Bechtle hat im vergangenen Jahr ab dem dritten Quartal richtig an Fahrt gewonnen - mitten in den Sommermonaten, in denen die Branche gewöhnlich eher schwächelt. Was war der Grund?
Thomas Olemotz: Die Investitionsneigung der Industrie verbesserte sich deutlich. Während viele Unternehmen im ersten Halbjahr spürbar mit angezogener Handbremse unterwegs waren, kam dann mit verbesserten Konjunkturaussichten Zuversicht auf. In der Folge realisierten Kunden Projekte, die zuvor bereits in der Pipeline waren. Das ist die eine Seite. Die zweite Seite war mindestens ebenso wirkungsvoll: Wir haben auf den Ehrgeiz und die Motivation unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesetzt, nach einem eher verhaltenen ersten Halbjahr in der zweiten Jahreshälfte zu zeigen, was möglich ist. Das vierte Quartal hat uns im Vorstand dann salopp gesagt vom Hocker gehauen. Alle Achtung für diese Mannschaftsleistung.
Sie haben nach der Allianz mit dem US-amerikanischen Handelsunternehmen PC Connection angekündigt, das internationale Partnernetzwerk weiter ausbauen zu wollen. In welchen Ländern planen Sie die nächste Kooperation?
Olemotz: Wir haben unsere Fühler neben den USA in ganz unterschiedliche Richtungen ausgestreckt - darunter Kanada, Asien, Nordeuropa. Wir führen konkrete Gespräche mit einer guten Handvoll möglicher Partner und tauschen uns dazu auch sehr offen mit unseren großen Herstellerpartnern aus. Denn die Hersteller haben in der Regel einen sehr guten Einblick in Performance, Zuverlässigkeit und Prozessqualität ihrer Reseller, sie kennen außerdem das Management. Deshalb ist uns die Einschätzung wichtig.
Durch die Kooperation mit PC Connection hat sich Bechtle im E-Commerce-Bereich außerhalb Europas ein Standbein geschaffen. Planen Sie im zweiten Schritt, die Allianz auf das Infrastrukturgeschäft zu erweitern?
Olemotz: Das wäre ein nächster logischer Schritt.
Das Systemhaussegment, das bei Bechtle neben dem Infrastrukturgeschäft auch Cloud und Managed Services umfasst und inzwischen zwei Drittel zum Gruppen-Umsatz beisteuert, legte 2013 in Deutschland um elf Prozent zu. Angesichts der Entwicklung im IT-Gesamtmarkt müssen Sie also Marktanteile gewonnen haben. Kampfpreise können dafür nicht die Ursache sein, sonst hätten Sie nicht gleichzeitig die EBIT-Marge auf 3,7 Prozent erhöhen können. Woran lag es also?
Olemotz: Die Gründe sind sehr breit gefächert. Das Segment hat zum einen von der hohen Nachfrage im Inland, der guten Wettbewerbsposition und dem Beschäftigungszuwachs sowie von den umfangreichen Qualifizierungsmaßnahmen profitiert. Zum anderen aber haben wir uns in den vergangenen Monaten durch die Übernahme von rund 60 IBM-Mitarbeitern und dem Kauf der Amaras AG mit weiteren 33 Mitarbeitern deutlich im Bereich Managed Services verstärkt. Wir konnten zudem unseren Geschäftsbereich Software und Anwendungslösungen durch die Übernahme des Microsoft-Partners Viritim und des 3D-CAD-Spezialisten Planetsoftware ausbauen. Und nicht zuletzt haben wir auch im vergangenen Jahr enorm in die Weiterbildung und den Ausbau unserer Mitarbeiter investiert. Wir sind überzeugt, dass wir die technologischen Veränderungen, aber auch den Generationswandel, der sich am Markt abzeichnet, nur mit der kontinuierlichen Entwicklung unserer Mitarbeiter stemmen können. Das ist eine Schlüsselgröße.
Ein Systemhaus muss Gewinne einfahren
Die Investitionen in den Personalausbau hatten in den vergangenen sechs Quartalen immer wieder auf den Gewinn gedrückt. Investoren wollen aber doch in der Regel jedes Quartal gute Erträge sehen. Wie groß war der Druck?
