Wenn es noch dunkel in der Redaktion war, dann gab es eine Mitarbeiterin, die fast immer das Licht angeknipst hat: Renate Oettinger stand als Autorin und Lektorin auf der Matte, als sich alle anderen Kollegen noch die Augen gerieben haben. "Ich brauche Ruhe, und ich will nicht im Stau stehen", das war ihr Argument, das sie in harten Zeiten vor sechs Uhr morgens in die Redaktion getrieben hat. Im Team hat sich Renate vor allem wegen ihrer hervorragenden Dienste als Schlussredakteurin hervorgetan. Das ist der Job, bei dem der eigene Name nicht unter dem Artikel steht, ganz gleich wieviel Arbeit die Schlussredakteurin bei der Fehlersuche hineingesteckt hat.
Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben Renate Oettinger bestenfalls nie wahrgenommen. Renate hat sozusagen das Schicksal aller ITler geteilt: Solange alles glatt läuft, werden die Mitarbeiter nicht bemerkt. Erst, wenn Fehler auftauchen, fragt jemand nach den Verantwortlichen. Das ist bei Renate Oettinger aber so gut wie nie vorgekommen.
Wir haben viele Fehler gemacht. Doch Renate hat fast alle gefunden.
Renate hätte sich auch darauf konzentrieren können, ihre eigenen Texte in den Vordergrund zu stellen. Als Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. hat sie viel über Wirtschaft, Recht und IT geschrieben, nicht nur für IDG sondern auch für Siemens, Daimler und die HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Bei uns hat sie sich jedoch zumeist in die zweite Reihe gestellt. Sehr zu unserem Profit. Wir konnten sie immer und zu den unmöglichsten Zeiten anrufen. Bis 2017 stand sie immer bereit. Dann riss die erste Krankheit aus dem Alltag.
Kaum ein Kollege sitzt zurzeit in der Redaktion. Corona-bedingt halten sich die meisten Mitarbeiter im Home-Office auf. Andernfalls hätten wir schneller davon erfahren, dass Renate schon am Freitag vergangener Woche verstorben ist. Trotz zahlreicher Schicksalsschläge kam sie stets regelmäßig in die Redaktion. Fast schon galt sie als unsterblich. Vermutlich ist sie jetzt an den Folgen eines verschleppten Schlaganfalls verstorben. So genau kann dies selbst der Hausarzt nicht mehr sagen, den Renate erst spät und auf Drängen der Kinder konsultiert hat. Den Termin beim Kardiologen konnte sie nicht mehr wahrnehmen.
Das passt ins Bild. Für Renate stand ihre Familie stets an erster Stelle, daneben war sie auch eine passionierte Tierschützerin und hat ihre eigenen Belange für nicht so wichtig erachtet, wenn es gerade vermeintlich Wichtigeres (Heftabgabe, etc.) gab. Zuletzt waren es die Reparaturen am eigenen Haus, die gerade wichtiger erschienen, vermutet ihr Sohn Michael. Renate hat drei Kinder und sechs Enkel im Alter 0,5 bis 14 Jahren hinterlassen. Ihnen gilt unser Mitgefühl und der Dank, dass wir Mutter und Oma immer wieder auch für unsere Zwecke einspannen durften.