Die Geschäftswelt prägten in den vergangenen Jahrhunderten Männer. Von den mittelalterlichen Gilden über die Industrie-Barone bis zur modernen IT-Branche: Männer steckten den Rahmen ab und bestimmten die Spielregeln. Doch in den vergangenen Jahrzehnten veränderte sich das Wirtschaftsleben rasant. Berufstätige Frauen fordern ein Stück dieser Macht, rütteln aber oft noch zu zaghaft an den Eingangstoren.
Demografischer Wandel und Fachkräftemangel verschaffen ihnen Rückenwind, gerade in der IT-Branche fehlt Personal. Selbst der Branchenverband Bitkom wirbt für mehr Frauen in Führungspositionen und gab vor einigen Jahren die Maxime aus, dass bis zum Jahr 2020 mindestens 20 Prozent der Führungspositionen in Frauenhand sein sollen. Dieses Ziel liegt noch in weiter Ferne, denn momentan sind es nur magere vier Prozent.
Doch einige IT-Managerinnen sind in der Unternehmensspitze angekommen. In internationalen Firmen gelingt es scheinbar leichter als in deutsch geprägten. Aber agieren Frauen in Führungspositionen wirklich anders als ihre männlichen Kollegen? Fördern sie einen kollegialen Umgangston? Knüpfen sie strategisch wichtige Netzwerke? Wir haben drei Chefinnen gefragt.
Führen Frauen anders?
"Ja", sagt VMware-Chefin Simone Frömming. Die studierte Maschinenbauingenieurin leitet seit September 2014 die Geschicke von VMware in Deutschland. In in ihrer Karriere war sie für vier Jahre auch schon Geschäftsführerin von Tech Data Deutschland (2007 bis 2011). "Frauen interessieren sich stärker für Inhalte und wollen eine Aufgabe so gut wie möglich erfüllen", ergänzt die Managerin, die auch einen Master-Abschluss in Betriebswirtschaft mitbringt. "Sie gehen Themen stärker fachlich an und arbeiten nachhaltiger."
Allerdings weiß Frömming auch aus eigener Erfahrung, dass Frauen ihre Erfolge nicht so gut verkaufen wie die männliche Konkurrenz. Gut ausgebildete Frauen vernachlässigen die Karriereplanung, konzentrieren sich zu stark auf das Tagesgeschäft, "wühlen sich tief in Fachthemen ein", wie es Frömming formuliert, um perfekte Arbeit abzuliefern. Während sie sich in Details vertiefen, planen ihre Kollegen strategisch. "Männer konzentrieren sich stärker auf ihre Karriere und fragen immer, wie ihnen eine erfüllte Aufgabe zum nächsten Schritt verhilft."
Sich selbst beschreibt Frömming als pragmatisch-norddeutsch und ehrgeizig. Erste Station ihrer Laufbahn war IBM. Dort arbeitete sie viele Jahre im Vertrieb und Pre-Sales und eignete sich umfangreiches Fachwissen an. "Die fachliche Akzeptanz ist wichtig", sagt sie. Doch es braucht mehr, um beruflich voran zu kommen. "'Lass die Fachlichkeit los und konzentriere Dich auf das Führen' war ein wichtiger Hinweis meines Mentors", erinnert sich Frömming. Über exzellente Arbeit empfahl sie sich für erste Führungsaufgaben, nach denen sie selbst nicht aktiv gesucht hatte. "In die erste Führungsrolle wurde ich richtig hineingeworfen", erinnert sie sich.
In einer männlich geprägten Geschäftswelt gelten eigene Spielregeln. Frauen sind gut beraten, genau zu beobachten, schnell zu lernen und Macht- und Ränkespiele zumindest zu verstehen, um die ungeschriebenen Gesetze der eigenen Firma zu durchschauen. Männliche Verhaltensweisen zu kopieren führt selten zum Erfolg, doch die eigene Karriere strategisch planen, sollten ambitionierte Frauen lernen anstatt darauf hoffen, dass ein aufmerksamer Chef ihr Talent erkennt und sie fördert. "Wenn Frauen eine Leitungsposition angeboten wird, erbeten sie sich meistens Bedenkzeit. Ein Mann fragt dagegen gleich nach dem nächsten Karriereschritt", weiß Frömming.
