Im Unternehmenseinsatz

Windows 10: Chancen und Risiken

08.05.2015 von Yvonne Göpfert
Windows 10 verheißt innovative Neuerungen wie die Unterstützung der Datenbrille HoloLens oder biometrische Sicherheitsmechaniken. Doch was bedeutet Windows 10 für größere Unternehmen tatsächlich? Wo liegen die Chancen, was sind die Risiken?

Anfang des Jahres verkündete Microsoft, dass Geräte mit Windows 7 Pro und Windows 8/8.1 Pro im ersten Jahr der Verfügbarkeit von Windows 10 ein kostenloses Upgrade auf Windows 10 erhalten können. Das gilt zwar nicht für die Enterprise-Versionen, die Strategie ist dennoch klar: Man will Unternehmen so schnell wie möglich auf die aktuelle Version bringen. Doch ob sich CIOs gern von dem stabilen Windows 7 trennen, wird sich zeigen. Windows 7 hielt im Januar 2015 einen Marktanteil von 55 Prozent, wie der Statistikdienst Netmarketshare ermittelt hat.

Der Dienst veröffentlicht jeden Monat aktuelle Zahlen zur weltweiten Verteilung von Desktop-Betriebssystemen. Windows 8 kann demnach auch zweieinhalb Jahre nach seiner Markteinführung nicht wirklich Fuß fassen. Aktuell liegt der Marktanteil bei 13,83 Prozent. Sogar Windows XP hat noch mehr Marktanteile (18,93 Prozent). Windows 10 dagegen soll es nicht genauso ergehen.

Auch wenn die Zahlen von Netmarketshare nicht repräsentativ sind, da sie nur die Rechner erfassen, mit denen User ins Internet gehen, nicht jedoch alle Offline-Rechner, zeigen Sie doch einen Trend an. Und der lautet: "Wir sind mit Windows 7 zufrieden und wollen - wenn wir überhaupt umsteigen - ein ähnlich gutes und vor allem bedienbares Betriebssystem."

Biometrische Nutzerüberprüfung

Nun gibt es durchaus ein paar Gründe, den Wechsel zu wagen: So hat Microsoft beispielsweise angekündigt, dass Windows 10 die kommende Version 2.0 des Fast-Identification-Online (FIDO)-Anmeldestandards unterstützen wird. Die neue Generation von Microsofts Betriebssystem stellt damit künftig besonders sichere Anmeldetechnologien bereit, die über die Passworteingabe hinausgehen: So ist mit Windows 10 erstmals eine Anmeldung per Zwei-Faktor-Authentifizierung ohne Passworteingabe über biometrische Zugangssysteme möglich, beispielsweise via Fingerabdruck. Die biometrische Anmeldung funktioniert bei Windows 10, im Azure Active Directory sowie beim Zugang zu SaaS-Diensten wie Office 365 Exchange Online.

"Die Sicherheit biometrischer Zugangssysteme hängt allerdings davon ab, welche Merkmale überprüft werden und wie sie technisch implementiert werden", sagt Christian Funk, Leiter des deutschen Forschungs- und Analyseteams bei Kaspersky Lab. "Schon vor Jahren wurde gezeigt, wie mit einfachen Hausmitteln Fingerabdrücke kopiert und entsprechende Kontrollsysteme in die Irre geführt werden können. Auch so manche biometrische Gesichtserkennung konnte in der Vergangenheit durch einfaches Zeigen eines Bildes einer zugangsberechtigten Person getäuscht werden." Es muss sich also zeigen, welchen Rahmen FIDO 2.0 bietet und welchen neuen Entwicklungen und Herangehensweisen das zugutekommen könnte, betont Funk.

Bildergalerie:
Windows 10
Das Startmenü lässt sich auch als Vollbild darstellen.
Windows 10
Windows 10 läuft in Zukunft auch auf Smartphones - hier auf einem Lumia 1520.
Windows 10
Microsoft hat das Action Center deutlich überarbeitet.
Windows 10
Windows 10 erkennt künftig, wenn eine Tastatur ans Tablet angedockt wird und ändert die Oberfläche entsprechend automatisch.
Windows 10
Der Sprachassistent Cortana hält auch auf dem Desktop Einzug.
Windows 10
Der neue schlanke Browser Spartan soll es Anwender einfach machen Kommentare an Webseiten anzufügen.
Windows 10
Die Office-Apps auf dem Smartphone ähneln in der Bedienung den Desktop-Varianten
Windows 10
Beim Microsoft Surface Hub handelt es sich um ein 84-Zoll-Display, das Unternehmen unter anderem bei Besprechungen einsetzen können.
Windows 10
Mit dem Microsoft Surface Hub lässt sich eine spezielle Version von Skype for Business zur Kommunikation nutzen.
Windows 10
Microsoft Hololens soll die Nutzung von PC revolutionieren.
Windows 10
Mit Microsoft Hololens verschmelzen für den Betrachter Realität und virtuelle Objekte.

HoloLens und das Internet der Dinge

Weiter unterstützt Windows 10 die Datenbrille HoloLens. Sie soll virtuelle 3-D-Objekte als Hologramme in das Blickfeld einblenden, die sich anschließend mit Sprache und Gesten steuern lassen. Im Business-Bereich sind damit zukunftsweisende Anwendungen denkbar, die beispielsweise freie oder sterile Hände beim Arbeiten erfordern wie etwa bei Arbeiten in luftiger Höhe oder in einem Operationssaal. Thomas Hemker, Security Strategist bei Symantec, sieht zurzeit noch keine großen Auswirkungen im Business-Alltag.

"Doch wie bei allen Geräten, die zur Kategorie des Internet of Things gehören, werden wir unter Umständen auch Datenschutz- und Safety-Probleme betrachten müssen", erläutert er weiter. "Ebenso müssen wir die Auswirkungen abschätzen, die die Manipulation solcher Geräte haben kann."

