"Darknet"

Wie Kriminelle das Netz der Finsternis nutzen

01.03.2016
Mit einer Razzia gegen Internet-Kriminelle bringt die Polizei etwas Licht in einen entlegenen und dunklen Winkel des Internet. Es geht um das sogenannte Darknet. Im aktuellen Fall waren Heroin, gefälschte Pässe und Waffen im Angebot.

Bei einer Großaktion der Polizei gegen Betreiber und Nutzer illegaler Plattformen im Internet sind neun Verdächtige festgenommen worden.

Gegen wen richten sich die Ermittlungen?

Im Visier der Fahnder stehen mutmaßliche Betreiber und Nutzer verschiedener deutschsprachiger Internetforen der sogenannten Underground Economy (UE, wörtlich übersetzt: Untergrund-Wirtschaft). Die Ermittlungen wurden von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und dem Bundeskriminalamt geführt. Am vergangenen Dienstag und Mittwoch wurden insgesamt 69 Wohnungen und Firmenräume im In- und Ausland durchsucht und neun dringend Tatverdächtige festgenommen. "Damit ist es uns erstmals gelungen, so viele Beteiligte und Nutzer von UE-Foren zu identifizieren und den Betreiber festzunehmen", erklärte der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität, Oberstaatsanwalt Andreas May.

Woher stammen die Tatverdächtigen?

Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt in Deutschland, wie der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle bestätigte. Die Razzia fand fast bundesweit in zwölf deutschen Bundesländern statt. Es wurde aber auch im Ausland ermittelt, nämlich in Bosnien-Herzegowina, der Schweiz, Frankreich, den Niederlanden, Litauen und Russland. Acht der neun Festnahmen gab es in Deutschland. Mutmaßlicher Hauptbetreiber von insgesamt drei UE-Foren ist jedoch ein 27-jähriger bosnischer Staatsangehöriger, der in Bosnien-Herzegowina festgenommen wurde.

Was wird den Betreibern vorgeworfen?

In den Foren wurden Waffen und Drogen gehandelt, etwa Heroin, Kokain, Cannabis, Amphetamine und Ecstasy. Erhebliche Mengen dieser harten Drogen seien bei der Aktion sichergestellt worden, sagte Oberstaatsanwalt May: "Damit haben wir nicht gerechnet." Es waren aber offenbar auch gefälschte Ausweise, Falschgeld und ausgespähte Daten im Angebot, darunter Kreditkarten- und Online-Banking-Daten und "gehackte" Zugänge zu verschiedenen Internetdiensten. Darüber hinaus wurden in den Foren kriminelle Dienstleistungen angeboten, beispielsweise die Infektion von Computern mit Schadsoftware, Anleitungen zur Begehung von Straftaten sowie illegale Streaming-Dienste.

Was ist eigentlich das "Darknet"?

Das Internet und das World Wide Web sind eigentlich als offene Dienste konzipiert, in dem jeder mit jedem Daten austauschen kann. Im "Darknet" (Dunkles Netz) werden wie in einer Art Paralleluniversum abgeschirmte Verbindungen hergestellt, auf die man von außen nicht ohne weiteres zugreifen kann. In der Regel benötigt man eine Einladung, um Zugang zu einem Darknet zu erhalten. "Ermittlungen in diesem Bereich werden vor allem dadurch erschwert, dass die Täter dank sogenannter Nicknames im Darknet weitestgehend anonym handeln können", erklärte der Leiter des Fachbereichs Cybercrime im Bundeskriminalamt, Carsten Meywirth.

Wie hat sich das Darknet entwickelt?

Traditionell gibt es eine enge Verbindung zwischen illegalen Tauschbörsen und dem Darknet. Dort werden heute auch gestohlene Zugänge zu Videodiensten wie Netflix und Amazon, aber auch erbeutete Kreditkartennummern oder PayPal-Zugänge offeriert. Die aktuelle Razzia zeigt aber auch, dass es in dem abgelegen Winkel des Internet auch um gravierende Straftaten wie illegalen Drogen- oder Waffenhandel geht. "Wir hoffen, dass die Großaktion eine Art Nachhalleffekt hat", sagte Oberstaatsanwalt May, "denn die Anzahl krimineller Foren ist nahezu unerschöpflich."

Wie funktioniert das technisch?

Für den Zugriff auf das "Netz der Finsternis" verwenden viele Anwender das "Tor"-Netz (The Onion Router). "Tor" wird allerdings auch von denjenigen benutzt, die ein völlig legitimes Interesse an einer geschützten Kommunikation haben, etwa Menschenrechtsaktivisten oder User in Unrechtsstaaten. "Tor" steht für "The Onion Router" und wird als freie offene Software angeboten, mit der man sich einen verschlungenen Weg durch Tausende Computer von Freiwilligen suchen kann. Die Daten werden von einer Verschlüsselung nach der anderen umhüllt und wieder befreit, daher der Namensvergleich mit der Zwiebel (Onion). Überwacher können kaum rekonstruieren, woher der Aufruf einer bestimmten Website stammte. (dpa, Stephan Köhnlein, Christoph Dernbach/sh)