ChannelPartner: Vor 12 Jahren begann die ahd die Transformation vom klassischen Systemhaus hin zum Managed Service Provider. Was war der Anstoß dafür?
Marcus Bengsch: Alles begann mit einer Idee, die uns im Anschluss an ein Kundengespräch kam. Wir stellten uns die zentrale Frage, ob unser Geschäft auf lange Sicht aus reinem Projektgeschäft im Rechenzentrum beim Kunden vor Ort bestehen würde. Dieses Geschäft kann sehr mühsam sein: Alle 3 bis 5 Jahre investiert der Kunde in eine neue IT-Infrastruktur, wir konzipieren eine entsprechende Lösung, installieren die Hard- und Softwarekomponenten und bieten eine Wartung auf die integrierte Lösung an.
Mit Blick auf die sich ändernden Kundenanforderungen gaben wir uns selbst zu Recht die Antwort, dass das Projektgeschäft alleine nicht die Zukunft sein kann:
• Nicht, wenn sich IT vom Kostentreiber hin zum Innovationstreiber entwickeln soll.
• Nicht, wenn die Anwenderunternehmen vermehrt vom Fachkräftemangel betroffen sind.
• Nicht, wenn die ahd wiederkehrende Erlöse mit einem hohen Dienstleistungsanteil generieren möchte.
Die Idee, die daraufhin entstand, vereinte die digitale Zukunft der Anwenderunternehmen mit der digitalen Zukunft der ahd: Ein neues Dienstleistungskonzept namens Managed Services. Das Dienstleistungskonzept an sich existierte bereits, jedoch gab es kein Patenrezept für dessen Aufbau.
ChannelPartner: Welche Ziele und Maßnahmen haben Sie definiert, um diese Idee zu verwirklichen?
Marcus Bengsch: Die strategische Zielsetzung war schnell formuliert: Ein neues Geschäftsmodell sollte aufgebaut, wiederkehrende Erlöse generiert und eine 100-prozentige Kostendeckung zu Beginn eines Geschäftsjahres durch Managed Services ermöglicht werden. Recht schnell wurden uns allerdings zwei Tatsachen bewusst: Erstens handelte es sich bei der strategischen Zielsetzung nicht um ein Projekt, sondern einen nachhaltig andauernden Prozess. Zweitens lässt sich das Dienstleistungskonzept Managed Services nur dann skalieren, wenn man als Service Provider seine eigene Digitalisierung sowie Automatisierung vorantreibt.
ChannelPartner: Wie haben Sie diese zwei Herausforderungen angepackt?
Marcus Bengsch: Die erste Tatsache stellte uns vor die Herausforderung, eine konsistente sowie kontinuierliche Change-Kommunikation mit Blick auf unsere Mitarbeitenden zu etablieren. Dabei handelte es sich um einen Prozess, der die gesamte ahd und deren Kunden betraf und nach wie vor betrifft. Dieses Verständnis bei allen Mitarbeitenden zu wecken, war jedoch eine Herausforderung. Anfangs existierte das Dienstleistungskonzept Managed Services als Silo neben dem ursprünglichen Geschäftsmodell.
Eine Lernaufgabe in diesem Kontext war, dass dies nur über eine starke, transformierende Führung und eine moderne Fehlerkultur möglich ist.
ChannelPartner: Wie haben Sie ein neues Führungskonzept und die Fehlerkultur etabliert?
Marcus Bengsch: Das Führungskonzept wurde dahingehend ausgelegt, dass Ängste genommen, unternehmerische sowie persönliche Mehrwerte der Transformation aufgezeigt, Entwicklungswege und so eine intrinsische Motivation für das neue Geschäftsmodell geschaffen wurden.
Das gesamte Management stand uneingeschränkt hinter der Transformation und band neben den Mitarbeitenden auch die Kunden in den Transformationsprozess ein.
Gemeinsam gewann unser Management innerhalb der ahd Fürsprecher auf allen Ebenen, die das Aufbrechen des Silos und der kritischen Standpunkte als Multiplikatoren unterstützten.