Die hohe Kunst der Kollaboration

Ferner soll Windows 10 deutlich besser skalierbar sein als alle Vorgängerversionen und sogar mit Auflösungen von 84-Zoll-Konferenzraum-Touchscreens zurechtkommen. Damit bietet Windows 10 bessere Kollaborationsmöglichkeiten - große Screens in Kombination mit Skype for Business und Office 365 sind sicher gute Produktivitätsargumente. Zudem wird Skype bei Windows 10 in das Betriebssystem integriert sein, sodass es nicht mehr notwendig ist, die Skype-App herunterzuladen.

Windows-10-Nutzer können damit die Skype-Features wie Sofortnachrichten, Anrufe und Videoanrufe direkt nutzen. Der Konfigurationsaufwand wird deutlich geringer. Allerdings sollten CIOs nicht vergessen, dass sich zumindest in der Vergangenheit die IP-Adresse eines Rechners über einen gehackten Skype-Account abgreifen ließ, erinnert Hemker.

Es gibt einige Beispiele, wie Angreifer von da aus weiter ins Firmennetzwerk vordringen konnten. Auch hier ist es also wieder eine Frage der Implementierung, wie sicher die Integration letztendlich sein wird. Auch Kurt Baumgartner, Sicherheitsspezialist bei Kaspersky, sieht die Gefahr, dass das Datasharing in der Cloud über Dienste, Anwendungen und Geräte hinweg Pass-the-hash-attack-Techniken und Hyper-V-Angriffe geradezu anzieht, um Anmeldedaten zu stehlen. Hier ist ein neues Level des Datendiebstahls zu erwarten. Denn wie sicher kann eine DLP-Implementierung, die das sichere Teilen von Firmendaten ermöglicht, sein, wenn sie auch auf schwachbrüstigen Mobiltelefonen laufen muss?

Upgrade - jetzt oder nie?

Upgrades sind generell ein ungeliebtes Thema unter CIOs. Daher hat man sich bei Microsoft zum Ausrollen der neuen Technik Gedanken gemacht. Da viele Kunden ein individuelles Tempo beim Ausrollen neuer Funktionen und Versionen im Unternehmen haben, überlässt Microsoft den Unternehmen die Kontrolle darüber, wie und in welchem Tempo sie Updates ausliefern. Um Unternehmenskunden eine größtmögliche Flexibilität im Upgrade-Prozess zu gewährleisten, führt Microsoft zudem einen neuen Standard für Business-Kunden ein: "Current branch for Business".

Funktions-Updates werden für unterstützte Geräte erst dann verfügbar, wenn diese im Consumer-Markt ihren Mehrwert und die notwendige Anwendungskompatibilität für den Unternehmenseinsatz bewiesen haben. Die Firma entscheidet also selbst, ob sie diese Aktualisierungen automatisch über Windows Update oder WSUS haben will. Hier kämpfen Sicherheit einerseits und aktuelle, moderne Funktionen und Weiterentwicklungen andererseits um die Vorherrschaft.

Sicherheitsrelevante Systeme, die zum Beispiel die Notfallaufnahmen von Krankenhäusern, die Flugsicherheit oder den Wertpapierhandel steuern, bedürfen über längere Zeiträume sehr strenger Richtlinien für Updates oder Upgrades. Mit Windows 10 wird Microsoft "Long Term Servicing"-Versionen anbieten, die vollen Enterprise Support sowie Sicherheits-Updates bieten und gleichzeitig im Rahmen des Mainstream-Supports und des Extended-Supports über den Zeitraum von fünf Jahren keine neuen Funktionen einführen. Unternehmen entscheiden somit selbst, ob und wann sie neue Features einführen wollen.

Wie sinnvoll es ist, sich Updates zu verweigern, wird sich im Detail zeigen, wenn es längerfristige Erfahrungen mit Windows 10 gibt. Unternehmen, die fünf Jahre lang keine neuen Funktionen einführen und nutzen wollen, werden aus Business-Gesichtspunkten allerdings wahrscheinlich dem Wettbewerb hinterherhinken, vermutet Hemker. In der Realität sieht es so aus, dass Symantec bereits viele Systeme, die zum Beispiel in Produktionsumgebungen mit alten Betriebssystemen laufen (müssen), mit seiner Datacenter-Security-Lösung so abgesichert haben, dass diese auch ohne Sicherheits-Updates vor Bedrohungen geschützt sind.

Windows 10: größtmögliche Kompatibilität bei Hard- und Software

Microsoft arbeitet in enger Abstimmung mit seinen OEM-Partnern daran, dass Windows 10 mit den gleichen minimalen Hardwareanforderungen laufen wird wie seine Vorgänger Windows 7 und 8. Das bedeutet, dass die neue Windows-Generation auch auf älteren Geräten laufen kann, selbst wenn einige neue Funktionen tatsächlich nach neuer Hardware verlangen oder das Einspielen von Soft- oder Firmware-Updates notwendig machen. Das freut natürlich den Sparfuchs - muss doch nicht gleich neue Hardware angeschafft werden. Aber erhöhen wird sich die Produktivität dadurch nicht.

Fazit

Windows 10 wirkt wesentlich durchdachter als Windows 8 und bringt vor allem einige Funktionen mit, die in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen mit entscheiden werden, wie beispielsweise neue Collaboration-Tools oder Funktionen aus dem Internet of Things.

Auf jeden Fall wird Windows 10 in Unternehmen aktuell dazu führen, dass man sich in den nächsten Monaten nicht für Windows 8 entscheidet und dann noch länger abwartet, bis sämtliche Tools auch mit Windows 10 fehlerfrei laufen. (mje)