Meyer: Die Vorgeschichte des heutigen Roundtables ist schnell erzählt. Unser Chefreporter Armin Weiler hat vor einigen Wochen einen Artikel mit der Überschrift: "Broadliner sind oft zu teuer" auf channelpartner.de veröffentlicht. Ob es nur an den Broadlinern liegt, dass häufig Endkundenpreise unter den HEKs der Händler liegen, wollen wir heute zusammen herausfinden. Herr Schröter und Herr Roeseler, Sie haben als Moderatoren unseres Fachhändlerforums CHIC bestimmt einige Fragen mitgebracht.
Die Teilnehmer des Roundtables
- Dorit Bode, Manager Partner Sales & Partner Development, HP Deutschland GmbH
- Carl Roeseler, Fachhändler und CHIC-Moderator (CharlyR)
- Michael Schröter, Systemhaus-Inhaber und CHIC Moderator (McLord)
- Henning Ohlsson, Geschäftsführer Epson Deutschland GmbH
- Hubert Wolf, Vorstand Bluechip AG
- Arnd von Wedemeyer, Geschäftsführer notebooksbilliger.de
- Christian Meyer, Chefredakteur ChannelPartner
- Armin Weiler, Chefreporter ChannelPartner
Schröter: Ja, das Erste, was uns interessiert, ist: wissen Sie als Hersteller und Distributoren eigentlich alle, was wir mit "Schweinepreis" meinen? Und stellen sich solche Preise für Sie überhaupt als Problem dar? Oder sehen Sie das als eine Randerscheinung des Marktes, mit der wir als Fachhändler leben müssen?
Ohlsson: Ja, die Frage ist: wer ist eigentlich das Schwein? Ist der Preis das Schwein oder vielleicht der Händler, der zu solchen Preisen verkauft? Ist der Distributor das Schwein, der einen solchen Preis macht, oder der Hersteller?
Weiler: Aber es gab ja auch bei Epson ein Produkt, das im Schweinepreis-Alarm!-Forum genannt wurde. Es handelte sich um einen Tintenstrahldrucker, dessen Verkaufspreis beim E-Tailer wesentlich unter dem Einkaufspreis in der Broadline-Distribution lag. Und wir sprechen hier nicht von zwei bis drei Euro.
"Weder Projektüberhänge noch der Graumarkt sind das Problem"
Ohlsson: Ja, ich habe auch schon einen Tintenstrahldrucker aus unserem Hause von einem Power Seller für 99 Euro bei Ebay gesehen. Es stellte sich heraus, dass er die Verbrauchsmaterialien herausgenommen hatte und die separat als Original-Verbrauchsmaterial verkauft hat.
Meyer: Im Hause Epson ist dieses Thema, wie sie ausführen, also nicht präsent. Wie steuern Sie das?
Ohlsson: Deswegen fragte ich vorher etwas provukativ: Ist der Händler das Schwein? Ich bin immer sehr enttäuscht über Fachhändler, die solche Billigpreise ins Netz stellen, weil sie zum Beispiel Lagerdruck haben und dann quersubventionieren. Wir sprechen diese Reseller dann darauf an. Das Thema hat eigentlich auch schon einen Riesenbart.
Weiler: Das will ich gerne an die Händler nochmal zurückspielen. Hat das Thema einen Bart oder ist es in letzter Zeit verschärft vorgekommen?
Schröter: Früher gab es einzelne Modelle, die im Internet besonders günstig waren. Bei Mediamarkt gibt es auch Aktionsangebote, dafür ein sehr teures restliches Sortiment. Heute stellt sich uns Händlern aber eine neue Situation: Wir sollen fast über alle Hersteller und Produktkategorien hinweg, das ganze Jahr über zu Preisen bei Broadlinern einkaufen, die über denen der Online-Angebote für jeden normalen Endkunden.
von Wedemeyer: Das glaube ich nicht. Wir hatten früher in Hannover selbst ein Ladenlokal. Um uns herum waren andere IT-Firmen, die zu Preisen durchgeschoben haben, die aus unserer Sicht nicht möglich waren. Nachdem wir unseren Laden geschlossen hatten, fanden wir heraus, dass die anderen Ladenlokale die eine oder andere Geschichte lediglich intelligenter gemacht hatten, als wir. Also, wenn wir über das Thema reden, sollten wir differenziert darauf schauen, an welcher Stelle welche Preisentwicklung auftritt.
Bode: In der Wahrnehmung tauchen Produkte auf, die in einem hohen Volumen im Markt draußen sind und dann online über irgendwelche Preissuchmaschinen zu finden sind. Das kann ein Drucker für 39 Euro sein, der um neun Euro günstiger angeboten wird. Dann ist das in der Wahrnehmung schon ein Schweinepreis. Ist das korrekt?
