Fernsteuerung

Windows, macOS und Linux auf dem iPad (Pro) nutzen

27.07.2017 von Christian Rentrop
Windows 10, Linux und macOS auf dem iPad zu installieren ist für viele Anwender ein Traum. Leider erlaubt Apple diese Möglichkeit nicht ab Werk. Doch es gibt einen Workaround, mit dem Sie Windows und macOS trotzdem auf dem Apple-Tablet nutzen können.
iPad als vollwertigen Computer nutzen
Foto: Apple

Das iPad ist eine wunderbare Hardware, doch an der iOS-Software scheiden sich die Geister: Die einen lieben die einfache Bedienung und die hohe Sicherheit, die anderen möchten das Tablet aufgrund seiner an manchen Stellen doch sehr unflexiblen Bedienung am liebsten in die Ecke feuern. Apple hat jedoch Besserung versprochen und in der Tat scheint iOS 11 das Potenzial zu haben, das iPad Pro mehr denn je zu einem Notebookersatz zu qualifizieren. Vor allem das neue Multitasking sollte seine Freunde finden, Drag-and-drop von Inhalten zwischen Programmen wird möglich und die neue Dokumente-App kommt ähnlich wie der Finder daher. Dazu ist das iPad Pro 10,5 ein kleines Stückchen größer geworden, so dass das zugehörige Smart Cover eine Tastatur in voller Größe enthalten kann – per Definition müssen dafür mindestens 17 Millimeter zwischen den Mittelpunkten der Tasten liegen.

Dennoch wünschen viele Anwender, ein anderes Betriebssystem – am besten macOS oder wenigstens Windows 10 – auf dem Tablet installieren zu können, doch Apples geschütztes iTunes-Ökosystem erlaubt derlei Spielereien nicht. Anders als beim Mac ist dieser Weg also verschlossen – selbst wenn das iPad mit einem Jailbreak befreit werden sollte.

In solchen Fällen gab es allerdings eine Zeitlang eine direkte Methode: Das Tool Bochs aus dem Cydia-Store erlaubte die Installation von Linux und Windows direkt auf dem iPad. Mangels funktionierenden Jailbreaks und der zusehends schrumpfenden Jailbreak-Szene wurde es allerdings lange nicht mehr weiterentwickelt und läuft schon seit iOS 9 nicht mehr. Diese Option entfällt also.

Fernzugriff statt direkter Installation

Was jedoch geht, ist Windows, Linux und macOS per Fernzugriff auf das iPad zu holen. Alles, was Sie dazu benötigen, ist ein normal installierter Mac oder PC und eine App auf dem iPad, die den VNC-Standard unterstützt. Innerhalb eines flotten WLANs können Sie so Desktop-Betriebssysteme direkt auf dem iPad verwenden, was einer lokalen Installation in der Praxis dann schon sehr nahe kommt.

Der Clou: Mit den richtigen Einstellungen im Router können Sie auch über das Internet auf Ihr persönliches „Cloud-Betriebssystem“ zugreifen und vom iPad aus weltweit alle Funktionen eines stärkeren, vollwertigen Rechners verwenden, der in Ihren eigenen vier Wänden steht. Und natürlich läuft.

Für macOS, Windows oder Linus bietet sich zum Beispiel ein alter Mac Mini an. Für Linux reicht aber schon ein kleines Gerät wie der Raspberry Pi 3. Und wenn es Windows oder mehr Leistung unter Linux sein soll, ist ein regulärer PC oder – praktischer – ein Mini-PC im Apple-TV-Format sinnvoll.

Mit ein wenig Einrichtungsarbeit können Sie so mit nur einem Rechner bis zu drei Betriebssysteme mit dem iPad nutzen – ohne auf iOS verzichten zu müssen.

PC oder Mac einrichten

Zunächst müssen Sie den PC, Mac oder Raspberry Pi ganz normal mit macOS, Windows oder Linux aufsetzen, bis die Betriebssysteme jeweils lauffähig sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie die Systeme direkt aufsetzen oder als virtuelle Maschine, etwa mit Virtualbox. Der Vorteil von virtuellen Maschinen: Das iPad erhält ein eigenes „Cloud-Betriebssystem“, das vom normalen System getrennt ist.

