channelpartner.de: Herr Dressen, wie weit ist die Avnet-Integration fortgeschritten?
Michael Dressen, Tech Data: Die Mitarbeiter in den Business Units wurden direkt nach dem Closing integriert. Einige Mitarbeiter in den Back-Office Bereichen, wie z.B. dem Einkauf, werden mit der Integration der IT-Legacy-Systeme in eine Organisation zusammengeführt.
channelpartner.de: Was bedeutet das für das Deutschland-Geschäft?
Michael Dressen: In Deutschland sind wir im vergangenen Geschäftsjahr zweistellig gewachsen - ohne die Avnet-Umsätze. Berücksichtigt man diese und legt zum Vergleich die kumulierten Erlöse von Tech Data und Avnet aus dem Jahr 2016 zugrunde, ergibt sich on top immer noch eine Steigerung von über zehn Prozent. Mit dem ersten gemeinsamen Jahr sind wir sehr zufrieden.
channelpartner.de: Die "neue" Tech Data besteht nun aus zwei Geschäftseinheiten: der "Advanced Solutions" und "Endpoint Solutions". Wo gehören da die Marken Datech und Maverick dazu?
Michael Dressen: Die "Advanced Solutions" ist im Groben die frühere Azlan und Avnet Technology Solution. Das klassische Broadline- und Mobile-Geschäft inklusive CE fassen wir unter den "Endpoint Solutions" zusammen. Beide Bereiche sind in etwa gleich groß - zumindest was den Umsatz betrifft. Das gilt auf jeden Fall für Europa, wo das VAD-Geschäft schon immer stark war. In den USA traten wir erst mit dem Avnet-Kauf in den VAD-Markt ein, so dass unser VAD-Business weltweit einen Anteil von etwa 40 Prozent einnimmt. Um auf Ihre Frage zurück zu kommen: Die Datech und die Maverick sind zusammen mit der Global Computing Components (GCC) in dem Specialized-Solutions-Segment eingebunden.
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channelpartner.de: Lassen Sie uns ein bisschen tiefer in die einzelnen Bereiche eintauchen…
Michael Dressen: Gerne! In der "Advanced Solutions"-Business Unit findet sich das herkömmliche Business sowie das Next-Gen-Geschäft, also Cyber Security, IoT, Cloud und Analytics. Hier haben wir uns sehr gut entwickelt - mit einem zweistelligen Umsatzzuwachs. Das Legacy-Business (Betriebssysteme, Server, Storage und Netzwerke für Data Center, Anm. d. Red.) blieb stabil. Wir sind froh darüber, denn die Hersteller dieser Infrastruktur-Hard- und -Software hatten mit rückläufigen Erlösen zu kämpfen. Bei Maverick (Digital Signage, Anm. d. Red.) haben wir ein fantastisches Jahr hingelegt, ebenso im Mobile-Bereich. Was das herkömmliche Broadline-Geschäft betrifft, werden wir das aktuelle Jahr zur Umstrukturierung nutzen. Wir werden uns dort aus für uns unwirtschaftlichen Marktsegmenten zurückziehen und uns mehr auf die Bereiche konzentrieren, die für uns lukrativ sind, zum Beispiel auf Peripherie und Zubehör.
channelpartner.de: Wie steht's denn um die Consumer-PCs? Das war ja früher das "Brot- und Butter"-Geschäft des Fachhandels?
Michael Dressen: Und das ist immer noch so, leider! Da verdient man teilweise gar nichts mehr!
channelpartner.de: Consumer-PCs werden aber nach wie vor nachgefragt…
Michael Dressen: Und dann ist es auch gut, dass unsere Mitbewerber sich mit dieser Thematik beschäftigen, sonst müssten wir das auch noch machen. In diesem Segment wird aber kein vernünftiger Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet.
channelpartner.de: Und wo ist das noch der Fall?