Schröter: Ja, sicher, wenn der Preis unter meinem Einkaufspreis beim Distributer liegt.
Wolf: Dort wo die Bluechip AG als Hersteller von PC-Systemen und Servern auftritt, bleiben wir fest im indirekten Kanal und wissen, wo die Geräte hingehen. In den Bereichen, in denen wir als Distributor für andere Hersteller fungieren, kommt es regelmäßig zu Problemen, wenn zum Beispiel Postengeschäfte gemacht werden. Wir sehen auch, wenn Druckerhersteller auf Bundesebene kämpfen, zu welchen Projektpreisen die sich gegenseitig ausstechen, um bei der öffentlichen Hand ein paar tausend Drucker zu platzieren. Das wiederum - da bin ich mir sicher - sind dann normalerweise keine Modelle, bei denen zehn oder 20 Prozent gleich abgezwackt werden und in dunklen Kanälen verschwinden.
Schröter: Weder diese Projektüberhänge noch irgendwelche Graumarktgeschichten sind das Problem. Bei notebooksbilliger.de steht mit Sicherheit kein einziges Graumarktprodukt im Onlineshop, davon gehe ich jetzt einfach mal aus.
von Wedemeyer: Müsste man mal durchgucken. (lächelt)
Die Milchmädchenrechnung stimmt nicht
Schröter: Als Konsens sehe ich, dass Sie alle sagen: "Nein, die Aussage, dass sich diese Preise über die gesamte Produktpalette hinziehen, akzeptieren wir nicht". Wenn Sie rausgehen und mit den Fachhändlern sprechen, und das tun wir unter uns Händlern im CHIC-Forum auf channelpartner.de, werden Sie keinen einzigen Fachhändler finden, der Ihnen zustimmt.
Bode: Was ist denn die Lösung? Wir haben keine Möglichkeit, Preisbindungen auszusprechen oder Preise zu diktieren - wir geben unverbindliche Preisempfehlungen ab, die marktübliche Margen für uns, für die Distribution und für den Handel beinhalten. Wir gehen davon aus, dass der Handel betriebswirtschaftlich denkt und sich auch an diese Preise hält. Dann tauchen oft wirklich unmögliche Preise auf, für die wir selbst keine Erklärung haben, da wir wissen, welche Mengen wo in welchem Kanal sind. Meistens stellen wir fest, dass die Preistreiber, die teilweise auch unter EK der Distribution Produkte verkaufen, Kleinsthändler sind. Wir haben kein Interesse an den Schweinepreisen draußen. Wer gewinnt am Ende des Tages? Im Zweifelsfall der Kunde.
Schröter: Und auch nur ein ganz bestimmtes Kundensegment , nämlich die Schnäppchenjäger.
Bode: Wer ist denn der Schnäppchenjäger? Ist es der Geschäftskunde oder der Privatkunde?
Roeseler: Ich glaube, der Geschäftskunde ist heute genauso ein Schnäppchenjäger.
von Wedemeyer: In der Tat gibt es viele Schnäppchenjäger. Daher kaufen wir häufig Posten gern exklusiv. Vor Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Herstellervertreter, der zu mir gesagt hat: "Ihr seid ja total austauschbar für uns". Ich habe gedacht: "Was für ein Penner". Aber er hatte Recht und wir haben uns dann überlegt, was wir verändern mussten, um für die Partner in der Industrie und für unsere Kunden nicht mehr austauschbar sind. Jetzt denken wir mal über die Preisunterschiede nach. Heute reden wir zum Beispiel über ein Notebook das 399 oder 389 Euro kostet. Entschuldigen Sie, aber wenn Sie Ihrem Kunden nicht klarmachen können, wofür Sie die zehn Euro wert sind, dann haben Sie das falsche Geschäft.
Schröter: Das ist ja gerade die Milchmädchenrechnung, die nicht stimmt. Wenn ich ein Notebook für 399 einkaufe, muss ich ja meine Marge draufschlagen. Und wenn ich mit 10 Prozent kalkuliere, was ja mit 40 Euro für so eine Büchse eigentlich schon ein Witz ist, dann liege ich schon bei 440 Euro im Vergleich zu 380 und bin 50 Euro teurer.
Das ist wirtschaftlicher Schwachsinn
von Wedemeyer: Jetzt nehmen wir einfach mal an, dass es so ist, wie Sie sagen. Dass die Distribution uns grundsätzlich zu Preisen verkauft, die deutlich unter ihren Einkaufspreisen liegen . . .