Wegen der praktischen Wake-on-LAN-Funktion, mit der die Rechner bei Netzwerkzugriffen aus dem Standby-Modus geweckt werden können, empfiehlt sich natürlich die Anbindung per Kabel an den Router, um im späteren Betrieb bei Nichtnutzung Strom zu sparen. Der Rechner muss ja für einen zuverlässigen Fernbetrieb sieben Tage die Woche 24 Stunden laufen, darf sich aber natürlich schlafen legen. Entsprechende Einstellungen finden Sie in allen Betriebssystemen in den Energieoptionen – normalerweise ist hier die Voreinstellung aber ausreichend.

Wichtig bei der Einrichtung einer virtuellen Maschine ist, dass der Host-PC immer läuft, ohne sich schlafen zu legen.

Außerdem müssen Sie in den Einstellungen der virtuellen Maschine noch „Bridged Netzwerk“ auswählen: Nur so erhält der virtuelle PC eine eigene IP-Adresse in Ihrem Netzwerk, über die Sie ihn direkt ansprechen können. Zusätzlich können Sie in einer virtuellen Maschine auch eine zum iPad passende Bildschirmauflösung einstellen, um das Erlebnis zu verbessern: 1024 x 768 Pixel für iPads mit 7,9-Zoll- und 9,7-Zoll-Bildschirm, 1366 x 1024 Pixel für das iPad Pro.

Diese Windows-VM ist unter Virtualbox auf dem Mac installiert, kann jedoch problemlos per RealVNC angesteuert werden. Der Trick ist die Einstellung „Bridged Network“ an der virtuellen Maschine.

VNC-Server einrichten

Nun kommt der etwas komplexere Teil: Sie müssen einen VNC-Server auf Ihrem PC oder Mac einrichten. Dieser ist dafür zuständig, den Desktop des Betriebssystems später an das iPad zu übertragen. Entsprechende Software ist bei macOS dabei, Sie müssen sie nur unter „Systemeinstellungen -> Freigaben -> Bildschirmfreigabe“ aktivieren.

Mac OS X und Linux besitzen einen eingebauten VNC-Server, der nur in den Systemeinstellungen aktiviert werden muss.

Im Gnome-Desktop von Ubuntu gibt es ebenfalls eine entsprechende Einstellung: Öffnen Sie hier die „Freigabe der Arbeitsfläche“ des vorinstallierten Vino-VNC-Servers, um diesen zu aktivieren.

Unter Windows gestaltet sich die Einrichtung etwas komplexer: Windows besitzt keinen eingebauten VNC-Server, daher muss ein Programm wie TightVNC installiert werden.

Unter Windows muss ein VNC-Server wie RealVNC oder TightVNC nachinstalliert werden.

Falls Sie einen Rechner haben, bei dem die automatische Anmeldung aktiviert, also kein Passwort für den Login vorhanden ist, empfehlen wir dringend, den VNC-Server mit einem Passwort zu schützen. Ist bereits ein Passwort für den Login am Rechner gesetzt, dürfen Sie das hingegen nicht tun, da es sonst zu Login-Problemen kommen kann. Grundsätzlich ist es allerdings immer anzuraten, einen Rechner mit einem Anmeldepasswort zu schützen, womit das VNC-Passwort überflüssig wird.

Ist ein VNC-Passwort und ein Login-Passwort auf dem Rechner gesetzt, bleibt man im Login-Screen hängen. In solchen Fällen hilft eine Deaktivierung des VNC-Passworts auf dem Rechner mit dem VNC-Server.

VNC-Client auf dem iPad installieren

Zu guter Letzt müssen Sie nur noch einen VNC-Client auf dem iPad installieren. Die Auswahl ist groß, aus persönlicher Erfahrung können wir aber den RealVNC VNC-Viewer empfehlen: Das Programm ist leicht zu bedienen und stammt von den Entwicklern von RealVNC, die auch einen Windows-Server ähnlich TightVNC für zahlreiche Betriebssysteme entwickeln.

