Nach Jahren als Vertriebsspezialist bei Metro, E-Plus und der Tech-Data-Tochter Brightstar hat Markus Rockstädt-Mies 2007 den Online-Händler Getgoods gegründet und damit eine spektakuläre Wachstumsgeschichte hingelegt. Doch das Unternehmen, das 2012 einen Umsatz von 402 Millionen Euro erzielte, begleiten immer wieder Gerüchte – über eine zu enge Herstellernähe und einen angeblichen geheimnisvollen Investor aus dem Media-Saturn-Umfeld. Im Interview mit ChannelPartner will Geschäftsführer Markus Rockstädt-Mies nun mit den Spekulationen aufräumen und die Erfolgsstrategie von GetGoods erklären.
Nach starken und zum Teil dreistelligen Wachstumszahlen hat GetGoods im ersten Quartal 2013 erstmals einen Umsatzrückgang hinnehmen müssen. Von einer "Wachstumsdelle" wollen Sie aber trotzdem nicht sprechen. Warum?
Markus Rockstädt-Mies: Weil es sich dabei nur um eine Umsatzverschiebung handelt. Wir hatten in diesem Jahr im ersten Quartal ein fehlendes Ostergeschäft. Außerdem sind Produktneuheiten wie zum Beispiel ein neues iPhone mit dem ganzen Hype dahinter immer ein großer Faktor, der im ersten Quartal ebenfalls ausblieb. Aber seit April/Mai sind die Umsätze wieder da und wachsen wir auch wieder entsprechend stark.
In Ihrer Quartalsmitteilung hatten Sie die enttäuschenden Umsätze unter anderem mit der späten Markteinführung des neuen Samsung S4 erklärt – eine Begründung, die nicht gerade geeignet ist, die von Ihren Wettbewerbern geäußerten Vorwürfe zu entkräften, bei GetGoods handele es sich um eine Art Samsung-Subdistributor.
Rockstädt-Mies: Ich sage es ganz klar: Diese Gerüchte sind Bullshit. Es stimmt zwar, dass wir in den ersten ein, zwei Jahren stark mit Samsung zusammengearbeitet haben. Aber als wir 2007 gestartet sind, hatte Samsung noch gar nicht so einen exorbitanten Marktanteil. Inzwischen sind wir nicht nur ein Player von Samsung, sondern auch von vielen anderen großen Brands – und das neben dem TK-Bereich auch zum Beispiel im IT- und TV-Geschäft.
Dennoch ist es naheliegend, dass das starke Wachstum von Getgoods nicht nur auf das Comsumer-Geschäft zurückzuführen ist. Ist es richtig, dass distributionsähnliche Tätigkeiten einen großen Teil Ihres Geschäfts ausmachen?
Rockstädt-Mies: Natürlich haben wir das B2B-Geschäft genauso nimmt der B2B-Bereich aber auch bei allen unseren Wettbewerber eine große Rolle ein. Vom Wachstum her ist unser B2C-Geschäft inzwischen mindestens so stark wie der Business-Bereich. Was den B2B-Anteil am Gesamtgeschäft betrifft, sehe ich uns auf einem Niveau mit Wettbewerbern wie Notebooksbilliger.de und Cyberport.
Wenn es also nicht das Business-Geschäft ist, das Sie vom Wettbewerb unterscheidet – wie haben Sie es dann geschafft, trotz recht spätem Eintritt in den Online-Markt so schnell zu wachsen? GetGoods erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2008 noch weniger als 10 Millionen Euro, lag drei Jahre später bereits bei 322 Millionen Euro und steigerte sich 2012 schließlich auf 402 Millionen Euro.
Rockstädt-Mies: Schauen Sie sich einmal die Umsatzsprünge von Notebooksbilliger.de und anderen an: Nicht nur wir sind in den vergangenen Jahren exorbitant gewachsen, sondern der ganze Markt ist seit dem Zeitpunkt, an dem wir angefangen haben, explodiert. Wir hatten einfach das Glück, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren. Den Umsatzverlauf, den wir in den vergangenen Jahren hatten, haben auch andere so erlebt.
