Ihr Vorgänger, Bernd Heinrichs, war für das Partnergeschäft und das untere Mittelstandssegment zuständig. Warum hat Cisco die Verantwortlichkeiten wieder getrennt?
Carsten Heidbrink: Bei Cisco gab es immer einen Partnerverantwortlichen. 90 Prozent des Cisco-Geschäfts läuft über Partner, also ist es praktisch das Gesamtgeschäft. Wir haben vor zwei Jahren eine Ausnahme gemacht, weil wir sagten, es gibt so viele Synergien zwischen Channel- und unterem Mittelstandsvertrieb, da ist es vielleicht ganz gut, dass jemand die Vertriebsmannschaft im unteren Mittelstand auf der Endkundenseite mit steuert. Das ist ok, das kann man zwar machen, aber schöner ist doch, dass man das wieder auflöst. Ich habe den Partnervertrieb übernommen und mein Kollege Thomas Mierschke hat den unteren Mittelstand übernommen.
Cisco restrukturiert zurzeit ja, was das Zeug hält. Was genau erhoffen Sie sich von der Reorganisation in Europa?
Heidbrink: Das ist die logische Konsequenz von dem, was wir weltweit getan haben. Wir haben gesagt, wir wollen uns auf fünf Segmente konzentrieren, die Zahl der Regionen von neun auf drei reduzieren, nämlich Asien, Amerika und EMEA, um den Management-Layer zu verschlanken und Wege zu verkürzen. Wir reduzieren uns auf zwei Go-to-Market-Modelle, nämlich Customer-led, wo wir sehr stark die Agenda beim Kunden setzen, und Partner-led. Das ist die logische Konsequenz und Chris Dedicoat wurde für den EMEA-Bereich berufen und hat dann natürlich seine Cluster nicht übertrieben schmal gebaut.
Aber Sie sind für Deutschland zuständig?
Heidbrink: Absolut, wir wollen die Regionen wieder stärken, davon weg kommen, dass alles in Boards und Councils entschieden wird. Die Managementstruktur ist aus meiner Sicht sehr einfach, es gibt einen Verantwortlichen für den Partnervertrieb, und es gibt für die Sales-Segmente jeweils einen Chef.
Das heißt, Sie haben eine Querschnittsfunktion?
Heidbrink: Das haben wir immer schon so gehalten, das ist immer schone eine Querschnittsfunktion gewesen. Alles im Enterprise-Geschäft wird mit Partnern bedient, da gab es immer schon einen Partnervertrieb, der hat die Aufgabe, mit dem Partner zusammen Servicemodelle zu entwickeln. Ein Partner-Acocunt-Manager hat die Aufgabe, mit dem Partner eine Einigung zu erzielen, wo wir gemeinsam hinein investieren. Viele Partner sind ja mehr an den Services interessiert, die sie um unsere Produkte herumbauen.
Sie waren vorher für den Bereich Collaboration zuständig. Was hat Sie an der Aufgabe des Channel-Verantwortlichen interessiert?
Heidbrink: Cisco ist um den Partnervertrieb herum gebaut worden. Es geht nur und ausschließlich mit dem Partner. In den 12 Jahren, in denen ich Cisco kenne, ist die Art wie wir Service-Entwicklung machen, ein Alleinstellungsmerkmal, wenn ich das mit anderen IT-Anbietern im Markt vergleiche. Ein Service wird beispielsweise gemeinsam mit einem Provider entwickelt und dann machen wir etwas Bemerkenswertes: Wir zahlen nicht nur den Teams, die die Infrastruktur des Service Providers betreuen, Provision, sondern auch den Leuten die den Service auf der Endkundenseite vertreiben. Das heißt, die erfolgreiche Positionierung eines Service beim Endkunden wird auf beiden Seiten von uns incentiviert und damit ist man natürlich viel enger mit dem Partner zusammengeschweißt und das ganze Model gründet sich um den Partner herum.
"Channel-Konflikte gibt es nicht"
Channel-Konflikte sind also ausgeschlossen?