Michael Dressen: Etwa im SMB-Bereich, hier sind wir 2017 ebenfalls zweistellig gewachsen - sogar stärker als im Unternehmensdurchschnitt. Deswegen stellen wir unser Broadline-Geschäft dementsprechend um und konzentrieren uns auf hochpreisige Produkte. Ansonsten ist der Preisdruck im PC-Bereich (inklusive Notebooks) sehr hoch, weil einige Hersteller (HP, Lenovo, Dell) in einem schrumpfenden Markt noch wachsen wollen. Da sind Gewinne nur ganz schwer zu erzielen. Und Hersteller wie Acer, Asus oder Toshiba sind im kommerziellen Geschäft eher Nischenanbieter.
Tech Data, CEBIT und die Cloud
channelpartner.de: Was halten Sie vom neuen Konzept der "CEBIT"?
Michael Dressen: Da sind wir schon seit Jahren nicht mehr vertreten und beabsichtigen auch dieses Jahr, dort nicht präsent zu sein. Wir konzentrieren uns auf Spezialmessen, etwa die AV-Veranstaltung Integrated Systems Europe (ISE) in Amsterdam, den Security-Gipfel it-sa in Nürnberg oder die IFA in Berlin. Das macht für uns mehr Sinn als der Auftritt auf einer großen unspezifischen Messe.
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channelpartner.de: Auf eine eigene Hausmesse verzichten Sie auch bewusst.
Michael Dressen: Während andere von Digitalisierung nur reden, leben wir sie. Wir bieten unseren Vertriebspartnern und in bestimmten Bereichen auch deren Endkunden eine Vielzahl an Veranstaltungen, Trainings und Events an. Diese finden in verschiedenen Formaten online aber auch offline statt und finden guten Zuspruch. Beispielsweise gibt es für unsere exklusiven Workshops zur Digitalen Transformation meist Wochen vorher nur noch Plätze auf der Warteliste.
channelpartner.de: Welche Rolle spielt die Cloud bei Tech Data? Immerhin sind in den vergangenen zwei Jahren einige Anbieter auf Ihren Marktplatz aufgesprungen. Das Thema Security finde ich dort aber nach wie vor unterrepräsentiert.
Michael Dressen: Das kann durchaus sein. Wir sind da auf die Bereitschaft der Hersteller, auf unserer Plattform präsent sein zu wollen, angewiesen. Abgesehen von unserem Cloud-Marktplatz wachsen wir im Security-Segment fast dreistellig. Also machen wir in diesem Marktsegment schon einen sehr guten Job.
channelpartner.de: In der Cloud setzen Sie seit Neuestem nicht nur auf Microsoft Azure sondern auch auf AWS.
Michael Dressen:Genau! Dort stehen wir noch ganz am Anfang,(Tech Data rekrutiert derzeit verstärkt Cloud Solution Provider und bildet sie aus, Anm. d. Red.) Da müssen die Cloud Solution Provider (CSPs) ganz anders agieren als die klassischen Produkt-Reseller. Sie gehen zu ihren Kunden, die eigene Rechenzentren betreiben, und bieten ihnen die Möglichkeit an, diese Ressourcen - zumindest teilweise - in die öffentliche Cloud von Microsoft oder AWS auszulagern. Das ist schon eine Herausforderung - sowohl aus technischer als auch vertrieblicher Sicht. Denn diese Rechenzentrumsbetreiber müssen wiederum ihre eigenen Kunden für die Public Cloud begeistern und so von deren Nutzen überzeugen. Bei dieser Aufgabe werden wir unsere Vertriebspartner und CSPs künftig stärker unterstützen. Das ist auch notwendig, denn kein Kunde "kauft" so einfach mal Azure oder Produkte der AWS-Cloud.
channelpartner.de: Sie haben den Punkt "Digitalisierung" ja schon angesprochen.