Schröter: Ich sage nicht, dass es die Distribution ist, darüber müssen wir noch reden.
von Wedemeyer: Nehmen wir an, es wäre so, dann könnte ja das Delta maximal die Operating Expenses des Distributors betragen. Wenn Sie aber davon reden, dass es große Unterschiede sind zwischen unserem angewandten Verkaufspreis und Ihrem Einkaufspreis gibt, müsste die Distribution wahnsinnige Kosten haben, die sie als Händler im Grunde finanzieren. Das ist die Theorie, wenn ich das richtig verstanden habe. Was wäre die andere Möglichkeit?
Schröter: Die andere Möglichkeit ist, dass über die Hersteller direkt mit Quartals- und Umsatzboni sowie Cashback-Aktionen und Kickback nachträglich Gelder ausgeschüttet werden, die von den Onlinern bereits vorher in die Preiskalkulation mit einfließen.
von Wedemeyer: Das ist wirtschaftlicher Schwachsinn. Das würde ich nicht machen.
Meyer: Hewlett-Packard hat sich in diesem Jahr stark die Struktur der Bonuszahlungen gegenüber den Partnern verändert.
Bode: Natürlich zahlen wir Boni an unsere großen Partner und die Distributoren. Wir haben aber auch das Preisgefüge insgesamt geändert. Wir haben Backend Boni aus dem Kanal rausgenommen, weil die Preisschlachten, die vorwiegend den PC-Bereich betroffen haben, so verrückt waren und am Ende des Tages wirklich nur Geld verbrannt wurde. Unsere Absicht war es nicht, die Marge zu reduzieren, sondern diese sinnlose Geldverbrennung draußen einzudämmen oder sogar auf Null zu bringen. Und stattdessen die Möglichkeit zu geben, über Upfront-Marge wieder Geld zu verdienen. Die Frage ist ja: wie sinnvoll werden die Gelder verwendet?
Roeseler: Aber da haben wir eben genau das Problem. Ein Beispiel: der HEK liegt bei 124,46 Euro, der UVP beträgt 126 Euro. Von 1,54 Euro können wir nicht leben!
Früher war es die Ausnahme - heute ist es die Regel
Schröter: Früher waren solche Beispiele die Ausnahme, inzwischen sind sie die Regel. HP schickte mir zum Beispiel eine wunderschöne E-Mail zum Kauf eines Elite Books 6930 für 850 Euro in der Distribution. Bei Actebis und Ingram war das Notebook zu diesem Preis schon mal gar nicht zu bekommen. Der EK lag nach Verhandlung bei 844 Euro. Notebooksbilliger.de hatte das Modell für 789 netto im Shop. Das ist so eine Marge, die ich gerne hätte. Dann habe ich tatsächlich mal die Preissuchmaschine angeworfen und habe eben nicht nach kleinen Wohnzimmerläden gesucht, sondern nach HP-Partnern. Und alle hatten sie dieses Gerät für 789 Euro.
Bode: Herr Schröter, welches Vertriebsmodell haben Sie?
Schröter: Wir haben gewerbliche Kunden, Mittelstand zwischen 5 bis 100 Mitarbeiter. Wir sind in diesem so genannten Lösungsgeschäft, aber auch das ist keine Lösung, weil die Kunden nicht dumm sind und in der Lage sind Preissuchmaschinen zu bedienen.
Bode: Sie verkaufen ausschließlich als Systemhaus und haben kein Shopsystem?
Schröter: Wir haben ein Onlineshopsystem, über das wir ausschließlich Softwarelizenzen immateriell verkaufen, keine Hardware im Shop.
Bode: Also, wir unterscheiden auf Herstellerseite zwischen so genanntem transaktionalem, also stückzahlengetriebenem Geschäft, bei dem es hauptsächlich um Preis/Leistung geht und dem den Mittelstand, der klassischerweise über Projektgeschäfte kauft. Von den Systemhäusern und Fachhändlern, die typischerweise im Mittelstand unterwegs sind, hören wir oft, dass die Mittelstandskunden nur beschaffen, wenn die Investition höhere Flexibilität, Kostenreduzierung oder Wettbewerbsvorteile bringt. Und dann ist für den Kunden ein Preisunterschied nicht mehr relevant. Relevant ist er dort, wo zum Beispiel ein Rechtsanwalt nur zwei Notebooks bezieht.
Weiler: Überspitzt dargestellt heißt das: Im SMB Segment hat der kleine Fachhändler eigentlich gar nichts mehr zu suchen. Das differiert allerdings doch sehr zu den üblichen Aussagen der Hersteller, dass ein kleinerer Fachhändler sich im SMB-Umfeld bewegen sollte. Sind also kleine Händler als Vertriebspartner bei den Herstellern überhaupt noch gefragt?