Der RealVNC-Client muss natürlich nicht zwangsläufig mit dem RealVNC-Server zusammenarbeiten – der ist allerdings eine gute Alternative zu den anderen genannten Lösungen, wenn etwas nicht richtig funktionieren sollte. Normalerweise sind bei VNC, weil es sich dabei um ein Standardprotokoll handelt, alle Server und Clients miteinander kompatibel – egal, von welchem Hersteller.

Um eine Verbindung mit dem VNC-Server unter macOS, Linux oder Windows herzustellen, müssen Sie jetzt nur noch die IP-Adresse des Rechners herausfinden: Unter Windows geben Sie dazu „ipconfig“ in der Eingabeaufforderung ein, Linux- und Mac-Rechner geben die IP-Adresse für den aktiven Netzwerkadapter per „ifconfig“ im Terminal aus oder zeigen sie innerhalb der Netzwerkeinstellungen an.

Die eigene IP-Adresse können Windows-Nutzer mit dem Befehl „ipconfig“ in der Eingabeaufforderung herausfinden. Mac- und Linux-Nutzer müssen den Befehl „ifconfig“ im Terminal eingeben.

Wichtig: Verwechseln Sie nicht die interne mit der externen IP vom Provider – für VNC im eigenen Netzwerk benötigen Sie zunächst die interne IP-Adresse!

Geben Sie die IP-Adresse anschließend auf dem iPad in RealVNC ein und vergeben Sie einen Computernamen: Der Desktop des PCs oder Macs erscheint auf dem iPad und Sie können den PC im Heimnetz genau so nutzen, als wäre Windows, macOS oder Linux direkt auf dem iPad installiert.

Ist alles richtig eingerichtet, lassen sich Windows, Mac OS X und Linux nutzen, als wären sie direkt auf dem iPad installiert.

Die richtigen Router-Einstellungen setzen

Das sollte jetzt natürlich auch von außen über das Internet möglich sein. Hier ist es ausgesprochen sinnvoll, nicht die Router-Ports freizugeben, sondern stattdessen auf ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) zu setzen: Dieses erlaubt den Zugriff auf Ihren Rechner über das Internet mit einer verschlüsselten Verbindung und sorgt gleichzeitig dafür, dass Ihr Netzwerk für Sie überall auf der Welt gleich aufgebaut ist – egal, welches WLAN oder Mobilfunknetz Sie unterwegs nutzen. Und ohne Ihr Netzwerk unnötig gegenüber Millionen möglichen Angreifern im Netz zu exponieren.

Wird ein VPN eingesetzt, sind die VNC-Verbindungen auch unterwegs gültig.

Ein VPN können Sie in aller Regel in Ihrem Router einrichten: Die Fritzbox von AVM bietet eine entsprechende Option, mit der Sie ganz leicht eine VPN-Verbindung einrichten können.

AVMs Fritzbox und viele andere Router besitzen eingebaute VPN-Funktionen, mit denen Sie von überall auf der Welt sicher auf Ihr heimisches Netzwerk zugreifen können.

Wenn Sie sich nun außerhalb Ihres heimischen Netzwerks bewegen, müssen Sie das iPad zunächst mit dem VPN Ihres Heimnetzwerks verbinden. Anschließend können Sie RealVNC starten und die zuvor eingerichteten Verbindungen zu PCs, Macs oder virtuellen Maschinen nutzen, als wären Windows, Linux oder Mac OS X auf Ihrem iPad installiert.

Tipp: Wenn Sie Probleme mit der Bedienung haben, hilft ein kleiner Klick auf das Fragezeichen in der Steuerungsleiste der VNC-Verbindung: Hier werden alle Gesten erklärt.

Wenn Sie Probleme mit der Steuerung haben, hilft die RealVNC-Hilfefunktion.

iDisplay, momentan gratis

iDisplay, im Juli 2017 gratis

Auch mit der App iDisplay bekommt man macOS und neuerdings auch Windows auf den Bildschirm von iPhone und iPad. Diese müssen jedoch in das gleiche WLAN eingebucht sein wie der Client-Rechner, damit sie dessen Inhalte spiegeln oder erweitern können. Auch der Anschluss per USB ist möglich. pm (Macwelt)