Immer ein offenes Ohr für die Mitarbeiter
Die VMware-Geschäftsführerin pflegt eine harmonische, offene Arbeitsatmosphäre. "Ich führe mit Herz und Verstand", fasst Frömming zusammen. Offene Bürotüren für die Mitarbeiter, Empathie und persönliche Wertschätzung sowie Zuhören bezeichnet die Managerin als Eigenschaften, die ihre Mitarbeiter zu schätzen wissen. "Ich singe auch beim Geburtstagslied für die Kollegen mit, obwohl ich nicht musikalisch bin." Doch wie schafft sie es, Mitarbeiter fachlich zu kritisieren, wenn sie auch deren private Sorgen kennt? "Das ist kein Problem, jeder kennt meine direkte Art und weiß, dass ich jeden schätze und niemanden verletzen will."
Für jeden, der eine herausragende Position im Unternehmen anstrebt, gelten die gleichen Maßstäbe. "Jeder muss sich beweisen, da gibt es keinen Unterschied", betont Frömming. Doch gerade im Vertrieb zählten Frauen lange zu den großen Ausnahmen. "Es gab Phasen, in denen ich mich einsam gefühlt habe", gibt Simone Frömming zu und ergänzt: "Vor zehn Jahren habe ich mir weibliche Netzwerke gesucht. Bei den Treffen gibt es viele Impulse und kreative Anstöße. Auch in der Art und Weise, wie andere Managerinnen entscheiden, sehe ich viele Gemeinsamkeiten."
Führen Frauen anders?
"Nein", sagt Monika Pürsing, Vorstand von zet Visions in Heidelberg. Die 48-Jährige studierte Betriebswirtschaft und wechselte im Jahr 2000 in die IT-Branche. Seit 2010 leitet sie das Unternehmen zet Visions mit seinen 65 Mitarbeitern, das sich mit Beteiligungs- und Stammdaten-Management beschäftigt. Vor dem Interview mit der Computerwoche fragte Pürsing ihre Mitarbeiter, wie sie denn ihren Führungsstil einschätzten. "Als glaubwürdig und authentisch beschreiben mich die Kollegen" erzählt Pürsing stolz, "dass man sich bei mir auf das Gesagte verlassen kann." Sie selbst definiert ihren Stil als "hart aber herzlich" und sagt von sich: "Ich lebe vor, was ich von meinen Mitarbeitern fordere." Dass sie selbst gerne und viel arbeitet, erwartet sie in heißen Projektphasen auch von ihren Angestellten.
Das erste Trainingslager für die willensstarke Managerin begann früh. "Ich habe fünf Geschwister und bin die zweitjüngste. Mich durchzusetzen habe ich in der Familie gelernt." Ihre berufliche Karriere plante sie dagegen - typisch weiblich - nicht. "Ich habe über meine Leistung Karriere gemacht und wurde automatisch befördert", erzählt sie. Allerdings suchte und nutzte sie Chancen. Bot sich eine verantwortungsvollere Aufgabe an, griff sie zu. "Ich mache es lieber selbst, bevor es jemand macht, der weniger kann", ist ihre Maxime. Als ihr der Vorstandsposten angeboten wurde, dachte sie kurz nach. "Inhaltlich zugetraut habe ich es mir, nur wegen der höheren zeitlichen Belastung wollte ich mich mit meinem Mann absprechen."
Kompetent und selbstbewusst den eigenen Weg gehen
"Mit Leistung und Kompetenz überzeugen", ist für die Managerin ganz wichtig. Für Pürsing entscheidet die Persönlichkeit stärker über den Führungsstil als das Geschlecht. Doch sie weiß sehr wohl, wie sich Weiblichkeit nutzen lässt. "Ich spiele meine fraulichen Stärken aus", sagt sie ganz offen. Dazu zählt die Managerin beispielsweise ein gutes Gespür für knifflige Situationen. "Ich weiß intuitiv, wie weit ich gehen kann. Auch auf meine gute Menschenkenntnis kann ich mich verlassen." In Verhandlungen setzt sie dieses Wissen gezielt ein. "Ich habe eine gutes Gespür, wann ich hart bleiben muss oder besser charmant agiere."