Essentiell im Kontext einer Change-Kommunikation ist zudem die Vergegenwärtigung der Tatsache, dass es nicht nur die extremen Fürsprecher und Kritiker gibt, sondern ein großer Teil der Zielgruppe der Veränderung zunächst indifferent gegenübersteht. Daher gilt es weder zu über- noch zu untersteuern, sondern alle Mitarbeitenden mit einer konsistenten und kontinuierlichen Kommunikation abzuholen.
Dazu können gemeinsame Veranstaltungen, aber auch Telefonkonferenzen oder ein Mitarbeitermagazin gehören. Das war eine Lernaufgabe.
Selbiges gilt für den Umgang mit Fehlern. Einer unserer Unternehmenswerte lautete "Exzellent" und proklamierte, dass wir alles beim ersten Mal richtigmachen. Im Laufe unserer Transformation hat sich dieses Verständnis gewandelt: Nur auf Basis von Fehlern kann Lernen und Innovation stattfinden.
ChannelPartner: Und wie haben Sie die zweite Herausforderung - Digitalisierung und Automation - angepackt?
Marcus Bengsch: Der zweiten Tatsache begegneten wir mit einer mutigen Entscheidung: Wir entschieden uns dafür, eine eigene Kundenplattform zu entwickeln und dafür eine eigene Softwareabteilung aufzubauen.
ChannelPartner: Weshalb haben Sie sich für die Eigenentwicklung dieser Plattform entschieden, die doch enorme Investitionen erfordern?
Marcus Bengsch: Marktanalysen zeigten schnell, dass bestehende Softwarelösungen unseren Anforderungen sowie den Anforderungen unserer Kunden an eine entsprechende Plattform nicht gerecht wurden. Daher trafen wir eine nachhaltige Entscheidung: Wir bauten organisch eine eigene Softwareabteilung auf, deren Hauptaufgabe die Entwicklung unserer eigenen Kundenplattform ist.
ChannelPartner: Das war also die Geburtsstunde der my.ahd-Plattform. Wie sieht das im Detail aus?
Marcus Bengsch: Entwickelt auf Basis der Programmiersprache C# und der Entwicklungsmethodik SCRUM, schafft die Plattform my.ahd unseren Kunden eine vollkommene (Kosten-)Transparenz. Über 2.500 Tage Entwicklungsarbeit wurden bereits in die Plattform investiert und tragen ihren Teil dazu bei, dass wir mittlerweile einen Großteil unserer Kosten bereits zum Geschäftsjahresbeginn durch laufende Managed-Services-Verträge decken.
Im Rahmen des ersten Releases der Plattform haben wir allen Mitarbeitenden die Plattform vorgestellt und eine Art "Wünsch-Dir-Was-Runde" durchgeführt. Wünsche und Anregungen wurden dann nach bestimmten Regeln in die Plattform integriert.
Letztlich ist aber nicht nur der interne, sondern auch der externe Kunde Treiber unserer Digitalisierung. Daher erfragen wir in unseren regelmäßigen Qualitätszirkeln mit unseren Managed-Services-Kunden Optimierungspotentiale und neue Impulse für die Plattform.
Insgesamt ist der Komplexitätsgrad des gesamten Entwicklungsprozesses stark ausgeprägt, da alle Fachbereiche der ahd adressiert werden.
Die wahrscheinlich größte Herausforderung ist daher die Übersetzung zwischen betriebswirtschaftlichen und technischen Aspekten. Dies erfordert interdisziplinäre Funktionen, wie beispielsweise der Product Owner im Softwareumfeld, der Fachvertrieb im Vertrieb und DevOps-ähnliche Rollen in der Technik.
ChannelPartner: Auf welchen Technologien fußt die my.ahd-Plattform?
Marcus Bengsch: Unsere Kundenplattform my.ahd ist eine 100-prozentige Eigenentwicklung, basierend auf der Programmiersprache C#. Grundsätzlich verfolgen wir mit unserer Plattform einen "Hub-Gedanken". Dies bedeutet, dass diverse Systeme über Schnittstellen an unsere Plattform angebunden sind und Informationen liefern, die neu zusammengeführt sowie visualisiert werden.
