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Wie Social Media uns krank macht – und wie wir uns schützen können

30.06.2023 von Steffen  Zellfelder
Facebook, TikTok, Instagram: Soziale Medien können Depressionen auslösen und uns krank machen. Hier lesen Sie, woran das liegt und wie Sie sich schützen.
Foto: metamorworks - shutterstock.com

Angefangen hat es eigentlich ganz harmlos, zumindest in Deutschland. Unser erstes soziales Netzwerk war das StudiVZ (Launch 2005) und sein Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Das Anlegen persönlicher Profile, die Suche nach Bekannten oder das Erstellen von Foto-Alben waren derart beliebte Funktionen, dass die Nutzerzahlen rasch nach oben kletterten - satte 16 Millionen User hatte die Plattform in ihren besten Zeiten - eine echte Erfolgsgeschichte.

Vielleicht auch ein Omen, denn obwohl sich das StudiVZ neben Konkurrenten wie Facebook am Ende nicht behaupten konnte und im März letzten Jahres endgültig eingestellt wurde, hat es uns doch eines klar bewiesen: die gewaltige Sogwirkung von Social Media. Und die ist bis heute ungebrochen: Laut Statista nutzen rund 4,9 Milliarden Menschen auf der Welt das Internet - und davon sind ganze 4,6 Milliarden regelmäßig in sozialen Netzwerken aktiv. Das sind rund 94 Prozent - also praktisch jeder.

Kein Wunder, dass sich Berichte und Studien mehren, die negative Auswirkungen von Facebook, Twitter und Instagram dokumentieren. Depressionen, soziale Isolation oder Gefühle von Angst und Einsamkeit sind bei exzessiver Social-Media-Nutzung keine Seltenheit und betreffen Nutzer jeden Alters und jeder sozialen Schicht. Welche Gefahren der mentalen Gesundheit heute in sozialen Netzwerken drohen und wie Sie sich davor schützen, lesen Sie hier.

Brennpunkt Social Media: Diese Gefahren drohen

Worüber man früher schon viel mutmaßte, ist heute praktisch Fakt: Social Media kann krank machen - und in vielen Fällen tut es das auch. Das wird von zahlreichen internationalen Untersuchungen belegt. Eine aktuelle Studie dazu stammt beispielsweise aus dem Journal of Affective Disorders Reports (Dezember 2022). Wenn Sie die nicht komplett lesen wollen, dann fassen wir zwei wichtige Erkenntnisse der Forscher mal zusammen:

  1. Social Media kann unabhängig von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen zu Depressionen führen.

  2. Interventionen sollten in jedem Fall darauf abzielen, die Häufigkeit zu reduzieren, mit der Betroffene soziale Medien konsumieren.

Na prima, ist der Fall damit schon gelöst? Jeder kann Schaden nehmen und wir sollten Browser und Apps einfach etwas früher schließen, dann wird schon alles gut? Leider kann man die Problematik nicht so pauschal eindampfen, dafür ist das Thema dann doch zu komplex. Sehen wir uns einmal an, auf welche Weise Twitter, Facebook und Co. uns krank machen können.

Ständiges Vergleichen mit anderen schadet der Psyche

Es ist vielleicht das Kernproblem: Bei sozialen Medien geht es ja immer darum, anderen Auszüge aus dem eigenen Leben zu präsentieren. Respekt, Anerkennung und sozialen Status erhält man dann abhängig davon, wie geschickt man sich inszeniert und wie bewundernswert - oder sogar beneidenswert - die eigenen Posts im Feed von Freunden und Followern erscheinen. Konsumenten solcher Meldungen kommen dann aber gar nicht darum herum, sich mit den aufgebauschten und mitunter professionell in Szene gesetzten Lebensinhalten anderer zu vergleichen. War mein letzter Urlaub auch so toll? Könnte ich mir so ein Auto leisten? Bin ich auch so schön?

Selbst wenn man einige dieser Fragen mit Ja beantworten könnte, kann allein die wirkungsmächtige Inszenierung solcher Meldungen ein anderes Bild im Kopf entstehen lassen. Von negativen Begleiterscheinungen fehlt in solchen Posts ja jede Spur. Wenn sich darunter dann auch noch viele Likes und Kommentare sammeln, wirken die Meldungen auf unserem sozialen Radar umso beneidenswerter - und das eigene Leben umso öder und leerer.