40 Prozent der Mitarbeiter von zet Visions sind Frauen. Explizite Frauenförderung betreibt Pürsing allerdings nicht. "Wir schauen nur auf die Qualifikation und ob jemand ins Team passt. Dass wir so viele Frauen beschäftigen überrascht uns manchmal selbst", gibt die Vorstandfrau zu. Sich einen männliches Führungsstil angewöhnen, davon hält Pürsing nichts, für Netzwerke fehlt ihr die Zeit "das kippt hinten runter." Und noch eine typisch weibliche Eigenschaft fällt ihr ein: "Ich kann Fehler zugeben und werfe mich gegenüber Kunden wie ein Löwenmutter vor mein Team."
Führen Frauen anders?
Diana Coso zögert mit ihrer Antwort, denn für die Wirtschaftsinformatikerin schwingt in der Frage auch eine gewisse Erwartungshaltung mit. "Die Frage baut Druck auf und impliziert, dass ich als Frau in einer Führungsposition etwas besser machen muss", sagt sie. Deshalb klingt ihre Antwort mehr nach einem "Ja, aber". Coso arbeitete viele Jahre für Hewlett Packard (HP), wechselte dann zu Microsoft und kam im Januar 2015 als Partner Sales Director zu EMC Deutschland. Dort ist sie auch Mitglied der Geschäftsführung.
"Die gesamte Businesswelt ist von einer männlichen Kultur geprägt", sagt Coso und fügt hinzu: "Frauen müssen die männliche Firewall durchbrechen, um erfolgreich zu sein." Klar ist das manchmal anstrengend, gibt Coso zu, doch es gibt ihrer Meinung nach keine Alternative. Die Managerin liefert eine schöne Metapher, die auch Frauen gefallen könnte. "Es ist wie wenn ich in ein neues Land ziehe, dessen Sprache ich nicht spreche. Ich lerne die kulturellen Gepflogenheiten der Männer im Geschäftsleben wie eine Fremdsprache, ohne meine eigene Sprache zu verlieren."
Immer wieder beobachtet die EMC-Managerin große Unterschiede im Führungsstil von Frauen und Männern. "Für mich gibt es eine andere Zeitachse in Verhandlungen und Gesprächen. Ich kann den Standpunkt des Kunden oder Partners verstehen, auch wenn ich anderer Meinung bin. Wenn Männer die Verhandlungen führen, reagieren sie oft schneller, die Fronten verhärten sich und es kommt zur Konfrontation", verrät Coso. Auch das oft unter Männern übliche Konkurrenzgehabe und Revierverhalten verändert sich, wenn gemischte Teams zusammen arbeiten. "Monokulturen bergen immer mehr Risiken. Die größten Erfolge erreichen balancierte, gemischte Teams", empfiehlt sie.
"Frauen brauchen nicht ganz so viel Platz"
Weiblichen Führungskräften attestiert Coso einen besseren Blick auf das Ganze, weniger Konkurrenzdenken und mehr Verständnis für andere Sichtweisen. "Frauen brauchen nicht ganz so viel Platz." Trotzdem zeichnen sich gute Chefinnen durch Selbstsicherheit aus. "Sie müssen ihren Standpunkt vertreten können", sagt Coso. Aber männliches, dominantes Verhalten nachzueifern, davon hält die Managerin nichts. "Weiblich bleiben ist mir ganz wichtig". Coso verschweigt nicht, dass es auch anstrengende Zeiten im Leben einer IT-Managerin gibt. Doch Netzwerke helfen, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und Coso empfiehlt auch, sich Mentoren oder Mentorinnen zu suchen, um die eigene Arbeit zu reflektieren und die Karriere voran zu treiben. Denn schließlich verändern auch mehr Frauen in Führungspositionen das Arbeitsklima.
In US-amerikanisch geprägten Unternehmen sieht Diana Coso bessere Chancen für ehrgeizige Frauen. Gerade weil Unternehmen wie IBM oder HP von Frauen gelenkt werden, sei es dort selbstverständlicher, Karriere zu machen. "Ich habe immer gerne in einem internationalen Umfeld gearbeitet. In Deutschland wird vieles stärker hinterfragt."
Auch wenn Frauen heute unbefangener und selbstbewusster ihre Karrierepläne verfolgen, beobachtet Coso immer wieder bei jungen Kolleginnen, dass manche bei angebotenen Führungsaufgabe zögern, weil sie nicht auf eine eigene Familie und Kinder verzichten möchten. Viele scheuten noch immer den Konflikt und entschieden sich gegen die Karriere. "Das Leben findet aber parallel statt. Natürlich ist es legitim, beides zu wollen und keine Frau sollte deshalb ein schlechtes Gewissen haben."