Olemotz (schmunzelt): Wenn der Gewinn über einen gewissen Zeitraum belastet ist, sind in der Tat überzeugende Argumente gefragt - sicher nicht immer einfach. Aber Mitarbeiter sind für uns das wichtigste Kapital. Dass dieser Weg der richtige war, zeigen die aktuellen Zahlen. Wir werden auch künftig weiter in die Mitarbeiterentwicklung investieren, allerdings nicht mehr in der Geschwindigkeit wie noch im Jahr 2012. Die Dynamik hat sich hier bereits seit dem dritten Quartal letzten Jahres spürbar verringert.
Welchen Anteil am gesamten Systemhausbereich hat das Geschäft mit Managed Services und Cloud bei Bechtle?
Olemotz: Wir schlüsseln den Umsatz nicht nach diesen Bereichen auf. Wir erbringen Managed Services ja nicht nur durch unsere zentralen Einheiten in der Bechtle Managed Services AG, sondern auch durch unsere 65 Systemhäuser. In vielen Projekten spielen Managed Services eine Rolle - und diese Projekte in Infrastruktur- und Serviceumsätze aufzugliedern, macht keinen Sinn. Ganz ähnlich sieht es mit Cloud Computing aus. Ist ein Virtualisierungsprojekt ein Cloud-Umsatz, weil es das Rechenzentrum ‚cloud-ready‘ macht? Cloud Computing ist eine evolutionäre Weiterentwicklung in unserer Branche. Warum sollten wir ein Geschäft, das sich natürlich weiterentwickelt, gesondert ausweisen?
Wir verfügen über die eigene Private-Cloud-Lösung "Build your own cloud" und über die höchsten Zertifizierungen aller namhaften Hersteller in diesem Umfeld. Wir haben mit Bechtle Secure Cloudshare eine Alternative zu herkömmlichen Filesharing-Lösungen auf den Markt gebracht, sind Citrix Cloud Advisor und waren der erste deutsche Systemhauspartner, der mit Microsoft ein gemeinsames Modell für den Einstieg in die Private Cloud anbot. Gut 75 Kunden beziehen Cloud-Services von Bechtle, Tendenz steigend.
Weshalb fragen Ihre Kunden verstärkt nach Cloud-Services?
Olemotz: Getrieben wird die Nachfrage momentan vor allem durch die schnelle Verbreitung der mobilen Lösungen. Wir machen um unsere Erfolge allerdings keinen großen Wirbel. Mancher Wettbewerber unterschätzt deshalb den Anteil, den wir heute schon mit Managed Services und mit Cloud-Lösungen erwirtschaften. Das behalten wir auch gern so bei. Vielleicht ist es unser schwäbisches Naturell, dass wir lieber unbemerkt im Windschatten wachsen.
Inwiefern hat der NSA-Skandal dazu beigetragen, Ihr Cloud- und Managed-Services-Geschäft zu stärken?
Olemotz: Erkennbar ist eine stärkere Sensibilisierung der IT-Verantwortlichen vor allem an der steigenden Nachfrage nach Security-Workshops und Sicherheitskonzepten. Bei Mobility-Projekten setzen Kunden grundsätzlich ein Security-Konzept voraus - als reines Hardwaregeschäft kommen diese Projekte gar nicht erst zustande. Ob uns die NSA-Affäre letztlich zusätzliche Umsätze beschert hat, lässt sich allerdings nicht eindeutig sagen.
Wird ein Großteil des klassischen Systemhausgeschäfts langfristig in die Cloud abwandern?
Olemotz: Momentan sehe ich das nicht. Jede Anwendung braucht auch eine Infrastruktur, auf der sie laufen kann. Jede Datei wird von einem Endgerät aufgerufen. Erstaunlicherweise sind die Umsätze im PC-Bereich bei uns nicht eingebrochen. Im Gegenteil. Das Handelsgeschäft ist noch immer sehr profitabel. Sie müssen das Geschäft nur realisieren können. Unser Vorteil gegenüber Wettbewerbern ist, dass wir nah am Kunden agieren. Deshalb setzen wir mit unseren 65 Systemhäusern auch weiterhin auf Dezentralität.