Für das laufende Jahr haben Sie eine Steigerung auf 480 Millionen Euro in Aussicht gestellt, später sogar von einer halben Milliarde Euro gesprochen. Sind diese Prognosen noch aktuell?
Rockstädt-Mies: Ja, die 500 Millionen Euro machen wir in diesem Jahr definitiv.
Auf der nächsten Seite geht es u.a. um die Frage, wer der ominöse Investor von GetGoods ist.
Umsatzsprünge, Investoren und Übernahmen
Für ein Unternehmen, das sich bereits seit mehreren Jahren am Markt befindet, bedeuten Umsatzsprünge im dreistelligen Millionenbereich allerdings etwas anderes, als für einen Newcomer. Wie solide ist Ihre Geschäftsentwicklung? Was würde es für GetGoods bedeuten, wenn das Wachstum nicht nur für ein Quartal, sondern einmal für zwei oder drei Quartale in Folge aussetzt?
Rockstädt-Mies: Wir sind profitabel und sehen uns deshalb auf einem guten Weg. Wir haben in der letzten Zeit noch einmal Kostenoptimierungsmaßnahmen durchgeführt und konnten beispielsweise auch Ausgaben für SEO-Maßnahmen eindampfen – aufgrund des hohen Wiedererkennungswerts, den Getgoods inzwischen hat. Natürlich könnten wir noch viel mehr wachsen, wenn wir nicht auf die Profitabilität achten würden, aber das ist eine andere Sache.
Der Einstieg eines finanzstarken Investors könnte Ihnen hier einige Sorgen abnehmen. Was ist an Übernahmegerüchten dran, die sich hartnäckig um GetGoods halten?
Rockstädt-Mies: Wissen Sie, ich hätte GetGoods schon mindestens drei Mal verkaufen können. Aber ich habe jedes Mal Nein gesagt. Entweder weil ich nicht an die Philosophie der jeweiligen Interessenten geglaubt habe oder weil die Konzepte nicht übereingestimmt haben. Für uns steht auch 2013 im Mittelpunkt, dass wir uns auf unser Geschäft konzentrieren und unsere Entwicklung weiter vorantreiben.
Seit der Anfang 2013 von Getgoods durchgeführten Kapitalerhöhung gibt es aber einen ominösen "institutionellen Investor", der rund 20 Prozent der Anteile an Ihrem Unternehmen hält. Gerüchten zufolge könnte es sich dabei um Media-Saturn-Gründer Erich Kellerhals handeln. Warum sorgen Sie hier nicht für mehr Transparenz?
Rockstädt-Mies: Wir bleiben dabei, dass wir das zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren. Es stimmt, wir haben einen Investor, der Anfang 2013 vier Millionen Aktien gezeichnet hat. Aber wir sagen erst dann, wer es ist, wenn der geeignete Moment da ist.
Diese ganzen Gerüchte, die da von außen eingestreut werden, schaden letztlich nur unserem Unternehmen. Denn egal, wer der Investor ist: Wenn wir zu früh einen Namen nennen, würde uns das nur Nachteile bringen – einkaufsseitig oder auch in Bezug auf unsere Börsennotierung. GetGoods ist nun einmal unter den Elektronikversender das einzige am Kapitalmarkt aktive Unternehmen.
Hätten Sie überhaupt Interesse an einem Einstieg von Herrn Kellerhals und Media-Saturn bei GetGoods? Wenn man betrachtet, wie schwach sich Redcoon seit der Übernahme durch die MSH entwickelt hat, handelt es sich dabei ja eher um ein abschreckendes Beispiel.
Rockstädt-Mies: Wir sind deshalb so gut, weil wir so frei sind. Obwohl wir eine gewisse Größe erreicht haben, sind wir noch immer sehr flexibel – und das zeichnet uns aus.