"The Facebook Files" - Die ignorierte Gefahr

Etwa drei Milliarden Menschen loggen sich allein auf den Plattformen von Mark Zuckerberg regelmäßig ein: Das sind Facebook, Instagram und WhatsApp. Dass die virtuellen Leben so vieler Menschen dem Willen eines einzelnen CEOs ausgeliefert sind, macht Kritiker schon lange unruhig. Spätestens seit die Whistleblowerin Frances Haugen in 2021 mit brisanten internen Dokumenten an die Öffentlichkeit trat, muss man den Skeptikern wohl recht geben: Dass nämlich besonders Jugendliche auf Instagram psychisch Schaden nehmen, war demnach intern längst bekannt.

Die im Rahmen der sogenannten "Facebook Files" veröffentlichten Dokumente und Studien (die wohlgemerkt direkt von Facebook bzw. Meta stammen) zeichnen ein ernüchterndes Bild. Sie dokumentieren nicht nur, dass es rund einem Drittel der Jugendlichen, die bereits mit psychischen Krankheiten zu kämpfen haben, nach der Instagram-Nutzung mental noch schlechter geht und dass dabei Zwänge entstehen, sich anzupassen und gesellschaftlichem Druck zu folgen. Sie zeigen vor allem auch, dass sich der Konzern dieser negativen Auswirkungen und Risiken längst bewusst war - das aber wohl weitgehend ignoriert hat.

Dass Facebook-Posts zur Gewalt in Entwicklungsländern beitragen, dass die Plattform großzügig Falschinformationen verbreitet und systematisch Posts verteilt, die bei Nutzern besondere Wut auslösen, wusste man intern demnach schon längst. Auch dass Beiträge mit Inhalten zu Magersucht oder Fotos von Selbstverletzungen vom Facebook-Algorithmus gezielt an junge Nutzer verteilt wurden, geht aus den Dokumenten hervor.

Doomscrolling

Das "Doomscrolling" bezieht sich nicht primär auf soziale Medien, es tritt dort aber auch auf. Eigentlich bezeichnet der Begriff den übermäßigen und geradezu zwanghaften Konsum schlechter Nachrichten mit gesundheitsschädlichen Folgen. Historisch kann man solche Affinität für schlechte Nachrichten gut erklären: Für den Urmenschen war es oft überlebenswichtig, Gefahren und potenziellen Risiken die größtmögliche Aufmerksamkeit zu schenken. Banal gesagt: Das Knurren eines Säbelzahntigers durften unsere Ahnen nicht ignorieren.

Das Phänomen spielt dann auch noch mit einer weiteren menschlichen Eigenart zusammen, nämlich der "Negativen Voreingenommenheit". Dieser psychische Mechanismus veranlasst uns, vom Konsum schlechter Nachrichten stärker negativ beeinflussen zu werden, als uns positive Meldungen beglücken. Selbst wenn man also genauso viele gute wie schlechte Nachrichten liest, entsteht ein negativer Einfluss auf das mentale Wohlbefinden.

Das lässt sich ziemlich direkt auf die Newsfeeds in sozialen Medien übertragen, auch wenn es da nicht primär um klassische Nachrichten geht. Wenn wir einen Post negativ interpretieren, etwa weil wir das Gefühl haben, der Poster führt ein schöneres oder erfolgreicheres Leben als wir selbst, hat mehr Freunde oder eine bessere Figur, dann handelt es sich für das Unterbewusstsein durchaus um eine negative Nachricht.

Aufgrund unserer tief verankerten Affinität für negative Nachrichten neigen wir dann aber dazu, solchen Meldungen gezielt zu folgen. Weil Content-Filter und intelligente Algorithmen in sozialen Medien uns dabei auch noch behilflich sind, verschlimmert sich das Problem noch.