Michael Dressen: Hier können wir schon konkrete Erfolge vorweisen, etwa im Rahmen unserer Kooperation mit dem MPS-Anbieter (Managed Print Services) printer4you.com, die vor einem Jahr abgeschlossen wurde (ChannelPartner berichtete). Hier wurden bereits über 1.000 MPS-Verträge unter Dach und Fach gebracht. Das ist unser erstes komplett durchdigitalisiertes Tool. Das ist mehr, als nur irgendwelche Excel-Dateien über eine Website zu editieren. Diese Kooperation haben wir nun auf andere Länder, zum Beispiel die Schweiz und den gesamten deutschsprachigen Raum, ausgeweitet.
Wenn sich das Wachstum so fortsetzt, dann wird dieses Geschäftsfeld in zwei bis drei Jahren sogar in den zweistelligen Millionenbereich vorstoßen, während andere gerade erst Aktionskomitees für Digitalisierung ins Leben rufen.
channelpartner.de: Dabei werden ja keine Logistikleistungen erbracht, kein Produkt von A nach B verschoben, sondern lediglich intelligente logische Verknüpfungen erstellt, etwa welche von den Systemen der Kunden in Rechenzentren irgendwo in der Welt.
Michael Dressen:Genau, und das wird zum essentiellen Bestandteil unser DNA werden. Wir werden auch noch in zehn Jahren ein Stück Metall von A nach B transferieren(Endgeräte, Anm. d. Red). Aber das Digital-Business wird massiv zulegen.
channelpartner.de: Könnten Sie das ein wenig mehr konkretisieren?
Michael Dressen: Projektanfragen von unseren Kunden leiten wir beispielsweise automatisch an die Hersteller weiter und die Angebote treten selbstständig und voll automatisiert den Retourweg an. Da sind keine Menschen mehr involviert. Hier möchte ich nochmal betonen, dass wir damit - noch ohne Avnet Technology Solution - unseren Umsatz, seit 2011, um 60 Prozent steigern und unsere Kosten um 30 Prozent senken konnten. Derartige Ergebnisse erzielt man nur im Zuge von massiven Digitalisierungsmaßnahmen.
Fachkräftemangel und die Zukunft der Distribution
channelpartner.de: Herr Dressen, wie begegnen Sie dem Fachkräftemangel?
Michael Dressen: In München ist das sicherlich eine Herausforderung, doch wir sind ja auch noch an anderen Standorten vertreten: in Leinfelden-Echterdingen, Trier, Braunschweig, Nettetal, Berlin und Wien. Dadurch sind wir örtlich flexibler geworden, was Neueinstellungen betrifft. Und man braucht heute nicht mehr alle Mitarbeiter unter einem Dach, sie sind ja auch ohne ein gemeinsames Gebäude hervorragend miteinander vernetzt - dank der modernen Technik.
channelpartner.de: Das geht sogar über Deutschland hinaus, oder?
Michael Dressen: Ja, bestimmte Business Units führen wir über die Länder hinweg. Das bringt eine beträchtliche Kostenersparnis mit sich.
channelpartner.de: Zurück zum Fachkräftemangel. Was unternehmen Sie konkret, um Young Potentials für sich zu gewinnen?
Michael Dressen: Wir haben unsere eigenen Recruiting-Programme. Wir bieten Duale Studienplätze, stellen viele Studienabgänger ein und führen mit ihnen unsere Trainee-Maßnahmen durch. Dabei stellen wir fest, dass nicht jeder Kandidat der "Shooting Star" ist. Deswegen ist es sehr schwierig, eine ausgeschriebene, fest definierte Position mit der Person zu besetzen, die über das notwendige Know-how verfügt - vor allem in den Marktsegmenten Security und Cloud.
Dennoch, wir öffnen uns neuen Recruiting-Methoden: Man kann zum Beispiel über Twitter eine Bewerbung an uns senden. Hinzu kommen Skype-basierte Interviews mit den Kandidaten. Hier leben wir die Digitalisierung vor.
channelpartner.de: Apropos Digitalisierung, zielen Ihren Anstrengungen in dieser Richtung auch darauf ab, mit möglichst wenig (menschlichem) Personal auszukommen?
