops.
Expresslieferung in 13 Minuten
ChannelPartner: Kommen wir abschließend noch zum Thema E-Commerce: Als MediaMarktSaturn vor zehn Jahren eher widerwillig in den Onlinehandel zurückkehrte, herrschte viel Skepsis, ob die Aufholjagd gelingen würde. Heute ist MediaMarktSaturn der drittgrößte Onlinehändler in Deutschland, der mit Abstand umsatzstärkste Elektronikversender und auch als Marktplatzbetreiber zunehmend relevant. Wie hat sich das Unternehmen dafür verändert?
Kluske: Wir verstehen uns heute klar als Omnichannel-Händler und sehen darin auch unsere Stärke, die beiden Welten perfekt zu verzahnen, denn sie profitieren voneinander. Unsere Online-Pickup-Quote trägt einen wichtigen Anteil zu der hohen Kundenfrequenz in unseren Märkten bei. Gleichzeitig kann man an Services wie der 90-Minuten-Sofortlieferung sehen, wie stark das kanalübergreifende Agieren inzwischen in unserer DNA verankert ist. Wir haben die Direkt-Lieferung mit Uber an rund 225 Standorten umgesetzt, es kommen immer weitere dazu. Damit erreichen wir eine große Anzahl der deutschen Haushalte und liefern rund 500 bis 600 Bestellungen pro Tag per Sofortlieferung aus. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, das sonst kein anderer Händler so abbildet. Die Umsetzung mussten wir mit unseren Mitarbeitenden dabei gar nicht besonders trainieren. Stattdessen gab es dann bald einen internen Wettbewerb zwischen den Märkten, wer die schnellste Lieferung schafft. Der Rekord liegt derzeit bei 13 Minuten.