Mit Metro-Oberfläche und Touch-Bedienung soll es Windows 8 mit dem iPad aufnehmen. Im Kampf gegen das Apple-Imperium versucht Microsoft, vor allem Consumer für sich zu gewinnen. Was also bietet Windows 8 für Unternehmen?
von Eric Tierling
(freier Journalist im Rheinland)
Klare Linienführung, reduziert auf das Wesentliche - so beschreibt Microsoft die Philosophie hinter dem Metro-Design mit seiner Kacheloptik. Windows Phone präsentiert sich bereits in diesem Look, und kurz vor Weihnachten 2011 hat die Metro-Oberfläche per Dashboard-Update auf der Xbox 360 Einzug gehalten. Mit Windows 8 sollen Benutzer künftig auch auf PCs das Kachel-Design vorfinden, einheitlich über Gerätegrenzen hinweg. Doch das Smartphone-Betriebssystem und die Spielekonsole von Microsoft sind nun mal auf private Konsumenten zugeschnitten. Viele IT-Verantwortliche fragen sich daher: Womit kann Windows 8 im Unternehmen punkten?
Im Moment - Windows 8 befindet sich noch im Betastadium - lässt sich diese Frage nicht abschließend beantworten. Aber es gibt Hinweise wie den Product Guide for Business. In diesem achtseitigen PDF-Dokument zeigt Microsoft einige Vorzüge des Windows-7-Nachfolgers im Unternehmenseinsatz auf. Der komplementäre Product Guide for Consumers weist übrigens einen Umfang von 34 Seiten auf, was als Indiz gelten kann, dass Windows 8 insbesondere auf den Consumer-Markt und weniger auf Unternehmen abzielt.
Touch geht vor
Microsoft lässt keinen Zweifel daran, dass im Business-Umfeld gleichermaßen die Vorgabe "Touch-first Experience" besteht. Allerdings ist das Gros der Firmen-PCs nicht mit berührungsempfindlichen Monitoren ausgestattet. Da Finger und Tastatur/Maus bei der Metro-Oberfläche parallel verwendbar sind, sollten sich daraus keine Probleme bei der Bedienung ergeben. Sollen Benutzer in den Genuss der Fingersteuerung gelangen, kommen Unternehmen um die Anschaffung Touch-fähiger Bildschirme nicht herum. Sinn gibt dies aber primär für mobile Rechner, denn für stationäre Monitore empfiehlt die Berufsgenossenschaftliche Information "BGI 650" für Bildschirm- und Büroarbeitsplätze Sehabstände zwischen 0,5 und 0,8 Metern. Bei solchen Entfernungen macht das Tippen auf berührungsempfindlichen Bildschirmen keinen Spaß, denn der ausgestreckte Arm ermüdet schnell.
Apps aus dem Firmenshop
Die Metro-Oberfläche von Windows 8 dient als Startrampe für Apps, die parallel zu klassischen Desktop-Programmen existieren. PCs, die einer Active-Directory-Domäne angehören, können zum Bezug von Apps den öffentlichen Windows-Store außen vor lassen. Stattdessen sieht Microsoft in einem virtuellen Shop die Einrichtung einer geschlossenen Sektion zur gezielten Verteilung unternehmensspezifischer Apps vor. Dieser Bereich befindet sich innerhalb der Firewall-Grenzen des Unternehmens und wird zentral verwaltet.
Wie das Ganze am Ende aussieht und ob ein Mischbetrieb von öffentlichen und privaten Apps praktikabel ist, muss sich noch erweisen. Alternativ können Unternehmen über Applocker-Richtlinien die Installation einzelner Apps blockieren. Um die volle Kontrolle darüber zu behalten, was auf Firmen-PCs laufen darf, lässt sich der öffentliche Windows-Store per Gruppenrichtlinie komplett abschalten.
Firmen-Windows mitnehmen
Bedeutsamer für Unternehmen ist eine andere Neuerung. "Windows To Go" erlaubt es, Windows 8 von einem mindestens 32 GB großen USB-Stick zu booten, den die IT-Abteilung zuvor erstellt hat. Auf diese Weise kann ein Benutzer seinen privaten PC dazu hernehmen, um zu Hause die Windows 8-Umgebung zu starten, wie sie in der Firma verwendet wird. Über das Internet greift er dann auf Unternehmensdaten zu und arbeitet quasi so, als säße er an seinem Arbeitsplatz im Büro.
