Nicht nur mit Windows 8, sondern auch mit seinem eigenen Tablet war Microsoft die vergangenen Wochen in aller Munde. Analyst Axel Oppermann äußert sich zur Strategie der Redmonder, erklärt die Beweggründe für Surface und gibt dem Channel Tipps zum Start.
Mit Windows 8 schafft Microsoft das erste Betriebssystem mit einer hardwareübergreifenden einheitlichen Oberfläche namens "Modern UI". Was halten Sie von diesem Konzept, bei dem der Desktop in den Hintergrund rückt?
Axel Oppermann: Zunächst glaube ich nicht, dass Microsoft den klassischen Desktop in den Hintergrund rückt. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass bei Windows 8 andere Themen im Mittelpunkt stehen. Veränderte Marktverhältnisse, die Microsoft lange ignoriert oder übersehen hatte, fordern halt ihren Tribut. Dennoch ist das "Modern UI" einzigartig. Es wird dauern, bis sich die dahinterstehende Philosophie behauptet - oder eben nicht. Was Microsoft mit Windows 8 fortführt ,ist eher mit einem Langstreckenlauf zu vergleichen als mit einem Sprint.
Wie würden Sie also Microsofts Konzept einschätzen?
Oppermann: Microsoft befindet sich in einer ungewöhnlichen Situation - quasi in einer Nachhaltigkeitskrise. Der Konzern fährt eine mutige und gleichzeitig riskante Strategie. So oder so: Microsoft ist am Scheideweg. Das Unternehmen war noch nie besonders gut darin, gute Produkte zu schaffen, hat es jedoch immer ausgezeichnet verstanden, dass andere Software von seiner Plattform abhängig wird. Es ist fraglich, ob dieses "Talent" auch in naher Zukunft greifen wird.
Was hat sich zuletzt verändert?
Oppermann: Microsoft verfügt jetzt zwar über gute Produkte, aber in zentralen Bereichen über keine Machtposition. Trotz des starken Portfolios und steigender Umsätze ist es mehr als fraglich, ob der Spagat zwischen dem traditionellen Softwaregeschäft einerseits und dem Servicegeschäft sowie der überproportionalen Fokussierung auf Konsumenten andererseits gelingen wird. Windows 8 ist hier ein entscheidender Indikator.
In welchem Kundensegment wird sich Windows 8 besser ansiedeln und warum?
Oppermann: Mit dem starken Fokus auf Privatanwender soll auch ein rascher Siegeszug im Business-Segment gelingen. Microsoft verfolgt hierbei die Marketingstrategie "Consumerization of Business-IT". Gemeint ist die Tendenz, dass viele Mitarbeiter IT-seitig im Privatbereich besser ausgestattet sind als am Arbeitsplatz durch ihre Arbeitgeber. Mit Macht drängen insbesondere die "VIP-" und "Lead-User" darauf, ihre eigene Ausstattung mit in die Firma zu bringen, oder erwarten eine entsprechende Bereitstellung am Arbeitsplatz.
Aber dieser Ansatz ist ja nicht neu . . .
Oppermann: Richtig, Microsoft verdrängte mit diesem Konzept seinerzeit das sicherlich bessere Produkt "WordPerfect" zugunsten von Word 4.0. Aber bedingt durch die Marktdurchdringung verzichtete Microsoft im Laufe der Jahre auf diese Methode.
"Windows 7 wird dominieren; Windows 8 wird aufblühen"
Viele Firmen sind kürzlich auf Windows 7 migriert oder werden dies in naher Zukunft tun. Bei Windows 8 steht ein angeblich größerer Schulungsaufwand im Raum, der die Unternehmen zurückschrecken lässt. Wie schnell wird Windows 8 in Unternehmen Einzug finden?
Oppermann: Die Bedeutung von Windows XP in Unternehmen wird in den kommenden zwölf Monaten auf eine marginale Größe sinken. Windows 7 wird dominieren; Windows 8 wird aufblühen. Kurzum: Beim klassischen Client kann und wird Windows 8 sehr schnell relevante Marktanteile gewinnen, jedoch nicht zwingend gegen Windows 7. Bei Tablets wird die Verbreitung sicherlich schwieriger werden.
Der Channel ist trotzdem skeptisch, wie Windows 8 beim Kunden Anklang finden wird. Mit welchen Mitteln kann der Reseller das neue Betriebssystem dem Kunden schmackhaft machen?