Social Media ist ideal für Cybermobbing

Nicht nur Kinder und Jugendliche leiden massiv an Cybermobbing - auch wenn diese Altersgruppen vielleicht am schlimmsten betroffen sind. Unter Kollegen kann es auch schnell zu systematischen und koordinierten Angriffen auf das Selbstwertgefühl oder die persönliche Ehre kommen. Was im echten Leben schon problematisch ist, türmt sich in sozialen Medien zu ganz neuen Höhen auf, weil die Instrumente zum Mobbing hier ideal sind: Mobber können anonym über ihre Opfer herziehen und die Ergebnisse sind für alle Schadenfreudigen sofort sichtbar. Dazu muss man sich das Elend, dass man anderen antut, ja nicht einmal ansehen - deren Kummer spielt sich ja in der Regel vorm heimischen Display ab.

Je mehr Zeit man mit Social Media verbringt, desto größer das Risiko

In einer langfristig angelegten Studie der Universität Montreal wurde der Effekt von Social Media auf tausende Teenager über vier Jahre hinweg beobachtet. Auch hier haben sich deutlich negative Auswirkungen auf die seelische Gesundheit der Probanden gezeigt. Eine wichtige Erkenntnis der Wissenschaftler: Die schädlichen Effekte stammen nicht daher, dass bei übermäßigem Social-Media-Konsum wenig Zeit für wichtige und "normale" soziale Aktivitäten bleibt. Also beispielsweise das Kontakten mit Freunden im Real Life, Sport oder Familie.

Negative Auswirkungen von Social Media eindämmen: Diese Mental-Health-Apps helfen

Um das Chaos, die Unruhe oder negative Gefühle zu verarbeiten, die mit dem Gebrauch sozialer Medien einhergehen können, stehen mittlerweile viele Apps für Android und iOS zur Verfügung. Eine Auswahl nützlicher Anwendungen stellen wir Ihnen hier vor.

Social Media besser nutzen - mit diesen Tipps schützen Sie sich

Ganz klar: Soziale Medien haben auch viele positive Seiten. Sie erlauben es uns, direkt und einfach mit Freunden oder der Familie in Kontakt zu bleiben, schöne Momente im Leben zu teilen und verbinden uns miteinander. Um sich vor negativen Auswirkungen zu schützen, muss man also nicht gleich alle Konten löschen oder den Router verkaufen. Es gibt aber eine Reihe einfacher und sinnvoller Tipps, die einen gesünderen Umgang mit sozialen Netzwerken versprechen, ohne dabei in digitale Askese zu verfallen.

Grenzen setzen: Naheliegend und logisch - aber leider nicht immer einfach. Viele Probleme bei der Nutzung von Social Media gehen auf einen Überkonsum zurück, man verbringt einfach zu viel Zeit damit, Feeds zu blättern, an Diskussionen teilzunehmen oder sich von professionellen Selbstdarstellern beeindrucken zu lassen. Setzen Sie sich selbst Zeitlimits, die Sie dann aber auch einhalten sollten. An ausgewählten Wochentagen komplett auf Social Media zu verzichten, ist auch eine gesunde Strategie.

Die richtigen Kontakte pflegen: Im Privatleben überlegen wir uns oft genau, mit welchen Menschen wir unsere Zeit verbringen. So eine Auswahl sollte man auch in sozialen Netzwerken treffen. Wer sich stundenweise den Lebensstil schlanker, wohlhabender und bildschöner Influencer ansieht, die von einem Luxus-Urlaub zum nächsten jetten, läuft schnell Gefahr, den Wert eigener Lebensinhalte zu relativieren. Da kann es helfen, mit Kontakten in sozialen Medien ähnlich umzugehen, wie man es im Freundeskreis tut: Also eher einen Austausch suchen, als Inszenierungen zu bewundern.

Streit, Trolle und negative Akteure meiden: Klar, das klingt zunächst leichter gesagt als getan. Man muss sich auf Twitter aber nicht mit jemandem streiten, der nichts vom Frauenwahlrecht hält oder die Todesstrafe geil findet. Gegen Hass und Mobbing kann es auch helfen, Profile privat zu schalten oder nur Kontakten das Kommentieren auf eigenen Seiten zu erlauben.

Kein Social Media im Bett - oder unmittelbar vor dem Schlafengehen: Direkt vor dem Schlafen auf leuchtende Displays zu schauen, ist generell nicht empfehlenswert. Die aufdringliche Flut selbstverliebter Posts, schrille TikTok-Videos oder aggressive Diskussionen sollte man aber auch nicht mit in den Schlaf nehmen.

(PC-Welt)