Große Unternehmer und Gründerpersönlichkeiten haben oft ganz besondere Eigenschaften und nicht immer sind diese sympathisch. Ellbogenmentalität und Härte gehören dazu, manchmal auch Narzissmus und Größenwahn. Pat McGovern war anders, und es ist kein Zufall, wenn sich Ethernet-Erfinder Bob Metcalfe in der Biographie "Future Forward" mit folgenden Worten zitieren lässt: "McGovern hat damals sein Startup nicht groß gemacht, indem er erfahrene und energiegeladene Menschen eingestellt hat. Er hat Entrepreneure eingestellt, und er hat Ineffizienz toleriert, weil ihm die Energie dieser Entrepreneure wichtiger war."
Neugier und Risikobereitschaft, aber auch der Mut, Grenzen und Konventionen zu überwinden, waren hervorstechende Charaktereigenschaften von McGovern, der es damit zu einem der weltweit größten Verleger, Unternehmer und Investoren brachte. Salesforce-Gründer Marc Benioff traf McGovern 1999, im Gründungsjahr der Kalifornier, am Flughafen von San Francisco. Der Startup-Gründer hatte damals am Gate nur ein paar Minuten Zeit, und er wusste, dass McGovern, der längst Herrscher über ein Medienimperium war, auch in hoffnungsvolle Startups investierte.
Im Vorwort der Biographie schreibt Benioff: "Ich erzählte ihm, was ich vorhatte, dass ich den Kauf von Software so einfach wie eine Buchbestellung bei Amazon machen wollte. Als er mich angehört hatte, bot er mir direkt an zu investieren. Anders als ein Dutzend von Investoren im Silicon Valley, bei denen ich es zuvor versucht hatte, erkannte McGovern sofort, dass es im ITK-Markt eine seismische Verschiebung in Richtung Cloud Computing geben würde." McGovern wurde zu einem der ersten Salesforce-Investoren, und die Familie erzählte Benioff nach dem Tod des IDG-Gründers, dass er sich von seinen Anteilen nie getrennt habe. "Damit hat er mindestens einen 1000-Prozent-Gewinn gemacht", stellt Benioff fest.
Anderen zuhören, Märkte verstehen, Risiken eingehen, dabei aber authentisch bleiben und nicht die eigene Linie verlassen - das waren laut Biograph Rifkin wichtige Charaktereigenschaften von McGovern. So baute er das Medienimperium IDG auf, das Marktforschungsunternehmen IDC und auch die Investmentgesellschaft IDG Ventures, die nicht nur in den USA, sondern auch in Vietnam, India, Korea und vor allem in China zu einem frühen Zeitpunkt Milliardensummen investierte.
In seinen Geschäftsentscheidungen scheute sich McGovern nicht, ungewöhnliche Pfade zu betreten. York von Heimburg, President International bei IDG Communications und seit 1992 im Unternehmen, gibt im Buch ein Beispiel: "In den US-Unternehmen der 1960-er Jahre lag der Fokus auf Wachstum. Größe war alles. Dabei herrschte Konsens darüber, dass die Betriebe zentral aus den USA heraus gelenkt werden müssten. Pat tat genau das Gegenteil. In dieser Zeit ein dezentral strukturiertes Unternehmen aufzubauen, in dem Glauben, dass Business, Informationsflüsse und Kundenbeziehungen lokal besser funktionieren - das war absolut revolutionär."
Heute Deutschland, morgen China, übermorgen der Rest der Welt
In Deutschland startete McGovern 1974 mit der COMPUTERWOCHE, dem deutschen Pendant zur 1967 gegründeten "Computerworld". Der IDG-Gründer hatte erkannt, dass Deutschland Europas größter Markt für elektronische Datenverarbeitung war und wollte von hier aus in Europa expandieren. Dabei stellte die politisch prekäre Situation in einem Europa, das durch den Eisernen Vorhang gespalten war, für ihn kein Hindernis dar - im Gegenteil. McGovern und der spätere COMPUTERWOCHE-Verleger und -Geschäftsführer Eckhard Utpadel machten es zu ihrem erklärten Ziel, Information auch zu den Menschen zu bringen, die politisch abgeschnitten waren.
Mit diesem Pioniergeist veröffentlichte McGovern als erstes westliches Verlagshaus eine Publikation im damals noch tief maoistisch geprägten China. Für York von Heimburg stellt diese Entscheidung einen wichtigen Schritt in der IDG-Geschichte dar. McGovern war der erste in der Volksrepublik tätige ausländische Verleger, und er gründete auch das erste amerikanisch-chinesische Joint Venture. Heute ist der bereits 1992 aufgelegte Venture Fund "IDG Capital" mit seinen 700 Beteiligungen und über 160 erfolgreichen Exits der größte internationale Venture Fund in China und der achtgrößte Fund weltweit. Auch bei populären chinesischen Internet-Firmen wie Baidu und Tencent war IDG von Anfang an beteiligt.
McGovern hatte erkannt, auf welcher Grundlage westliche Unternehmen in China Erfolg haben können: Im Reich der Mitte sind gute persönliche Beziehungen das Fundament für geschäftlichen Erfolg. Dementsprechend unternahm er mehr als 130 Reisen nach Fernost, lernte die Kultur kennen und behandelte die Belegschaft dort mit demselben Respekt, den er allen Mitarbeitern entgegenbrachte. McGovern hatte bald den Status eines Ehrenbürgers und erhielt Auszeichnungen, die kein anderer Abendländer davor je erhalten hat.
Eine Geschichte, die erzählt werden muss
Rifkins Buch erzählt die Geschichte einer Führungspersönlichkeit "die keine Grenzen kannte", wie es Axel Leblois, ehemaliger CEO von IDG, formuliert. "Jede Kultur lehrte ihn wertvolle Dinge, die er in seinen Führungsstil einfließen ließ. Er respektierte alle Menschen, unabhängig von ihrem Job-Titel oder ihrer Herkunft und das machte seine Menschlichkeit sehr greifbar für mich," fasst der Autor eine zentrale Erkenntnis aus seinen Recherchen zusammen.
Die verschiedenen "Lektionen" des Buches beleuchten diesen erfolgreichen Management- und Führungsstil in allen Facetten. Angefangen bei der Vision über Verhaltensweisen, Unternehmensstruktur und Management-Auswahl bis hin zum Umgang mit den Mitarbeitern. Natürlich bleiben auch die philanthropischen Leistungen McGoverns nicht unerwähnt: Rund 350 Millionen Dollar investierten er und seine deutsche Ehefrau Lore in ein Institut für Gehirnforschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston - unweit vom IDG-Firmensitz in Framingham.
"Er wollte verstehen, wie das Gehirn funktioniert und er wollte neue Wege entdecken, Krankheiten zu vermeiden oder zu behandeln", schreibt Benioff. Deshalb habe er nicht nur Geld gespendet, sondern auch mit den Wissenschaftlern diskutiert, Touren durch das Institut organisiert und Leute wie ihn, Marc Benioff, als Unterstützer gewonnen.
Biograph Rifkin schreibt seit fast 30 Jahren für die New York Times und verfasste Beiträge für zahlreiche weitere Publikationen, darunter das Wall Street Journal und die Harvard Business Review. In den 1980-er Jahren arbeitete er als leitender Redakteur bei der Computerworld und lernte den Führungsstil von Pat McGovern aus erster Hand kennen. Der Kontakt riss in den Folgejahren nie ab. Nach seinem Weggang von IDG führte Rifkin zahlreiche Interviews mit McGovern, in denen die Idee für das Buch entstand. (rs)