Oppermann: Eine Vielzahl an Unternehmen aus dem IT-Channel hat in den zurückliegenden 24 bis 30 Monaten hohe Umsätze und hohe Erträge erzielt. Das Gleiche wird bei Windows 8 möglich sein, wenn die vertrieblichen Chancen genutzt werden.
Die Argumente für Windows 8 sind so vielfältig wie die unterschiedlichen Anforderungen der Anwender. Und diese Argumente liefert Microsoft den Partnern sicherlich in Trainings und den diversen Kanälen.
Also nimmt Windows 8 den Channel ausreichend mit in den Markt?
Oppermann: Absolut. Die unterschiedlichen Unternehmenstypen und Wertschöpfungsstufen im IT-Channel bekommen ein breites Spektrum an Möglichkeiten, Beratungsleistungen, Services und Produkte rund um das eigentliche - Produkt Windows 8 - zu verkaufen.
Wie könnte so ein Kundenangebot aussehen?
Oppermann: Ein typisches Kundenangebot umfasst viel, angefangen bei Beratungsleistungen im Umfeld einer integrierten Client-Strategie ("Client of the Future") über Migrationsprojekte von Windows XP auf Windows 8 und die Entwicklung und Anpassung von Individualsoftware bis hin zu integrierten VDI-Konzepten in Kombination mit Windows Server 2012. Insbesondere in der Kombination mit anderen Produkten von Microsoft oder von Drittanbietern können umfangreiche Angebote geschürt werden, die sich in barer Münze auszahlen. So lassen sich in Kombination mit Windows Server 2012 und System Center moderne Client-Infrastrukturen bauen. Diese bringen nicht nur dem Anwender Vorteile, sondern auch dem Channel lukrative Umsätze. Wichtig ist die frühzeitige Planung von Leistungen und Umsatzströmen aus den Bereichen Beratung, laufendem Service und T&M.
"Eine Fokussierung auf die Plattform Windows 8 wird nicht reichen"
Mit dem Tablet "Surface" geht Microsoft selbst unter die Hersteller und wird damit Konkurrent seiner eigenen Partner. Warum ist das Unternehmen diesen Weg gegangen, obwohl es wusste, dass es seine Partner verärgert?
Oppermann: Die öffentlich zur Schau gestellte Verärgerung einiger OEMs ist eher eine kalkulierte Empörung als tatsächlicher Verdruss. Schließlich müssen diese Protagonisten ihr Gesicht gegenüber Aktionären und Kunden wahren. Microsoft hat den etablierten OEMs gezeigt, wie durch Ingenieurskunst und visionäre Stärke differenzierende Produkte geschaffen werden. Eben diese etablierten Vermarkter von Hardware haben es versäumt, differenzierende und wirklich neue Ideen zu präsentieren. Einerseits haben sie sich dem durch Intel initiierten Ultrabook-Trend unterworfen, andererseits haben sie austauschbare Tablet-Klone präsentiert. Die OEMs müssen sich der Tatsache bewusst sein: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.
Dann war die Entscheidung, ein eigenes Tablet zu bringen, durchdacht?
Oppermann: Ja, die Präsentation des Surface-Tablets war aus Marketingsicht absolut richtig. Mit Surface hat Microsoft gezeigt, was mit Windows 8 möglich ist und wohin die Reise gehen kann - nicht mehr und nicht weniger. Es handelt sich hierbei nicht wirklich um die große Innovation oder um einen großen Meilenstein. Surface ist vielmehr ein Marketinginstrument für Windows. Und ein solches Instrument ist richtig und wichtig.
Was raten Sie dem Fachhändler?
Oppermann: Reseller sollten schauen, welches margenstarke Zubehör rund um Tablets und Co. schnell an den Konsumenten gebracht werden kann. Der IT-Channel muss sich bei der Sortimentszusammenstellung darauf einstellen, angesichts der Entwicklungen im Smartphone- und Tablet-Markt auf die dynamischen und sehr heterogenen Anforderungen der Kunden in Unternehmen und von Konsumenten zu achten. Eine Fokussierung auf die Plattform Windows 8 mit den jeweiligen Angeboten der OEMs wird nicht ausreichen. Der Markt bietet so viel mehr - und den Anwendern ist dies auch bekannt. (kv)