Heidbrink: Aus meiner Sicht kann es das nicht geben, nicht in der Form, dass wir anfangen, direkt zu verkaufen und der Partner überrascht wäre. Es gibt eine oder zwei Hände voll Kunden, wo wir von vornherein dem Partner sagen, wir haben mit dem Kunden was vor, wir wollen beispielsweise eine komplexe Campus-Infrastruktur aufbauen, wir möchten in die Infrastrukturberatung tiefer einsteigen. Das ist aber in aller Regel etwas, das vom Tag eins mit dem Partner abgestimmt ist und auch über den Partner verkauft wird. Das hängt natürlich auch davon ab, wie der Kunde das will, aber da ist kein Partner überrascht. Im Gegenteil, in vielen Fällen wird es vom Partner geschätzt, weil sich oft viele Service-Opportunities ergeben, die wir gar nicht liefern können und wollen.
Klingt traumhaft, gibt es denn auch Dinge im Cisco-Channel, die besser laufen könnten?
Heidbrink: Womit Partner zu Recht unzufrieden sind, ist die Reaktionsgeschwindigkeit und die Art, wie wir in Deutschland Entscheidungen treffen. Das ist ja ein Grund, warum Cisco sich stark verschlankt und viel Verantwortung in die Länder zurückgibt. Wir machen sehr viele Programme, die alle gut gemeint sind, die dem Partner helfen sollen, das, was sie investieren auch differenziert in den Markt zu bringen. die sind häufig so komplex, dass sie keiner mehr versteht. da haben wir Aufräumbedarf.
Was haben Sie sich denn für die ersten 100 Tage vorgenommen?
Heidbrink: Ich hab die ersten 100 Tag meine Ohren nur auf Eingang gestellt. Ich besuche gerade die 30 größten Partner in Deutschland und höre mir im Detail an, ob das, was ich vermute, auch zutrifft. Wir werden sehr laut in Richtung Corporation zurückspiegeln, welche Programme wir möchten und welche wir nicht mehr haben wollen. Da müssen wir aufräumen. Es kann nicht sein, dass Partner mehrere Mitarbeiter beschäftigen müssen, um durch Cisco-Programme durchzusteigen, die haben ja ihre eigene ERP-Lösungen und Preisstellungssysteme und müssen das alles einpflegen und wenn wir etwas ändern, muss das wieder eingepflegt werden. Da werden wir aufräumen, das muss klarer und schlanker werden. Wo ich heute nicht so viel Bedarf spüre, ist die Geschwindigkeit in der Abstimmung und Verlässlichkeit, da sind wir besser geworden. Der Kunde hat immer die freie Wahl, das müssen wir natürlich akzeptieren.
Werden sie an den Projektregistrierungsprozessen etwas ändern?
Heidbrink: Ich sehe da zumindest zurzeit keinen Riesendruck darauf. Es gibt ein Programm im unteren Mittelstand namens OIP, das einfach das frühe Anzeigen von Neugeschäft möglich macht. Das wird auch intensiv genutzt.
Sie sprechen zurzeit mit vielen Partnern, was treibt den Channel Ihrer Erfahrung nach besonders um?
Heidbrink: Im positiven Sinne sind es die Möglichkeiten im Rechenzentrum mit Virtualisierungsstrategien. Als wir mit dem Unified-Computing-System auf den Markt gekommen sind, haben sich alle kaputt gelacht. Jetzt wollen die Jungs auch noch Server bauen - so ein schlechtmargiges Geschäft in einem komplett belegten Markt, hieß es. Heute sind wir weltweit Nummer drei im Blade-Server-Markt und Nummer zwei in USA, obwohl wir relativ restriktiv in unseres Partnerwahl waren. Wir haben jetzt aber entschieden, mit den Lösungen sehr stark in den Mittelstand hineinzugehen. Das wird sich auch auf der Zertifizierungsseite widerspiegeln.
In Deutschland boomte in den vergangenen beiden Jahren das Geschäft. Ist dieser Trend ungebrochen oder drücken die Hiobsbotschaften aus Griechenland und anderen Ländern in der Euro-Krise auf die Investitionsbereitschaft?
Heidbrink: Wir haben zurzeit in Deutschland überhaupt keinen Grund, uns über die Investitionsbereitschaft unserer Kunden zu beschweren. Bei Kommunikationslösungen und WLAN-Systeme haben wir bei den Marktanteilen ein All Time High. (haf)