Widerrufsrecht bei Ebay

11.11.2004
Der Bundesgerichtshof hat in einer alten Streitfrage endlich Klarheit geschaffen und das Bestehen eines Widerrufsrechtes auch bei Auktionen anerkannt. Die Folgen des Urteils erklärt Rechtsanwalt Johannes Richard.

Am 3.11.2004 hat der Bundesgerichtshof eine wichtige Entscheidung für alle Käufer und gewerblichen Verkäufer getroffen, die über das Internetauktionshaus Ebay Handel betreiben. Höchst streitig und durch die Rechtsprechung sehr unterschiedlich entschieden wurde die wichtige Frage, ob auch bei Auktionen dem Käufer ein Widerrufs- oder Rückgaberecht zusteht. Der Streit entzündete sich an einer unklaren Formulierung des Gesetzgebers: Das Widerrufs- oder Rückgaberecht ist gemäß § 312 d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen, wenn der Fernabsatzvertrag in Form von Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB geschlossen wird. Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass eine Ebay-Auktion eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr unter dem Aktenzeichen VIII ZR 375/03 über einen Rechtsstreit (AG Rosenheim, Az.: 16 C 2881/02, LG Traunstein, Az: 6 S 2375/03) entschieden. Hintergrund des Rechtsstreites war, dass ein Käufer von einem Gewerbetreibenden Schmuck erworben hatte. Der Käufer hatte das höchste Gebot abgegeben, verweigerte jedoch die Zahlung und Abnahme des Schmuckes.

Bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH am 29.9.2004 hatte der Bundesgerichtshof angedeutet, auch bei Auktionen in Internetauktionshäusern ein Widerrufsrecht anzunehmen. Dies hat sich nunmehr durch das verkündete Urteil bestätigt.

Was sind die Rechtsfolgen?

Ich habe in der Vergangenheit in mehreren Beiträgen darauf hingewiesen, dass es nicht nur aus verbraucherschutzrechtlichen Gesichtspunkten, sondern auch aus einer rechtsdogmatischen Betrachtungsweise angemessen ist, eine Internetauktion nicht als Versteigerung im Sinne des § 156 BGB zu betrachten, obwohl man dies von der Begrifflichkeit auf dem ersten Blick annehmen könnte. Im Übrigen war gerade aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht einzusehen, weshalb der Käufer bei so genannten Fernabsatzverträgen, wie diese bei Ebay vorliegen, nur dann kein Widerrufs- oder Rückgaberecht haben sollte, wenn er den Artikel nicht im Wege der "Sofort-Kauf" Option erwirbt, sondern mit Abgabe des Höchstgebotes. Die Risikolage für den Käufer, der in keinem persönlichen Kontakt mit dem Verkäufer steht und den Artikel vor dem Kauf nicht ansehen oder prüfen kann, ist die gleiche.

Der Käufer hat nur dann ein Widerrufs- oder Rückgaberecht, wenn er im Internet etwas kauft, wenn der Kauf von einem Gewerbetreibenden, einem so genannten Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, erfolgt. Ein Widerrufs- oder Rückgaberecht gibt es somit nicht, wenn der Verkäufer eine Privatperson ist (C2C) oder wenn Käufer und Verkäufer Gewerbetreibende sind (B2B).

Die Rechtsfolgen des Urteils sind weitreichend: Gemäß § 312 d BGB steht dem Käufer, wenn er vom Gewerbetreibenden im Internet etwas kauft, ein Widerrufs- oder Rückgaberecht zu.

Keine Frist - Widerruf auf ewig

Gemäß § 312 d Abs. 1 BGB besteht grundsätzlich erst einmal ein Widerrufsrecht. Gemäß § 312 d Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Verkäufer statt eines Widerrufsrechtes dem Käufer ein Rückgaberecht einräumen. In der Praxis wird jedoch regelmäßig ein Widerrufsrecht eingeräumt, da nur dies dem Verkäufer ermöglicht, dem Käufer Rücksendekosten bis zu einem Bestellwert von 40,00 Euro aufzuerlegen.

Höchst problematisch für gewerbliche Verkäufer, die bisher nicht über das Widerrufs- oder Rückgaberecht informiert haben, ist die Tatsache, dass die Widerrufsfrist gemäß § 312 d Abs. 2 BGB gar nicht erst zu laufen beginnt, wenn der Verkäufer den Käufer nicht über das Widerrufsrecht informiert hat.

Bei ordnungsgemäßer Information beträgt die Widerrufsfrist zwei Wochen. Die Frist beginnt gemäß § 355 Abs. 2 BGB erst dann, wenn der Käufer ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Wurde vom Käufer eine Ware im Internet erworben, beginnt die Frist erst bei Eingang der Ware beim Empfänger. Der Käufer hat dann die Möglichkeit, zwei Wochen lang in Ruhe zu prüfen, ob er den Artikel behalten möchte oder nicht.

Gesetzgeberisch unglücklich formuliert ist § 355 Abs. 3 BGB. In § 355 Abs. 3 Satz 1 heißt es: "Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss." Zur finanziell hochriskanten Erblast für den gewerblichen Verkäufer, der bisher nicht über das Widerrufsrecht informierte, wird jedoch § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB. Dort heißt es: "Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist." Dies hat zur Folge, dass das Widerrufsrecht somit bei fehlender, falscher oder unvollständiger Belehrung gar nicht erlischt.