Ein wichtiger Lieferant an Informationen ist unser ERP-System STEPS IT. Für unser Geschäftsmodell Managed Services ist zudem ein IT-Service-Management-Tool essentiell. Mit Hilfe dieser Systeme stellen wir den Betrieb sowie die Verfügbarkeit der Kunden-IT sicher.
"Die Transformation wird nie enden"
ChannelPartner: Und wie lösen Sie das Problem der kundenindividuellen, verbrauchsorientierten Abrechnung?
Marcus Bengsch: Das ist die wahrscheinlich größte Herausforderung eines jeden Managed Service Providers. Wir sprechen in diesem Kontext von einem Pay-as-you-use-Modell. Wir stellen dem Kunden also nur das in Rechnung, was er tatsächlich verbraucht.
Hierfür benötigten wir eine Intelligenz, um potentielle Fehler sowie analoge Aufwände auf ein Minimum zu beschränken. All diese Anforderungen mündeten letztlich in der Integration einer eigenen Verbrauchsdatenerfassung in die Plattform.
Im Rechenzentrum (ahd Cloud, Kunden-RZ oder Public Cloud) werden die Informationen zum Verbrauch gesammelt (bspw. wie viel CPU oder RAM verbraucht werden), die im nächsten Schritt in eine Datenbank übertragen und letztlich in der Plattform zusammengeführt werden. Die Verbrauchsdaten lassen sich bis auf Kostenstelle zuordnen und schaffen uns sowie unseren Kunden mehr Transparenz.
Eine Herausforderung, die bei der technischen Umsetzung unserer digitalen Transformation zum Tragen kommt, ist das Prozess-, Anforderungs- und Erwartungsmanagement. Technologische Herausforderungen lassen sich in der Regel mit zeitlichen sowie monetären Mitteln lösen, prozessuale oder anforderungsbedingte Herausforderungen jedoch nur durch den Einsatz entsprechender Arbeitsmethodiken und einer engen Teamarbeit über alle Fachdisziplinen hinweg.
ChannelPartner: Inwiefern profitieren Sie von dieser Strategie?
Marcus Bengsch: Heute können wir bereits zu Beginn eines Geschäftsjahres einen Großteil unserer Kosten durch laufende Managed-Services-Verträge decken. Auch unser Umsatz im Managed-Services-Umfeld hat sich über die Jahre sehr positiv entwickelt.
Für uns bedeutet die integrierte Verbrauchsdatenerfassung zudem eine Reduzierung des internen, prozessualen Aufwands. Darüber hinaus vermeiden wir analoge Fehler, die sich zuvor negativ auf die Kundenzufriedenheit ausgewirkt haben.
ChannelPartner: Und worin liegen Vorteile und Nutzen für Ihre Kunden?
Marcus Bengsch: Viele Kunden, die sich für das Dienstleistungskonzept Managed Services entscheiden, haben eine komplexe IT-Infrastruktur, die sich über mehrere - vielleicht auch ausländische - Standorte erstreckt. Diese Unternehmen sehen sich häufig als eigener Service Provider für ihre internen Kunden. Ein ausgeklügeltes sowie erprobtes Dienstleistungskonzept inklusive einer professionellen Verbrauchsdatenerfassung, wie wir es unseren Kunden bieten, schafft diesen Unternehmen Freiraum für die eigene Digitalisierung und zudem Transparenz durch eine Kostenstellengenaue Abrechnung ihrer Dienstleistung.
All das unterstreicht die Tatsache, dass wir unsere Entscheidung, uns als Managed Service Provider zu positionieren, nicht bereuen. Vielmehr sind wir sehr stolz auf das, was wir bis jetzt erreicht haben.
ChannelPartner: Ist die Transformation der ahd damit abgeschlossen?
Marcus Bengsch: Die Transformation wird nie enden. Wir werden uns stetig neu erfinden als Managed Service Provider und weiterhin unsere Prozesse kritisch hinterfragen. Letztlich sind die Herausforderungen unserer Kunden der Treiber für unseren unternehmenseigenen Entwicklungsprozess. Und da unsere Kunden nicht stehen bleiben, bleiben wir auch nicht stehen.