Quirlig, hungrig auf den Erfahrungsaustausch, mutig, experimentierfreudig, voller Elan, begeistert von den Möglichkeiten der neuen Technologien und bereit, das eigene Wissen zu teilen - das zeichnete die Teilnehmer des "Channel meets Cloud"-Kongresses aus. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass die digitale Transformation im Kern eine mentale Veränderung voraussetzt und dass sich dieser Umbruch im Channel bereits vollzieht: Bei "Channel meets Cloud" war genau das zu erleben. "Besucher" im klassischen Sinne gab es hier nicht - es waren Mitgestalter, die in der Gaszählerwerkstatt München ihre Anliegen mit Branchenkollegen und Herstellern lebhaft diskutierten.
Born-in-the-Cloud-Partner und Systemhäuser mit wachsendem Cloud-Anteil finden dabei nicht nur im Gespräch gemeinsame Anknüpfungspunkte, sondern auch im Geschäft, wie in einer der Panel-Diskussionen deutlich wurde. "Man muss nicht 'Born in the Cloud' sein, um als Systemhaus die digitale Transformation unter seinen Kunden voranzutreiben. Aber man sollte von den jungen Playern lernen - diese Häuser zeichnen sich durch große Agilität aus und sind stets bereit, das eigene Portfolio auf den Prüfstand zu stellen", so das Fazit des Panel-Moderators Lenz Nölkel, Editor-in-Chief bei Evernine.
Ein neues Netzwerk entsteht
Dass sich die Art und Weise der Zusammenarbeit mit Lieferanten, Partnern, Wettbewerbern und Kunden grundlegend verändert, ist allerdings keine euphorisch verklärende Einschätzung der neuen technologischen Möglichkeiten, sondern ein Akt der Notwendigkeit. Denn mit der Cloud und der immer stärker von Usern und Fachbereichen getriebenen IT wandelt sich auch die gesamte Wertschöpfungskette im Channel radikal. Die einst relativ scharfen Konturen aller Beteiligten verschwimmen zusehends. Ihre neuen Rollen müssen sie erst noch finden und definieren.
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Ohne engmaschiges und gleichzeitig weit verzweigtes Netzwerk wird das nicht funktionieren, aus ganz pragmatischen Gründen: Zum einen, weil neue, spezialisierte Fachkräfte im leer gefegten Markt unbezahlbar oder mangels Kandidaten schlicht nicht zu finden sind. Zum anderen, weil angesichts des heute schon extrem hohen Maßes an Komplexität kein Partner alle Kompetenzen mitbringen kann, die für eine ganzheitliche Lösung notwendig sind.
Christine Neubauer vom Kompetenznetzwerk Trusted Cloud bringt es auf den Punkt: "Es wird immer unwichtiger werden, wer wie was bereitstellt." Am Ende werde eine Lösung im Vordergrund stehen, zum Beispiel die Antwort auf die Frage, wie Energieeffizienz erreicht werden kann - durch eine IoT-Lösung, via Cloud und mittels entsprechender Apps oder noch anders.
Aber wer, wie, mit welchen Mitteln dazu beitrage, werde sekundär sein. "Deshalb ist es wichtig zu definieren, wo man zukünftig seine Lösungskompetenz sieht: als Prozessberater in der Konzeption, der auch die passenden Partner dafür findet, oder als spezialisierter Lösungsanbieter für einen Teilbereich in diesem digitalen Ökosystem."
Die harte VUKA-Währung: Vertrauen und Transparenz
Für welche Rolle auch immer sich ein Partner entscheidet: Er ist zum Erfolg verdammt. Wie ihm das gelingen kann, zeigte Ubega-Gesellschafter Olaf Kaiser in seiner aufmerksam verfolgten Impuls-Keynote. Er analysierte ausführlich das VUKA-Szenario in der Systemhauslandschaft, um sowohl Mitarbeiter der IT-Dienstleister als auch der Kunden auf diese Reise mitzunehmen. Demnach muss das moderne Systemhaus als vertrauenswürdiger Ansprechpartner überzeugen und einen transparenten, nachvollziehbaren Mehrwert für seine Kunden schaffen.
VUKA - Volatil, Unsicher, Komplex, Ambivalent - ist der Markt für IT-Dienstleister in der Tat, und das liegt nicht nur an der zunehmenden Menge von Born-in-the-Cloud-Wettbewerbern. Kunden erwarten von ihrem Managed-Services-Provider (MSP), dass er nicht nur ihre Geschäftsprozesse verbessert, sondern sie weit über die reine Technologie hinaus berät. Das verlangt eine hohe Fähigkeit zur steten Veränderung. Olaf Kaiser skizzierte dafür die wichtigsten Instrumente und Handlungsweisen. Seine Kernbotschaft: "Wenn man ein komplexes System verändern will, muss man auf das Miteinander achten - Transparenz und Vertrauen sind hier alles!"
