Die Diskussion über eine rechtssichere und verbraucherfreundliche Gestaltung des Widerrufsrechtes oder Rückgaberechtes im Internethandel ist mit der neuen Muster-Widerrufsbelehrung des Gesetzgebers, die zum 01.04.2008 in Kraft getreten ist, nicht beendet. Die aktuelle Widerrufsbelehrung ist weiterhin "nur" eine Verordnung mit der Folge, dass Gerichte diese in Teilen als unwirksam erklären können. Dass die Muster-Belehrung zum 01.04.2008 zudem nicht verbraucherfreundlich ist und kryptisch formuliert ist, kommt noch erschwerend hinzu.
Nachdem ursprünglich die neue Widerrufsbelehrung für Oktober 2009 erwartet worden war, hat der Bundestag Anfang Juli 2009 das "Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht " beschlossen. Das vom Bundestag beschlossene Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Die Vorschriften zur Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie traten am 31.10.2009 in Kraft, die Änderungen zur Widerrufsbelehrung treten am 11.06.2010 in Kraft.
Was ändert sich?
Auf den ersten Blick sieht die neue Widerrufsbelehrung so aus wie die alte. Der Verweis auf die Rechtsnormen, die zu erfüllen sind, bevor die Widerrufsfrist zu laufen beginnt, ändert sich jedoch. Vor diesem Hintergrund müssen die aktuellen Widerrufsbelehrungen ab dem 11.06.2010 auf jeden Fall abgeändert werden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil § 1 BGB-Informationspflichtenverordnung, auf die die aktuelle Widerrufsbelehrung Bezug nimmt, entfällt.
Widerrufsfrist beträgt bei eBay künftig zwei Wochen!
Das bisherige Problem bei eBay war, dass auf der Plattform selbst sofort ein Vertrag geschlossen werden konnte. Die Widerrufsfrist beträgt jedoch nur dann zwei Wochen, wenn vor Vertragsschluss in Textform (bspw. per E-Mail) über das Widerrufsrecht informiert wird.
Die eBay-Lobby hat ganz offensichtlich erheblichen Druck gemacht. Künftig wird durch eine Änderung des § 355 Abs. 2 BGB auch bei eBay eine Widerrufsfrist von zwei Wochen möglich sein. Künftig wird nicht mehr sklavisch eine Information über das Widerrufsrecht vor Vertragsschluss in Textform notwendig sein, was nach unserer Auffassung ohnehin eine unnötige Förmelei ist. Vielmehr wird es künftig ausreichen, dass eine "unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer solchen bei Vertragsschluss gleichsteht".
eBay wird daher eine technische Möglichkeit einführen müssen, dass unmittelbar nach Kauf oder Auktionsende dem Käufer automatisch generiert eine E-Mail mit einer Widerrufsbelehrung zugesendet wird. eBay-Händler sollten jedoch darauf achten, die Zwei-Wochen-Frist bei eBay erst dann zu verwenden, wenn die technischen Voraussetzungen bei eBay für eine automatische Information des Käufers über das Widerrufsrecht per Mail vorhanden sind.
Diese Änderung ist sehr weitreichend und zudem zu begrüßen. Es waren rein rechtsdogmatische Gründe, die ein erfolgreiches Handelsmodell im Internet - wie bei ebay - nicht berücksichtigt haben und dazu führten, dass bei eBay eigentlich ohne nachvollziehbaren faktischen Grund die Widerrufsfrist einen Monat beträgt.
Wertersatz künftig theoretisch auch bei eBay
Ähnlich wie der Umstand, dass aufgrund der Information über das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss in Textform die Widerrufsfrist zurzeit einen Monat beträgt, ist auch die Frage des Wertersatzes für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme zu betrachten. Gemäß § 357 Abs. 3 BGB knüpft auch diese Frage an den Umstand an, wann der Verbraucher in Textform (E-Mail) über das Widerrufsrecht belehrt wird.
Abgesehen davon, dass diese Frage bis heute rechtlich nicht abschließend geklärt ist, hat sich der Gesetzgeber entschieden, hier ein ähnliches Modell zu wählen. Wie bei der Widerrufsfrist. § 357 Abs. 3 wird durch eine Regelung ergänzt, dass ein unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei Vertragsschluss gleichsteht.
Unter der Voraussetzung, dass eBay ein entsprechendes Informationssystem einführt, wovon auszugehen ist, hat sich somit auch das leidige Problem des Wertersatzes für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme bei eBay im Sinne der Händler erledigt.
Eine insgesamt ungeklärte Frage ist jedoch, ob aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2010 auch nach dem neuen Muster überhaupt eine Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme geltend gemacht werden kann. Immerhin bastelt der Gesetzgeber jetzt schon wieder an einer Änderung des neuen Musters.
Wann ist eine "unverzügliche" Information gegeben?
