Exklusivinterview mit HP-Geschäftsführer Martin Kinne

"Wir sind diesem fragwürdigen Trend nicht gefolgt"

23.11.2010
Martin Kinne nimmt Stellung zur aktuellen Situation von HP im Mobility-Segment und zur Entwicklung des Mobility-Marktes.
"Bis jetzt konnten wir nicht feststellen, dass ausgerechnet HP-Produkte in Online-Kanälen überdurchschnittlich oft zu aggressiven Preisen angeboten werden." Martin Kinne, Vice President und General Manager PSG bei Hewlett-Packard Deutschland
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Herr Kinne, während Hewlett-Packard laut IDC weltweit im PC-Markt im dritten Quartal 2010 mit einem Marktanteil von 17,6 Prozent vor Acer rangiert, hat der Wettbewerber Acer HP in diesem Marktsegment in Deutschland deutlich überholt .
Martin Kinne: Das vergangene Jahr hat für den gesamten PC-Markt einige Herausforderungen bereitgehalten: Der erwartete Boom hat sich im dritten Quartal abgeschwächt, und die Marktzahlen sind insgesamt hinter den Vorhersagen von IDC zurückgeblieben. Trotzdem konnte HP im kommerziellen Segment die Nummer-eins-Position weiter ausbauen. Der Consumer-Markt ist hingegen extrem preisaggressiv. Wir sind diesem fragwürdigen Trend nicht gefolgt, sondern haben an unseren langfristigen Profitabilitätszielen festgehalten und konnten unsere Position in diesem Marktumfeld stabilisieren.

Mittlerweile tummeln sich Asus und Lenovo mit auf den ersten vier Rängen im deutschen Markt für tragbare PCs. Was haben diese beiden Hersteller besser gemacht als Acer und HP?
Kinne: Die HP-Geschäftsstrategie orientiert sich an einem langfristigen profitablen Wachstum und nicht an schnellen Erfolgen und kurzfristigen Market-Share-Gewinnen. Wir möchten unseren Kunden dauerhaft Qualität, Leistung und Service bieten sowie Kaufimpulse über Innovationen, neue Technologien und Design geben - nicht über Dumpingpreise.

Immer mehr tragbare Geräte, die sich auch im B2B-Umfeld nutzen lassen, kommen auf den Markt. Werden Slates (Tablets) oder Smartphones mittelfristig die Business-Notebooks ablösen?
Kinne: Neue Technologien ermöglichen und treiben innovative Produktideen und Formfaktoren, das zeigen insbesondere die Produkt-Launches der letzten Zeit. Ziel ist es, neue Applikations- und Benutzerszenarien zu adressieren, und nicht, vorhandene zu ersetzen. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass es zu keiner Kannibalisierung von Business-Notebooks durch Slates oder Smartphones kommt. Der Trend geht immer mehr hn zur Diversifizierung - die Kunden wollen Produkte, die genau ihren Anforderungen entsprechen und nicht ein Gerät für alles.

Der PC-Markt wird immer mehr von der Consumer-Nachfrage im Mobile-Segment getrieben, allen voran Netbooks und jetzt Tablets. Sieht sich HP bei diesen Produktkategorien gut genug aufgestellt?
Kinne: Ich stimme dieser Beobachtung vollkommen zu: Entsprechend engagiert und schnell treibt die IT-Industrie die Entwicklung neuer Produkte und Technologien voran, um die wachsende Nachfrage und die veränderten Ansprüche der Verbraucher zu erfüllen. Mobile Produkte wie Smartphones, Notebooks, Netbooks oder Tablets ermöglichen ihren Anwendern Web-Browsing, social Networking und multimediale Erlebnisse - und das alles orts- und zeitunabhängig. HP ist in diesem Bereich optimal aufgestellt. Wir werden auch künftig mit unserem Portfolio den Bedürfnissen im Consumer-Umfeld gerecht werden und gleichzeitig neue Trends setzen. Ein Beleg dafür ist die erst kürzlich erfolgte Akquisition von Palm.