Wenn man dagegen wie Redcoon einen Investor wie Media-Saturn hat, bei dem auch noch die Geschäftsführer der ganzen Märkte mitreden, ist es klar, dass dabei Konflikte für die Strategie entstehen. Dass wir Mitte 2012 einen Einstieg von Media-Saturn geprüft haben, haben wir ja bereits öffentlich gemacht. Wir hatten eine Due Diligence, die zu beenden wir gemeinsam entschieden haben.
Umgekehrt haben auch Sie für das laufende Jahr Übernahmepläne angekündigt. Sind diese nun mit dem Kauf des B2B-Onlineshops Xgsm.com erledigt oder dürfen wir uns auf weitere Akquisitionen einstellen?
Rockstädt-Mies: Es ist definitiv noch etwas im Busch. Spätestens bis Ende August werden Sie von ein oder zwei weiteren Akquisitionen von uns hören. Wir kaufen genau dort zu, wo wir noch Kompetenzen brauchen.
Gerade dieser Aspekt erscheint bei der Xgsm-Übernahme allerdings etwas fraglich: Sie haben einen Spezialisten für das B2B-Geschäft zugekauft – obwohl GetGoods erklärtermaßen in diesem Bereich bereits selbst über ein starkes Standbein verfügt.
Rockstädt-Mies: Da steckt nichts Großes dahinter. Wir mussten die Akquisition nur öffentlich machen, da wir börsennotiert sind. Es geht uns darum, dass wir den B2B-Bereich in die neue Gesellschaft ausgliedern, damit man genau sieht, was auf der einen Seite unser Business-Geschäft ist und wie wir auf der anderen Seite den B2C-Bereich sukzessive ausbauen. Als Alternative zur Übernahme von Xgsm.com hätten wir im Prinzip genauso gut eine eigene Vorrats-GmbH gründen können. Aber die Xgsm war nun schon einmal da und bringt auch ein gewisses Volumen im B2B-Bereich mit.
Auf der nächsten Seite geht es u.a. um die Frage, warum GetGoods zum Vollsortimenter werden will.
Bohrmaschinen, Gartenmöbel und Markenpositionen
Als strategisches Ziel im Endkundengeschäft haben Sie wiederholt den Ausbau zum Vollsortimenter bezeichnet. Wie kann man sich das im Detail vorstellen?
Rockstädt-Mies: Als erstes werden wir Schritt für Schritt unser Shop-Design überarbeiten und neu gestalten. Vieles, was wir anbieten, ist zurzeit noch kaum sichtbar. Unsere Kunden sollen unser Sortiment neu wahrnehmen. Und dazu werden in Zukunft auch zum Beispiel Fashion-Artikel und Werkzeuggeräte dazugehören, aber auch in die Bereiche weiße Ware / braune Ware werden wir noch viel tiefer gehen.
Aber warum sollten die Kunden ausgerechnet bei GetGoods Modeartikel und Bohrmaschinen kaufen? Dazu gibt es im Netz bereits spezialisierte Spartenanbieter und als Allrounder hat Amazon mit seinem starken Kundenservice eine überragende Stellung.
Rockstädt-Mies: Wir wollen genauso ein Qualitätsanbieter werden wie Amazon und unseren Kunden einen guten Service bieten. Zudem gehen wir mit dem Einkauf so tief in die neuen Bereiche rein, dass Sie bei uns alles finden werden. Wir wissen, dass das ein sehr großer Aufwand ist. Aber wir sind bereit, diesen aufzubringen. Wir haben bereits 28 Mann im Einkauf und suchen noch weiter nach Profis.
Die Entwicklung vom Smartphone-Spezialisten zum Verkäufer von Waschmaschinen und Gartenmöbeln stellt auch für die Logistik eine Herausforderung dar. Nachdem die Übernahme eines leerstehenden Fabrik-Areals in Frankfurt an der Oder gescheitert ist, bauen Sie in der Heimatstadt von GetGoods nun selbst neue Logistikkapazitäten. Werden Sie es schaffen, hier mit Ihrer Umsatzentwicklung Schritt zu halten?