Die Regelung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB, demzufolge das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung gar nicht endet, wurde durch das OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz vom 23.7.2002 eingefügt. Vor diesem Zeitpunkt galt, dass bei fehlender oder falscher Belehrung das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Übersendung der Ware endete. Die Regelung, dass das Widerrufsrecht bei fehlender oder falscher Belehrung gar nicht endet, gilt somit für Verträge, die nach dem 1.11.2002 geschlossen wurden, gemäß EGBGB 229, § 8.

Es kann daher bei Ebay-Käufen von Gewerbetreibenden auch nachträglich Monate später der Kaufvertrag noch widerrufen werden.

Rückgabe wertloser Ware - Pech für den Verkäufer

Doch damit noch nicht genug des Ärgers und der Kosten für gewerbliche Anbieter bei Ebay: Bei einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht ist der Käufer auch darüber zu belehren, dass er Wertersatz für eine Wertminderung der Ware leisten muss, wenn er diese beschädigt oder benutzt an den Verkäufer zurücksendet. Erfolgt diese Belehrung nicht, hat der Verkäufer gemäß § 357 Abs. 3 BGB keinen Anspruch auf Wertersatz. Man wird sich daher auf eine Vielzahl von Streitigkeiten nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes einstellen müssen. Die Grenze der Käuferrechte dürften hier in der Rechtsmissbräuchlichkeit der Ausübung des Widerrufsrechtes liegen.

Nicht nur theoretischer Natur ist daher die Annahme, dass Käufer nach der Veröffentlichung des Urteils des Bundesgerichtshofes lange Zeit nach dem Vertragsschluss ihr Widerrufsrecht ausüben, den Kaufvertrag rückabwickeln wollen und eine durch den Verkäufer überhaupt nicht mehr verwertbare Ware an diesen zurücksenden. Tatsache ist, dass viele Waren, wenn sie erst einmal ausgepackt und benutzt worden sind, durch den Verkäufer nicht wieder in den Handel gebracht werden können.

Gewerblichen Verkäufern bei Ebay ist daher zum empfehlen, unverzüglich eine Widerrufs- oder Rückgabebelehrung deutlich gestaltet in ihr Angebot mit aufzunehmen. § 14 der BGB-InfoV sieht vor, dass eine Belehrung als ordnungsgemäß gilt, wenn das amtliche Muster einer Widerrufs- oder Rückgabebelehrung verwendet wird. In der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV ist eine offizielle Widerrufsbelehrung veröffentlicht worden. Nur diese sollte, gegebenenfalls mit weiteren Hinweisen auf die übrigen gesetzlichen Ausschlussrechte des Widerrufsrechtes, verwendet werden.

Soweit in der Vergangenheit Gerichte sich gegen ein Widerrufsrecht bei Ebay-Auktionen entschieden, können diese Urteile durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht wieder neu aufgerollt werden. Auf Grund der richterlichen Unabhängigkeit sind Gerichte im Übrigen nicht verpflichtet, der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu folgen. In der Praxis werden sie dies jedoch tun.

Die Regelung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB, demzufolge das Widerrufsrecht bei fehlender Belehrung gar nicht endet, wurde durch das OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz vom 23.7.2002 eingefügt. Vor diesem Zeitpunkt galt, dass bei fehlender oder falscher Belehrung das Widerrufsrecht spätestens sechs Monate nach Übersendung der Ware endete. Die Regelung, dass das Widerrufsrecht bei fehlender oder falscher Belehrung gar nicht endet, gilt somit für Verträge, die nach dem 1.11.2002 geschlossen wurden, gemäß EGBGB § 229, § 8.

Belehrung unverzüglich nachholen

Wie bereits dargestellt, besteht hier die große Gefahr und angesichts der Presseberichterstattung auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Altkunden ihre Ware zurückgeben werden. Dieser Gefahr setzt sich der gewerbliche Verkäufer so lange aus, bis er ordnungsgemäß über ein Widerrufs- oder Rückgaberecht informiert.

Für den gewerblichen Verkäufer kann es daher eine Alternative sein, seinen bisherigen Kundenbestand durchzugehen und ordnungsgemäß eine Widerrufsbelehrung auszusprechen.

Der wirtschaftliche Nachteil für den Verkäufer besteht natürlich darin, dass er seine Kunden auf ein Recht aufmerksam macht, von dem diese unter Umständen in der Vergangenheit nichts wussten. Es ist hier somit abzuwägen, inwieweit man zur Bereinigung der Altfälle von vornherein reinen Tisch machen möchte oder lieber abwartet, ob Kaufverträge noch wider-rufen werden. Für gewerbliche Verkäufer ist zudem darauf hinzuweisen, dass durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nunmehr auch klargestellt ist, dass eine fehlende Widerrufsbelehrung bei Auktionen, das heißt wenn der Verkäufer nicht die "Sofort-Kauf"-Option anbietet, wettbewerbswidrig ist und abgemahnt werden kann.

Steckbrief des Autors:

Johannes Richard

Rechtsanwalt Johannes Richard arbeitet in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er ist auf Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert.

www.internetrecht-rostock.de