Business-Notebooks haben ihren Preis. In welchem Absatzkanal sehen Sie diese Geräte am besten aufgehoben?
Kinne: Neben den Direktverkäufen an Großkunden ist unser primärer Absatzkanal der klassische Fachhandel, wo Business-Anwender genau die kompetente Beratung und Dienstleistung erhalten, die sie sich wünschen. Fachhändler können sich in diesem Bereich als kompetente Berater positionieren und über Angebote wie das HP Care Pack ihren ROI erhöhen.

Plant HP, noch mehr Business-Notebooks über E-Tailer und im Retail abzusetzen?
Kinne: Unser primärer Absatzkanal für Business-Notebooks ist und bleibt der klassische Fachhandel. Gerade Business-Anwender, die in ein hochwertiges Notebook investieren, wünschen sich eine kompetente Beratung und umfassende Dienstleistungen, auch über den Kauf hinaus. Das kann ein E-Tailer in dieser Form nicht leisten. Andere Kunden, die ein Notebook für den privaten Gebrauch oder ihr Home Office suchen und keinen Wert auf eine individuelle Konfiguration und einen besonderen Service legen, setzen hingegen im Vergleich häufiger auf einen E-Tailer. Wir ferfolgen das Kaufverhalten der unterschiedlichen Anwendertypen aufmerksam und stellen unseren Partnern genau die Produkte zur Verfügung, die den jeweiligen Bedürfnissen ihrer Kunden entsprechen. Dabei ist es in der Tat gerade bei den E-Tailern und Online-Resellern notwendig, die Zielgruppen und -segmente zu identifizieren und dort entsprechend die geeigneten Produkte zu positionieren.

Was halten Sie von der Entwicklung, dass immer mehr Fachhändler Notebooks statt in der Distribution bei diversen E-Tailern beziehen, um wenigstens ein Mindestmaß an Marge zu generieren.
Kinne: Wir sind uns bewusst, dass sich Fachhändler über die Preise in den verschiedenen Kanälen informieren, um insbesondere im preissensitiven Einstiegssegment jeden Spielraum zur Margenoptimierung zu nutzen. Diese Entwicklung beobachten wir natürlich aufmerksam; bis jetzt konnten wir jedoch nicht feststellen, dass ausgerechnet HP-Produkte in Online-Kanälen überdurchschnittlich oft zu aggressiven Preisen angeboten werden. Mit unserer Multi-Channel-Strategie sind wir nach wie vor adäquat in allen Kanälen vertreten und sehen derzeit keinen Grund zu der Annahme, dass sich das ändern wird.

Gehen die Hersteller den richtigen Weg, wenn es für einen Fachhändler neben seinem Serviceangebot nur möglich ist, ein Plus an einem Hardwareverkauf zu erzielen, wenn er dem jeweiligen Partnerprogramm beitritt?
Kinne: Wir bieten ganz bewusst verschiedene Programme, die auf die jeweiligen Profile und unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Partner zugeschnitten sind. Neben dem HP-Preferred-Partner-Programm, das sich an unsere "größeren" Partner richtet und entsprechend auch mit bestimmten Anforderungen verknüpft ist, bieten wir für kleineren Fachhändler das SMB-Plus-Programm an. Hier stellen wir keinerlei Bedingungen an den Händler und die Zusammenarbeit wird vertraglichnicht manifestiert.

Welche mobilen Geräte haben Sie persönlich im täglichen Business immer dabei?
Kinne: Ich habe ein HP EliteBook 2740p. Besonders schätze ich die integrierte Leselampe. Damit kann ich im Flugzeug auch dann weiterarbeiten, wenn die Crew beschlossen hat, dass jetzt Schlafenszeit ist. Immer mit dabei sind mein Palm Pre und mein Palm Pixe. Technologie ist nicht nur mein Beruf, sondern auch meine Leidenschaft. Deshalb möchte ich natürlich immer am Puls der Zeit sein - oder gerne auch mal einen Schritt voraus. (bw)