Die Ära der smarten Maschinen werde den größten Umbruch in der Geschichte der Informationstechnologie auslösen, prognostizierte das Marktforschungsunternehmen Gartner bereits 2015. In fast alle Back-End-Systeme integrierbar, ermöglichen es kognitive Mitarbeiter Unternehmen, Behörden und Institutionen, eine ganze Reihe von Anwendungsfeldern zu automatisieren, indem sie Aufgaben relativ selbständig abarbeiten. Hierzu zählen Bereiche wie E-Commerce, Kundensupport, Informationsrecherche und -weitergabe oder ganz allgemein das Erledigen von Routineaufgaben.
Doch wie menschlich sind diese Maschinen? Auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) entwickelte Technologien sind heute in der Lage, Sprache und Schrift zu verstehen, Inhalte zu begreifen und Lösungen auf Basis von Fragestellungen zu finden, beziehungsweise diese zu beantworten. Die Fähigkeiten der meisten Technologien in diesem Bereich beschränkten sich bislang darauf, gewonnene Informationen im Rahmen eines reinen Pattern-Matchings – auf Basis von Abfragen und Analysen – zu verarbeiten.
Mentale Fähigkeiten werden also bis zu einem bestimmten Grad nachgeahmt, ein eigenständiger, organischer Lernprozess findet aber bislang nicht statt. Es gibt jedoch jetzt KI-Konzepte, die einen erfahrungsbasierten, kontinuierlichen Lernprozess in die eigene Architektur integriert haben. Um diese Lernfähigkeit effektiv zu nutzen, genügt es jedoch nicht, lediglich Gesagtes zu verstehen. Es muss auch ein Wissen darüber vorhanden sein, welche Intention innerhalb eines Gesprächsverlaufs tatsächlich inhaltlich besteht oder was das Ziel einer Transaktion sein soll. Als Vorbild dient bei all diesen Überlegungen das menschliche Gehirn.
Gehirn 2.0 oder wie Maschinen das Lernen lernen
Doch ist die Funktionsweise des menschlichen Gehirns übertragbar? Tatsächlich ist ein neuronal aufgebautes Netzwerk die technologische Basis solch maschinellen Lernens. Dieses ist wie das menschliche Vorbild episodisch und semantisch organisiert.
Im semantischen Gedächtnis werden die grundlegenden Bedeutungen von Wörtern, Begriffen und deren Zusammenhänge in abstrakter Form gespeichert. Das episodische Gedächtnis hingegen ist im Hippocampus angesiedelt und speichert Erfahrungen und Fakten. In gleicher Weise ermöglicht das episodische Gedächtnis einer KI-Plattform, unterschiedliche Erfahrungen und Ereignisse in autobiographischer Form zu ordnen. Die Kombination dieser beiden Gedächtnisfunktionen versetzt moderne kognitive Agenten in die Lage, in natürlicher Sprache zu kommunizieren und nicht auf festgelegte Abfolgen beschränkt zu sein.
Neben einem semantischen Gedächtnis zur Aufzeichnung von Fakten, Konzepten und Expertenwissen kann auf eine integrierte Prozess-Ontologie zurückgegriffen werden, etwa wenn im CRM-Bereich Kundenanfragen oder Beschwerden zu bearbeiten sind. Diese dient dazu, den Gesprächsverlauf gezielt zu steuern und fehlende Informationen für weitere Bearbeitungsschritte zu sammeln.
Sollte der kognitive Agent jedoch tatsächlich einmal nicht mehr weiter wissen, leitet er die Anfrage an einen menschlichen Mitarbeiter weiter. Dies wäre bei bestimmten Abweichungsparametern hinsichtlich des Gesprächszieles, eines vordefinierten Bearbeitungsprozesses oder bei emotionalen Deutungsschwierigkeiten möglich. Die Plattform protokolliert dabei jede Abweichung von bestehendem Wissen. In einem nachgelagerten Prozess wird dann entschieden, um welche Fakten das Gedächtnis ergänzt werden soll. Das Ergebnis: Die KI-Plattform verwaltet ein Abbild ihrer Umwelt in einer eigenen, semantischen Datenstruktur, die ständig erweitert werden kann.
Erlebte Empathie – ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg
Natürlich geht es im Kontakt mit kognitiven Agenten primär um die Abfrage von Informationen oder die professionelle Erledigung von Serviceleistungen oder Prozessen. Nichtsdestotrotz verhält der Mensch sich im Umgang mit einem Gegenüber – sei dieses nun menschlich oder virtuell – nach bestimmten Grundmustern. Je freundlicher und empathischer sich kognitive Agenten im direkten Austausch mit den Kunden oder Antragsstellern verhalten, desto zufriedenstellender und positiver wird die Zusammenarbeit mit diesen empfunden. Gleichzeitig steigt dadurch auch die Akzeptanz und Bereitschaft, solche Dienste erneut zu nutzen.
Realisiert werden kann dies beispielsweise mithilfe eines dreidimensionalen Emotionsmodells, das den Stimmungsverlauf während eines Gesprächs über einen Stimmungs- und Persönlichkeitsvektor registriert. Dieser ist so konzipiert, dass er alle relevanten Möglichkeiten des menschlichen Stimmungsverhaltens erfasst und auswertet. Die hieraus gewonnenen Informationen ermöglichen einem kognitiven System, das eigene Antwortverhalten entsprechend anzupassen und versetzen es in die Lage, gestisch, mimisch und akustisch individuell auf das Verhalten des Kunden zu reagieren.
Um das Ganze möglichst menschlich zu gestalten, können entsprechend programmierte digitale Muskeln, insbesondere im Gesicht, bewegt werden – mit dem Ergebnis, jedem Kunden einen prozessual optimierten, aber eben auch persönlichen und empathischen Service bieten zu können.
Diese menschlichen Funktionen haben das Potenzial, im Transformationsprozess hin zu mehr künstlicher Intelligenz im alltäglichen Leben, eine gewisse Form von „Menschlichkeit“ zu bewahren. Eine Maschine, sei sie physisch oder rein digital, wird de facto nie ein menschliches Gegenüber ersetzen können. Die Fähigkeit zur Empathie kann aber auf jeden Fall helfen, Berührungsängste zu überwinden und eine schnellere Akzeptanz für die neuen Ansprechpartner schaffen. (haf)