Zum Video: "Wir machen um unsere Cloud-Erfolge keinen großen Wirbel"
Sehen Sie darin auch eines der Alleinstellungsmerkmale von Bechtle?
Olemotz: Ja, denn an erster Stelle steht ganz klar die Nähe zum Kunden. Keine "gefühlte" Nähe, sondern tatsächlich räumliche Nähe - es gibt kein zweites Unternehmen mit einer annähernd vergleichbaren Flächendeckung in der DACH-Region. So banal es klingt, so wahr ist es: Geschäft wird auch in unserer Branche zwischen Menschen gemacht. Und da ist das Systemhaus vor Ort einfach vertraut und der im wahrsten Sinn naheliegende Partner. Die Begegnung auf Augenhöhe, die schnelle Erreichbarkeit, das Sprechen der gleichen Sprache sind durchaus wichtige Entscheidungskriterien. Das ist die menschliche Seite unseres Geschäfts.
Was Bechtle auszeichnet
Wo unterscheiden Sie sich darüber hinaus von anderen Anbietern?
Olemotz: Neben der Kundennähe sehe ich die hohe Qualifikation unserer Mitarbeiter als weiteres Alleinstellungsmerkmal. Die Zahl der Zertifizierungen in den unterschiedlichsten Gebieten - allen voran Virtualisierung, Networking Solutions oder IT Security - ist europaweit hervorragend. Jetzt könnte ich noch eine ganze Reihe weiterer gleichgewichtiger Merkmale aufzählen, greife aber die Breite unseres Portfolios heraus. Uns ist das klassische Infrastrukturgeschäft und Client Management genauso lieb wie Cloud Computing und Big Data. Eine starre Fokussierung auf einen Aspekt der IT ist aus unserer Sicht nicht erfolgversprechend.
Wo liegen die besonderen Stärken der Bechtle-Gruppe?
Olemotz: Wir decken die technologische Kompetenz genauso perfekt ab wie die logistischen Prozesse. Wir sind bei Großprojekten wie etwa den Rahmenverträgen mit der Europäischen Kommission genauso gut wie bei effizienten Rollout-Projekten für das mittelständische Unternehmen aus der Nachbarschaft. Wir heben nicht ab, sondern leben Werte wie Zuverlässigkeit und Bodenhaftung in unseren Projekten - auch das ist eine Stärke. Und wir sind finanziell absolut solide aufgestellt. Das macht uns zum stabilen Partner unserer Kunden, es versetzt uns aber auch in die Lage, Chancen am Markt für weiteres Wachstum zu nutzen.
Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?
Olemotz: In einem dynamischen Markt wie der IT kommen Sie nie an ein Ende bei der Entwicklung. Wenn Sie denken, Sie sind bis zum Anschlag zertifiziert, mehr geht nicht, dann kommt die nächste Innovation um die Ecke. "Immer am Ball bleiben" kann hier nur die Devise lauten. Und: Unser Marktanteil liegt im kleinen einstelligen Bereich - das ist ein Entwicklungspotenzial, auf das ich mich jetzt schon freue.
Analysten schätzen, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa leicht verbessern werden und rechnen mit einem Wachstum von 1,4 Prozent. Der IT-Markt soll sich erneut besser entwickeln als die Gesamtwirtschaft mit einem Plus von 3 Prozent, in von 2,6 Prozent. Sind Sie ebenfalls so zuversichtlich?
Olemotz: Unsere Zahlen in den ersten Monaten 2014 scheinen diese positiven Erwartungen zu bestätigen. Wir gehen davon aus, dass sich unser Geschäft schneller als der Branchendurchschnitt entwickelt und wir weiter Marktanteile gewinnen werden. Akquisitionen und Internationalisierung sind dabei unverändert Teil unserer Wachstumsstrategie. Auch bei Gewinn und Marge wollen wir uns erneut verbessern. Bechtle ist sicher auch 2014 für positive Nachrichten gut.