Michael Dressen: Das ist auf der einen Seite sicherlich so, etwa im Bereich Logistik, oder beim Handling der Projektanfragen. Andererseits benötigen wir mehr Mitarbeiter, die unsere Reseller technisch unterstützen und beraten, etwa im Bereich Cloud, Artificial Intelligence und Security. Den Druckerverkauf kann ich dagegen weitgehendst automatisieren. Als ich vor zwanzig Jahren in der Distribution anfing, betrug der Umsatz pro Mitarbeiter 400.000 DM, heute sind es acht Millionen Euro. Und dieser Prokopf-Umsatz wird weiter steigen.
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channelpartner.de: GfK-Analysen zufolge haben sich die Geschäftsmodelle der Distribution in den vergangenen Jahren massiv gewandelt, die Distributoren sind für den SMB-Fachhandel weiter attraktiver geworden. Immer seltener bestellen diese Fachhändler die von ihren Kunden gewünschten Produkten im Retail. Trifft das Ihrer Erfahrung nach zu?
Michael Dressen: Wir hatten im SMB-Umfeld einen starken Zuwachs erlebt. Wir führen das aber nicht nur darauf zurück, dass diese Kunden früher im Retail eingekauft hätten. Wir wachsen auf Kosten unserer Wettbewerber.
channelpartner.de: Laut GfK sind Sie für die meisten Fachhändler nicht der präferierte Distributor. Tech Data wird aber sehr oft als die zweite Beschaffungsquelle betrachtet, wenn die gewünschten Ware bei Also oder Ingram Micro nicht erhältlich oder zu teuer ist.
Michael Dressen: Das ist auch unser Eindruck. Wir glauben, dass wir schneller wachsen als die beiden Mitbewerber, was nicht verwunderlich ist, weil die anderen als Platzhirsche eigentlich nur verlieren können. Wir sind hier "New Kids on The Block", die im Moment stark dazu gewinnen.
channelpartner.de: Bis Sie irgendwann die Nummer Eins sind?
Michael Dressen: Das sind wir heute schon, nur eben nicht in allen Produkt- und Vertriebsbereichen. Spätestens dann, wenn es so weit ist - auch bei den Endpoints - dann gehe ich in Rente. Aber so weit sind wir noch lange nicht!
channelpartner.de: Aus der bisherigen Wertschöpfungskette im Channel: Hersteller - Distributor -Reseller - Endkunde entsteht derzeit ein Wertschöpfungsnetz, in dem die einzelnen Player unterschiedliche Rollen einnehmen: Mal sind sie Kunde, mal Reseller und in anderen Szenarien Anbieter. Wo liegt da heute die Rolle der Distribution, und wie wird sie in zehn Jahren arbeiten, Herr Dressen?
Michael Dressen: Durch die Digitalisierung wird es viele Veränderungen geben. Mit printer4you.com und unserer Cloud-Plattform demonstrieren wir, dass man neues Business betreiben kann, ohne dem Channel untreu zu werden. Wie es in zehn Jahren aussehen wird, das ist schwierig zu beantworten. Bis 2020 sehe ich erstmals keine gravierenden Änderungen. Die Formen der Zusammenarbeit werden sich aber ändern. Hier sehe ich große Herausforderungen an die Kompetenzen unserer Partner, wobei viele von ihnen diesbezüglich hervorragende Arbeit leisten.
In der Cloud gehen manche Hersteller ihre Kunden direkt an, aber das funktioniert nur bei Consumern, etwa bei Apple, Facebook und Google. Wenn diese Hersteller aber ihre angestammten Bereiche verlassen, weil sie etwa Hardware (Google) vertreiben wollen, dann benötigen sie die Dienste der Distribution. Und daran wird sich, denke ich, in den nächsten fünf Jahren nichts ändern.
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