Es war eigentlich wie immer: Wenn ein großer Software-Konzern Entlassungen ankündigt - so wie SAP zuletzt bei der Bekanntgabe seiner Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 (PDF) im Januar - dann verkauft er die als "Umstrukturierung und Neuausrichtung auf Wachstumsbereiche. Bei SAP hieß das im Januar, man wolle sicherstellen, "dass die Qualifikationen und Ressourcen der SAP den zukünftigen Geschäftsanforderungen auch weiterhin gerecht werden." Davon sollten etwa 8.000 Stellen betroffen sein - etwa 7,5 Prozent der gesamten Belegschaft.
2.600 Stellen bei SAP in Deutschland betroffen
Jetzt wurde durch eine interne E-Mail des europäischen Betriebsrats bekannt, dass allein ein Deutschland 2.600 Stellen betroffen sein sollen. Das berichtet das Handelsblatt. Die Mitarbeitervertreter sehen in dem als "Next Level Transformation" bezeichneten Programm aber weniger eine Neuaufstellung als vielmehr eine Maßnahme zur Kostensenkung.
Laut Handelsblatt habe die Geschäftsführung "die geschäftliche Logik hinter der Umstrukturierung nicht ausreichend erklärt und keine genauen Informationen über bestehende Ineffizienzen geliefert". Deutschland ist mit voraussichtlich 2.600 wegfallenden Stellen besonders stark betroffen. Insgesamt sollen in Europa rund 4.100 Arbeitsplätze wegfallen.
SAP-Campus in Indien mit 15.000 Beschäftigten im Aufbau
Neue Stellen schaffen will SAP vor allem in Indien, insbesondere in Bangalore. Dort hatte SAP im Mai 2023 mit dem Bau eines neuen Campus begonnen, der für insgesamt 15.000 Beschäftigte ausgelegt ist und 2025 eröffnet werden soll.
Nach Angaben von SAP beschäftigte das Unternehmen in Indien zuletzt rund 9.000 Personen. Der Großteil der jetzt in anderen Ländern wegfallenden Stellen dürfte also in Indien neu entstehen - und die Arbeitsplatzverlagerung ist keineswegs eine Überraschung, sondern war - wenn man die Baupläne in Indien berücksichtigt - offenbar 2023 zumindest schon angedacht.
Da die SAP-Beschäftigten in Deutschland eine Beschäftigungsgarantie haben, wird das Unternehmen tief in die Tasche greifen müssen. Geplant sind Berichten zufolge freiwillige Maßnahmen wie Vorruhestandsregelungen und Abfindungen. Über die Details verhandelt SAP mit den Arbeitnehmervertretern derzeit noch. Die kritisieren, dass die Stellenkürzungen entgegen der Darstellung des Unternehmens wenig mit der konkreten Qualifikationen, sondern vor allem mit den Kosten zu tun haben.
Laut Frankfurter Rundschau dürften in Deutschland durch Vorruhestand und Abfindungsprogramme "vor allem ältere Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, die in der Regel überdurchschnittliche Gehälter beziehen." Im Januar hieß es allerdings noch, dass angesichts von geplanten Investitionen in Wachstumsbereiche die Zahl der Beschäftigten in Walldorf zum Jahresende auf dem gleichen Niveau liegen werde, wie Ende 2023. Diese Aussage scheint nun zumindest aufgeweicht zu werden.
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