Klingt einfach, ist aber schwer. Kaiser benennt dafür drei Hauptgründe: Handlungsdruck, der zu viel Stress aufbaut, Angst, sowohl vor den Veränderungen als auch vor dem Nichtstun, und drittens fehlende Visualisierungen: "Wer nicht sieht, wo es hingeht, empfindet Transformationen schnell als nicht übersichtlich genug." Sich diesen drei Faktoren zu stellen sei entscheidend, um Transformation erfolgreich zu bewältigen. Wie aber schafft man dieses Vertrauen, diese Transparenz? Und wie gewinnt man die nötigen Mitarbeiter? Andreas Bortoli, Vorstand der Neumeier AG, und Michael Krämer, Geschäftsführer von Krämer IT Solutions, präsentierten dazu praxiserprobte Methoden und Lösungswege.
Die Unternehmenskultur ist für viele Fachkräfte das ausschlaggebende Kriterium, sich an den ausgewählten Arbeitgeber länger zu binden. Doch eines ist dabei unverzichtbar: "Nur wenn die Aktivitäten nach außen getragen werden, wird man sichtbar!", appellierte Krämer an die Zuhörer: "Mit IT-Leuten gewinnen Sie keinen Marathon - aber wenn Sie mit 104 Mitarbeitern auftauchen, dann kann man Sie nicht ignorieren." Jeder Geschäftsführer und jeder Mitarbeiter sei immer auch Markenbotschafter des eigenen Unternehmens.
Bortoli: "Was wir unseren Kunden alles zumuten!"
Bortoli rückte beim Thema Cloud-Vertrieb den gleichen Aspekt in den Mittelpunkt: Partner müssten der Frage, welche Botschaft sie ihren Kunden mit jeder Geste vermitteln, viel größere Aufmerksamkeit schenken. Am Beispiel Werbematerial und dem darin ausgedrückten Selbstverständnis las er der Branche - Herstellern wie Partnern gleichermaßen - gründlich die Leviten. "Passende Unterlagen sind unverzichtbar - und vor allem: Jeder muss die erklären können! Lesen Sie mal selbst, was Sie Ihren Kunden zumuten! Englische Begriffe, die Sie selbst nicht verstehen - nur weil es gut klingt! Den Nutzen für den Kunden exakt darzulegen - darauf kommt es an. Das ist harte Arbeit. Der Kunde wird viel zu oft vergessen! Dabei ist es doch sein Standpunkt, der zählt." Das ist Voraussetzung für Vertrauen.
Zum Video: Willkommen in der VUKA-Welt
Technologien und Vertriebsmodelle für die Zukunft
Eurocloud-Deutschland-Direktor Andreas Weiss pflichtet ihm bei: "Um sich bei völlig neuen Aufgaben im Cloud-Umfeld mit einem Vertrauensvorschuss zu platzieren, sind Zertifizierungen und eine klare strukturierte Leistungsbeschreibung für den Kunden oder Lösungspartner enorm hilfreich."
Mit dem Wandel zum "Trusted Advisor" haben allerdings auch Hersteller selbst noch zu kämpfen. Denn in der Zusammenarbeit zwischen Anbieter und IT-Dienstleister oder MSP hat sich vielerorts nur wenig geändert. Die Fixierung auf Produkt-Features, die an Produktverkaufszahlen gekoppelten Umsatzziele und überholte Provisionsmodelle - hausintern ebenso wie bei den Systemhäusern - behindern oft die Entwicklung neuer Rollen in der Wertschöpfungskette.
Die Botschaft an die Partner lautet zwar allerorten: "Weg vom Produktverkäufer hin zum Lösungs- und Prozessberater des Kunden." Aber was passiert, wenn der Produktumsatz eines bislang umsatzstarken Partners Stück für Stück in den Keller rauscht, weil er verstärkt Beratungsleistung verkauft und daran verdient? Bei "Channel meets Cloud" haben sich Hersteller dieser Thematik gestellt. Workshops und Best Practices orientierten sich an zwei Kernfragen: Wie können Partner auf Basis der jeweiligen Technologie ihre neue Rolle in der Wertschöpfungskette entwickeln? Und wie können sie damit gleichzeitig ihre Kunden bei den Herausforderungen der digitalen Transformation unterstützen?
HPE, Datto/Autotask, Kaspersky, Profitbricks, Lancom, Kemp, Nfon, Syseleven, Watchguard, Rackspace, A1 Digital, Seal Systems, Vanquish und Voiceworks spannten dabei den technologischen Bogen von hybriden Infrastrukturen über Modern-Workplace-Konzepte und die hoch performante Applikationsbereitstellung bis hin zur Automatisierung von Services und den in allen Bereichen unerlässlichen Security-Aspekten.
Auf dem "Channel meets Cloud"-Event kam klar zur Sprache, dass Themen wie Automation von Services oder auch IoT-Projekte inzwischen nicht mehr nur Theorie, sondern gelebte Praxis sind. In den einzelnen Sessions wurden die konkreten Beispiele lebhaft erörtert. "Der deutsche IT-Channel ist reifer geworden - wir sind bereits mitten in der Digitalisierung, auch was die Transformation von Service-Providern betrifft. Jetzt gilt es für die gesamte Branche, lauter zu werden", zieht Alexander Roth, Geschäftsführer von Evernine und Moderator bei "Channel meets Cloud", seine persönliche Bilanz.