Rockstädt-Mies: Wir gehen davon aus, dass unser neues Logistikzentrum zum 1. Oktober beziehbar ist. Und wenn es doch zu Verzögerungen kommen sollte, haben wir bereits einen Plan B als Ausweichmöglichkeit. Wie uns Frankfurt an der Oder nach dem Scheitern unserer ursprünglichen Logistikpläne unterstützt hat, ist einfach sensationell. Wir haben nun eine optimale Lösung, bei der wir nicht einmal als Bauherr der neuen Kapazitäten auftreten, sondern diese nur anmieten. Zudem lässt sich das Logistikzentrum jederzeit ausbauen und ist prinzipiell bis 80.000 Quadratmeter erweiterbar. Alles muss man ohnehin überlegen, ob eines Tages nicht mehrere dezentrale Logistikstandorte sinnvoll sind.
Gehört zu Ihren Umbauplänen auch ein Lagershop? Bisher haben Sie sich ja vehement gegen eine Multi-Channel-Strategie ausgesprochen.
Rockstädt-Mies: In Frankfurt an der Oder werden wir einen ersten Abhol-Store aufmachen. Wir überlegen zudem, 2014 in fünf bis sechs deutschen Großstädten eigene Stores zu eröffnen. Allerdings keine aufwändigen Ladengeschäfte, sondern eher etwas nach dem Prinzip kurz und bündig. Vorstellbar ist, dass wir das selbst machen, aber auch dass wir uns dafür einen Partner suchen, mit dem man die Stores gemeinsam betreiben kann.
Wie kam es zu diesem Meinungswandel in Sachen stationärer Handel?
Rockstädt-Mies: Fakt ist, dass es einen gewissen Prozentsatz Kunden gibt, der nicht warten will, bis DHL seine Bestellung liefert und der auch nicht online bezahlen oder Geld per Vorkasse überweisen will. Diese Kunden könnten wir mit einem Abhol-Store "abholen". Wir wollen nicht in den stationären Handel wie zum Beispiel Cyberport. Uns geht es eher um so etwas wie die Hermes Shops, in denen man ja auch Waren abholen und stationär bezahlen kann.
Auch online haben Sie neben GetGoods mit Home of Hardware (HOH) und Handyshop.de mehrere Standbeine. Wie positionieren Sie die unterschiedlichen Marken?
Rockstädt-Mies: Wir haben mit GetGoods ein Misch-Kaufhaus als Dachmarke und dazu die einzelnen Spezialmarken: HOH, das sehr IT-lastig ist, Handyshop.de und bald auch weitere Shops. Die Idee ist, dass es in den einzelnen Shops immer nur ein spezielles Sortiment gibt, während bei GetGoods alles angeboten wird.
Zählt zu dieser Strategie auch Ihr neues Urlaubsportal Getgoods Reisen? Die Whitelabel-Lösung wirkt allerdings nicht wie eine ernsthafte Konkurrenz für Expedia, Opodo und Co.
Rockstädt-Mies: Uns geht es dabei nicht darum, ein großer Player im Reisegeschäft zu werden. Vielmehr geht es darum, wie sich die Themen zusammenbringen lassen. Also zum Beispiel die Zugewinne, die sich durch einen Reisegutschein als Goody für einen Getgoods-Kunden erzielen lassen.
B2B- und B2C-Geschäft, Sortimentserweiterung und Multi-Shop-Konzept – in diesem Gespräch haben Sie einen guten Einblick in die Strategie von GetGoods gegeben. Warum bemühen Sie sich nicht öfters um ein vergleichbares Ausmaß an Transparenz und Seriosität?
Rockstädt-Mies: Es stimmt, wir haben uns in der Vergangenheit oft zu sehr versteckt. Aber unser Ziel ist es, künftig keine Geheimnisse mehr zu haben – denn wir haben das nicht nötig. (MH)