Urteil des Bundesgerichtshofs

Wie Firmen mit "klimaneutral" werben dürfen

25.11.2024 von Peter Marwan
Aus eigenem Antrieb, um Kunden zu gefallen oder aufgrund regulatorischer Vorgaben - immer mehr Firmen wollen ihre Bemühungen ums Klima auch für die Werbung nutzen. Ob und wie sie dabei den Begriff "klimaneutral" nutzen dürfen, hat der BGH geklärt.
Der Bundesgerichtshof hat die Möglichkeiten, mit dem Begriff "klimaneutral" zu werben, deutlich eingeschränkt. Eine kommende EU-Richtlinie wird weitere Vorgaben bei "Green Claims" bringen.
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"Klimaneutralität" ist ein vielgenutztes Schlagwort - nicht nur in den Sonntagsreden der Politiker, sondern auch in vielen Vorstandsetagen und Geschäftsführungen. In welchen Bereichen Maßnahmen ergriffen werden müssen, ist inzwischen ziemlich eindeutig geregelt. Klar ist aber auch, dass es in vielen Bereichen nicht völlig ohne die Emission klimawirksamer Gase geht. Zwar gilt grundsätzlich die Empfehlung, "erst vermeiden und reduzieren, dann kompensieren", aber wenn die Reduktionsmöglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sind, dann ist die Kompensation ein durchaus legitimes - wenn auch nicht immer ganz billiges - Mittel.

Inwieweit dann jedoch noch mit dem Begriff "klimaneutral" geworben werden darf, hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 27. Juni 2024 (Aktenzeichen I ZR 98/23) entschieden. In dem Verfahren hatte die Wettbewerbszentrale gegen den Süßwarenhersteller Katjes geklagt. Die BGH-Entscheidung ist jedoch branchenunabhängig gültig.

Anforderungen an "Klimawerbung"

In seinem Urteil hat der Bundesgerichtshof nun strenge Anforderungen an umweltbezogene Werbung festgelegt. Begriffe wie "klimaneutral" hält der BGH für mehrdeutig. Wer damit werben will, muss deshalb schon in der Werbung selbst erklären, was dahintersteckt. Katjes hatte lediglich damit geworben, dass alle seine Produkte klimaneutral produziert würden. Allerdings ist der Herstellungsprozess selbst nicht emissionsfrei. Das Unternehmen unterstützt zum Ausgleich aber Klimaschutzprojekte.

Die Wettbewerbszentrale hatte gefordert, dass die Werbung mit "klimaneutral" bereits in der Werbung näher erläutert wird. Nur dann könne aus ihrer Sicht eine Wettbewerbsverzerrung verhindert werden und ein Innovationswettbewerb um die nachhaltigsten Leistungen entstehen. Dass Katjes in seiner Anzeige einen QR-Code platziert hatte, der zu einer Internetseite mit weiterführenden Informationen führte, war aus ihrer Sicht dafür nicht ausreichend.

"Es war lange Zeit umstritten und unklar, ob für Umweltaussagen in der Werbung weiterhin strenge Maßstäbe gelten und das UWG zu mehr Transparenz beitragen kann. Beides hat der BGH heute bestätigt", kommentiert Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale, in einer ersten Stellungnahme das BGH-Urteil.

Reduktion von Emissionen ist besser als Kompensation

Für das Gericht entscheidend war, dass die Reduktion von Emissionen gegenüber der Kompensation nicht gleichwertig ist, sondern unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes die Reduktion vorrangig sei. "Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff 'klimaneutral' nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung - nicht anders als von Verbrauchern - sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann."

OLG Düsseldorf traute Verbrauchern mehr zu

Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Düsseldorf, hatte noch argumentiert, Verbraucher verstünden den Begriff "klimaneutral" im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz. Sie wüssten, dass diese auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne.

Dem OLG reichte auch die Möglichkeit aus, Detailinformationen über den QR-Code in der Anzeige abrufen zu können. Das sah der BGH anders: "Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie 'klimaneutral' verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend."

Wettbewerblich relevant sei der Aspekt, weil nach Ansicht des BGH "die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist."

EmpCo-Richtlinie der EU macht weitere Vorgaben

Bald müssen Firmen bei "grünen" Werbeversprechen noch vorsichtiger werden. Im Januar hat das EU-Parlament die "Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel" (EmpCo-Richtlinie) angenommen. Der Europäische Rat hat ihr im April zugestimmt. Mit der Richtlinie will das EU-Parlament Verbraucher vor irreführendem Marketing mit sogenannten "Green Claims" - also Nachhaltigkeitsversprechen - schützen.

Es erhofft sich davon eine transparentere Kaufentscheidung und letztendlich durch den Druck der Verbraucher und das Werben um die Gunst der Verbraucher intensivere Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmen. Außerdem soll die weit verbreitete Praxis von Unternehmen, mit Aussagen über ihre Umweltpläne zu werben (etwa "Wir werden 2023 klimaneutral"), zukünftig stark eingeschränkt werden. Anwaltskanzleien wie Noerr oder Pohlmann & Company warnen daher schon jetzt davor, den Bogen zu überspannen und "Greenwashing" zu betreiben.

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