In diesem Zusammenhang stellt sich noch die Frage, wann eine unverzügliche Information nach Vertragsschluss eigentlich gegeben ist. Die Gesetzesbegründung gibt hierauf eine Antwort: "Unverzüglich bedeutet, dass der Unternehmer die erste ihm zumutbare Möglichkeit ergreifen muss, um dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung in Textform mitzuteilen. Der Unternehmer verzögert die Erfüllung seiner Belehrungspflicht in der Regel schuldhaft, wenn er nicht spätestens am Tag nach dem Vertragsschluss die Widerrufsbelehrung in Textform auf den Weg bringt." Mit anderen Worten: Der Verkäufer hat einen Tag Zeit, um den Verbraucher in Textform, d.h. per E-Mail, über das Widerrufsrecht zu belehren.
Letztlich hat der Gesetzgeber - zu Recht - beabsichtigt, eine rechtliche Gleichbehandlung von Internetauktionshäusern mit normalen Internet-Shops zu erreichen.
Die neue Widerrufsbelehrung - ein großer Wurf?
Diese Frage kann man nur mit einem klaren "Jein" beantworten. Es ist eindeutig zu begrüßen, dass der Gesetzgeber auf die bisher herrschende Unsicherheit betreffend die korrekte Formulierung einer Widerrufsbelehrung reagiert hat. Dadurch, dass das Widerrufsrecht nunmehr als Gesetz vorliegt, ist es der Beurteilung der Rechtsprechung entzogen. Auch im Weiteren ist das Gesetz mehr als händlerfreundlich, wie sich aus den einheitlichen Regelungen zur 14-Tage-Frist für das Widerrufsrecht und den Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme ergibt. Bei Verwendung des künftigen amtlichen Musters für die Widerrufsbelehrung dürfte somit an dieser Stelle abmahntechnisch Ruhe einkehren.
In die Röhre schaut ein Stück weit der Verbraucher, der auch weiterhin als rechtlicher Laie mit einer unverständlichen Widerrufsbelehrung konfrontriert wird. Der Verbraucher wird nicht wissen, wann Informationspflichten gemäß Art. 246, § 2 i.V.m. § 2 und 1 EGBGB sowie Pflichten gemäß § 312e Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246, § 3 EGBGB eigentlich erfüllt sind. Erstaunlicherweise hat dies am Verbraucher auch nach der Einführung des letzten Musters zum 01.04.2008 jedoch nicht gekratzt. Großartige Praxisprobleme sind uns aus unserer Beratungspraxis jedenfalls nicht bekannt geworden.
Bestehende Widerrufsbelehrung zum 11.06.2010 einfach abändern?
Nicht wenige Internethändler haben in der Vergangenheit wettbewerbsrechtliche Abmahnungen aufgrund falscher oder unvollständiger Widerrufsbelehrungen erhalten. Zum Teil wurden strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben oder einstweilige Verfügungen gegen Internethändler erwirkt. Diese haben auch weiterhin Bestand.
Insbesondere wenn es um die Frage der Widerrufsfrist geht - ein beliebtes Abmahnthema ist und war die 14-Tage-Frist im Rahmen der Belehrung bei eBay oder auch der Wertersatz für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme - dürfen Internethändler nicht einfach auf das neue Muster umschwenken. Vielmehr muss vorher unbedingt geprüft werden, ob die neue Widerrufsbelehrung gegen bereits abgegebene Unterlassungserklärungen oder einstweilige Verfügungen verstößt. In diesen Fällen müssen Unterlassungserklärungen gekündigt werden, bevor die neue Widerrufsbelehrung verwendet wird.
Insbesondere vor dem Hintergrund der sehr umfangreichen Abmahnungen der vergangenen Jahre wegen Verwendung einer 14-Tage-Frist für die Widerrufsfrist bei eBay vermuten wir, dass einige Abmahner hier schon die Kasse klingeln hören.
Gibt es Überleitungsregelungen?
Überleitungsregelungen gibt es, anders als bei der Einführung des letzten Musters zum 01.04.2008, nicht! Eine Überleitungsregelung kann es auch gar nicht geben, da einige Normen, wie § 1 BGB Info-VO, zum 11.06.2010 entfallen. Die dann alte Widerrufsbelehrung verweist auf Normen, die es nicht mehr gibt. Eine zeitnahe Änderung aller Belehrungen zum 11.06.2010 ist daher ratsam. (oe)
Der Autor Johannes Richard arbeitet als Rechtsanwalt in der Kanzlei Langhoff, Dr. Schaarschmidt & Kollegen in Rostock. Er hat sich auf die Bereiche Internet- und Online-Recht sowie Wettbewerbsrecht spezialisiert und ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.
Kontakt und Infos: Per Telefon unter 0381 448998-0 oder via E-Mail an rostock@internetrecht-rostock.de, Internet: www.internetrecht-rostock.de
Diese Nachricht wurde vorab als Eilmeldung verschickt. Wenn auch Sie keine hochrelevanten Branchen-News versäumen wollen, bestellen Sie einfach unseren Blitz-Newsletter.