Im Unterschied zu gängigen Live-Verfahren von Linux-CDs/DVDs deaktiviert Windows To Go die lokalen Laufwerke des PC, um sie als potenzielles Sicherheitsrisiko auszuschließen. Wird der USB-Stick abgezogen, muss er binnen 60 Sekunden wieder eingesteckt werden, sonst bootet der Computer neu.
Windows To Go stellt eine kostengünstige Alternative zu teuren Remote-Desktop- und VDI-Implementierungen dar. Des Weiteren eignet sich dieses Verfahren für Bring-your-own-Device-(ByoD-)Szenarien - sofern der Benutzer einen PC mit x86/x64-Prozessor sein Eigen nennt, auf dem Windows 8 lauffähig ist.
Allerlei
Zur Verbesserung der Sicherheit dient die Absicherung und Überwachung des Windows-8-Boot-Prozesses. Diese Maßnahmen sollen es Schadsoftware erschweren, sich beim PC-Start im System einzunisten. Voraussetzung dafür sind allerdings moderne Mainboards, die einen TPM-Chip (Trusted Platform Module) sowie eine zu Version 2.3.1 oder höher konforme Version der UEFI-Firmware (Unified Extensible Firmware Interface) verwenden.
Überarbeitet hat Microsoft die Multilanguage-Unterstützung, was für Unternehmen relevant ist, deren Mitarbeiter unterschiedliche Sprachen verwenden. Insgesamt werden 109 Sprachen unterstützt, die sich ohne Bereitstellung eigener Installationsquellen direkt aus Windows 8 heraus laden lassen. Dadurch wird die Einbindung zusätzlicher Sprachpakete wesentlich einfacher als bei früheren Windows-Versionen.
Kleine Verbesserungen
Umsteiger stoßen bei Windows 8 auf mehrere kleinere Verbesserungen. Beispielsweise geben sich die Dialogfelder bei Kopier- und Entpackvorgängen informativer: Details zur Verarbeitungsgeschwindigkeit sind grafisch dargestellt, während mehrfache Vorgänge derselben Art übereinandergruppiert werden.
Fazit
Auch für Unternehmen bringt Windows 8 nützliche Neuerungen. Sich übereilt auf das Betriebssystem zu stürzen oder gar laufende Migrationsprojekte auf Windows 7 zu stoppen, erscheint aber kaum sinnvoll. Denn eine Ausstattung der Firmen-PCs mit Windows 8 gibt nur dann Sinn, wenn sich die Verantwortlichen über die Konsequenzen dieser Entscheidung im Klaren sind. Zu denen zählt bei Windows 8 auch, dass es mit der Hardware nicht getan ist: Metro-Oberfläche, Charms-Bar und die Abschaffung des Startmenüs zum Beispiel bewirken, dass Unternehmen nicht umhinkommen, die internen Anwender für Windows 8 neu zu schulen.
Windows RT wiederum, die spezielle Windows-8-Variante für Tablets mit ARM-Prozessor, ist geprägt von technischen Einschränkungen. Momentan sind Firmen daher besser beraten, zum mobilen Arbeiten weiterhin auf Rechner mit x86/x64-Prozessor zu setzen.
Darüber hinaus gibt es Windows-8-Funktionen wie die verbesserte Direct-Access-Funktionalität oder die Multitouch-Bedienung in Remote-Desktop-Sitzungen, die sich ausschließlich in Kombination mit Windows Server 8 nutzen lassen - der sich jedoch ebenfalls noch in der Entwicklung befindet. Erst wenn beides auf dem Markt ist, lassen sich qualifizierte Entscheidungen treffen, ob und in welchem Umfang ein Umstieg auf die Windows-8-Plattform wirklich sinnvoll ist und welche Vorteile sich daraus konkret ergeben.
(Dieser Artikel wurde von unserer Schwesterpublikation PC-Welt übernommen/hi/kv)