Noch im Herbst soll Azure Stack, die On-Premise-Version von Microsofts Public Cloud, allgemein verfügbar sein. Ordern können die Kunden schon jetzt, und so mancher IT-Manager dürfte sich fragen, worin für ihn der konkrete Nutzen der Private-Cloud-Plattform liegt. Microsofts Antwort ist simpel: Azure Stack erlaubt es Unternehmen, eine etablierte und womöglich schon gewohnte Cloud-Plattform zu nutzen, ohne sensible Daten in eine Multi-Tenant-Umgebung auszulagern. Das könne in dieser Form derzeit kein anderer der großen Public-Cloud-Player bieten.
Das Softwarepaket Azure Stack läuft auf zertifizierter Hardware von ausgewählten Microsoft-Partnern. Es soll Nutzern das gleiche Look and Feel bieten wie die Azure Public Cloud. Unternehmen können Private- und Public-Cloud-Ressourcen der Azure-Familie über eine gemeinsame Management-Konsole verwalten. Azure Stack stellt dabei sowohl Infrastruktur (IaaS) als auch Plattformdienste (PaaS) zur Verfügung. Vereinfacht ausgedrückt, macht Azure Stack die komplette Azure-Technik im lokalen Rechenzentrum verfügbar.
Interessant an den jüngsten Ankündigungen Microsofts ist unter anderem der Zeitpunkt der Marktfreigabe. Denn ab September dieses Jahres will auch VMware über eine Kooperation mit Amazon Web Services (AWS) im Hybrid-Cloud-Markt mitmischen. Mit VMware on AWS sollen Unternehmen künftig ihre lokalenVMware-Installationen mit der Public Cloud verknüpfen und bei Bedarf den kompletten VMware-Stack in der Amazon-Cloud betreiben können.
"Mit Azure Stack hat Microsoft aktuell definitiv einen Pluspunkt im Portfolio", kommentiert Gartner Analystin Lydia Leong das Marktgeschehen. Allerdings werde das Angebot nicht für alle Kunden die passende Lösung sein: "Ich glaube nicht, dass es ein Game-Changer im IaaS-Markt wird. Es dürfte aber so manchen Microsoft-Kunden dazu bringen, auch Azure zu nutzen."
Profitieren könnten von Azure Stack vor allem Organisationen, die aus Compliance- oder Sicherheitsgründen ihre Daten nicht in die Public-Cloud schieben wollen. In diesem Fall lasse sich die Private-Cloud-Plattform hinter der Unternehmens-Firewall installieren, um dort Daten zu verarbeiten. Die Interaktion mit Anwendungen und Daten in der öffentlichen Cloud lasse sich dabei relativ einfach bewerkstelligen, so Leong.
Vijay Tewari, Group Program Manager für den Bereich Azure Stack bei Microsoft, sieht noch andere Einsatzszenarien. So lasse sich Azure Stack beispielweise als sogenannter Edge einer Azure-Public-Cloud nutzen.
Das Schifffahrtsunternehmen Carnival Cruise Line etwa gehöre zu den ersten Azure-Stack-Anwendern. Wenn die Schiffe auf dem Ozean kreuzen, kann die Verbindung zur Public Cloud Probleme bereiten. Die IT-Verantwortlichen planen deshalb, Azure Stack als Private Cloud auf dem Schiff einzusetzen. Sobald das Schiff in den Hafen eingelaufen ist, werden Daten zur Verarbeitung in die Public Cloud hochgeladen.
Legacy taugt nicht für die Cloud
Tewari erläutert aber auch, wofür Azure Stack sich nicht eignet. Gehe es beispielsweise um die zahlreichen Non-native-Applications in Unternehmen, darunter Legacy-Anwendungen oder für einen speziellen Einsatzzweck getunte Software, sei das Cloud-Betriebsmodell womöglich nicht das richtige. Microsoft offeriere dafür andere Plattformen wie etwa Windows Server 2016 in Verbindung mit Hyper-V und Systems Center.
Was steckt im Azure Stack?
Der Azure Stack besteht aus zwei grundlegenden Komponenten: Zum einen brauchen Kunden die darunterliegende Infrastruktur, die sie von Microsofts zertifizierten Partnern erwerben können. Dazu gehören derzeit Dell EMC, Hewlett Packard Enterprise (HPE) und Lenovo. Zum anderen müssen sie die Software von Microsoft in Lizenz nehmen. Die Software stellt unter anderem grundlegende IaaS-Funktionen zur Verfügung, darunter virtuelle Maschinen, Storage und virtuelles Networking.
Hinzu kommen etliche PaaS-Features wie etwa der Azure Container Service und die Serverless-Computing-Software Azure Functions. Azure Stack bietet ferner Unterstützung für die Datenbanken MySQL und den hauseigenen SQL Server. Für die Benutzer-Authentifzierung stellt Microsoft Azure Active Directory zur Verfügung. Über den Azure Marketplace haben Kunden ferner Zugang zu einer Reihe von Drittanbieter-Apps. Dazu gehören etwa Betriebssystem-Images von Red Hat und Suse sowie Templates, die den Betrieb von Systemen wie Cloud Foundry, Kubernetes oder Mesosphere erlauben.
Auf der Hardwareebene arbeitet Azure Stack mit einer Hyperconverged Infrastructure. Das kombinierte Paket aus Hardware und Software vertreiben Microsoft und seine Partner unter der Bezeichnung "Azure Stack Integrated System". Neben Dell EMC, HPE und Lenovo werden künftig auch Cisco und Huawei zum Kreis der zertifizierten Partner stoßen und vorkonfigurierte Private-Cloud-Systeme anbieten.
Was macht die Konkurrenz?
Zumindest auf dem Papier gehört auch Oracle mit seinen Private-Cloud-Initiativen zu den ernsthaften Azure-Stack-Konkurrenten. Erst kürzlich erweiterte der mit Datenbanken groß gewordene IT-Konzern die Produktpalette rund um seine Marke "Cloud at Customer". Ähnlich wie Microsoft will auch Oracle damit On-Premise-Kunden annähernd die gleichen Dienste bieten wie in seiner Public Cloud.
Neu im Private-Cloud-Portfolio sind unter anderem zahlreiche PaaS-Angebote, die bisher nur in der öffentlichen Wolke verfügbar waren. Dazu gehören Datenbank- und Softwareentwicklungs-Dienste ebenso wie Services für die Bereiche Analytics, Big Data, Datenintegration und Identity-Management. Daneben stellt Oracle nun auch klassische Enterprise-Software für die Cloud at Customer bereit, darunter Apps für ERP, CRM, Human-Capital-Management und Supply-Chain-Management.
AWS und Google arbeiten an Hybrid Cloud
Carl Olofson, Research Vice President für den Bereich Data Management bei IDC, sieht die Initiative dennoch kritisch: "Die Cloud at Customer ist vor allem für Oracle-Bestandskunden interessant, die in die Cloud starten und dabei ihre Datenbank erst einmal im Haus behalten wollen." Ob es dem spät ins Cloud-Geschäft eingestiegenen Softwaregiganten damit gelingen wird, viele Neukunden zu gewinnen, bezweifelt nicht nur Olofson.
Die Konkurrenz jedenfalls schläft nicht. Auch Oracles Erzrivale IBM hat die Hybrid Cloud als Wachstumsfeld entdeckt. Und die großen Public-Cloud-Player AWS und Google arbeiten intensiv daran, ihre Angebote mit On-Premise-Systemen ihrer Kunden zu verknüpfen.