Sollen wir kapitulieren und akzeptieren, dass wir mit normalen Margen nicht mehr rechnen können?
Bode:Mehr als das, keine Frage. Nur im Small Business-Segment gibt es typischerweise wenig Lösungen zu platzieren.
Weiler: Herr Ohlsson, kann ein Händler in diesem unteren SMB-Segment überhaupt noch mit Hardware Geld verdienen?
Ohlsson: Im Printerbereich sind die Kunden auch in diesem Segment daran interessiert zum Beispiel ein kleines Seitenpreis-Konzept zu haben. Ein Fachhändler oder Systemhaus hat dann den Vorteil, dem Kunden zu sagen: "Wir managen das alles für dich". Und dann ist die Diskussion nach Hardwarepreisen eigentlich eine sekundäre.
Wolf: Ich wollte vorhin nicht ins Wort fallen, aber wir distribuieren auch für einen großen In-Verkehr-Bringer aus Norddeutschland. Der kauft die Notebooks 5.000 stückweise und macht entsprechend Druck. Die werden dann von Fachhändlern und Unternehmen gekauft, obwohl sie nur in Endkundenzeitschriften und auf einem eigenen Portal beworben werden. Jeder Handelspartner muss wissen, wo seine Stärken sind.
Schröter: Unser Systemhaus macht viel Outsourcing-Geschäft. Wir installieren beispielsweise Blade Server bei Anwaltskanzleien oder Steuerberatern. Heißt das letzten Endes: wir sollen vor der Situation kapitulieren und akzeptieren, dass wir im Hardware-Geschäft mit einer normalen Marge nicht mehr rechnen können?
Wedemeyer: Wenn sie sagen: "Blade Server - spannendes Thema, damit habe ich einen guten Deckungsbeitrag." Warum sagen sie nicht ihrer Vertriebsmannschaft: "Freunde, wir verkaufen jetzt Blade Server und zwar bis zum Abwinken! Wir rufen jetzt alle Firmen an, die irgendwie Blade Server kaufen wollen."
Schröter: Das tun wir. Aber das ist doch alles kein Argument dafür, dass ich deswegen an einem normalen Notebook oder PC kein Geld mehr verdienen darf.
Fachhandelsbetreuer bei notebooksbilliger.de
Wedemeyer: Sie können das Geld ja verdienen. Sie kaufen das richtige Produkt zum richtigen Preis ein und verkaufen es dem Kunden zum richtigen Preis. Sie können nicht erwarten, dass unsere Runde hier ernsthaft beurteilen kann, wie diese drei Variablen für Sie in Deckung zu bringen sind. Es wäre toll, wenn wir alles günstiger an den Endkunden verkaufen würden, als Sie es bei der Distribution kaufen können. Denn dann müssten irgendwo noch wahnsinnige Margen liegen, die man vielleicht irgendwie heben könnte. Das wäre herrlich. Aber ich befürchte, dieses Margenpotenzial existiert nicht.
Schröter: Eine Möglichkeit für uns Fachhändler wäre zum Beispiel: wir lassen sämtliche Distributionen außen vor und kaufen unsere Sachen nur noch bei notebooksbilliger.de.
Meyer: Herr von Wedemeyer, gab es nicht in ihrem Haus sogar schon einmal eine Idee, auch Fachhandelsbetreuer einzustellen?
von Wedemeyer: Ja, wir haben das im Komponentenbereich. Es gibt einige Händlerkunden die Mainboards, Grafikkarten, CPU und Speicher bei uns kaufen. Das ist ein Broker-Geschäft, bei dem es um schnelle Stückzahlen geht. Grundsätzlich übernehme ich als Inhaber geführtes Unternehmen aber nicht freiwillig einen Geschäftsbereich mit der Umsatzrendite der Broadline-Distribution.
Meyer: Ein weiteres Thema, das oft in Verbindung mit Schweinepreisen genannt wird, ist der sogenannte Graumarkt. Hat in dieser Runde jemand damit Erfahrung?
Ohlsson: Ja, man muss kontrollieren. Wir haben eine European Commercial Policy, in der sind Vergütungssysteme festgelegt, so dass wir davon ausgehen, dass der Franzose die gleichen First-Year- und Second-Year-Konditionen hat wie der Deutsche und der Engländer. Wir kennen jeden einzelnen Drucker und jeden Beamer beim Namen, so dass wir ihm sagen können: "dein Weg führt jetzt über die Slowakei und Griechenland hin nach Amsterdam oder nach Benelux." Kam der Drucker aber ursprünglich aus Benelux, wird sofort geprüft, wie das sein kann? Dann können auch Köpfe rollen, denn es schadet unserer Marke, es schadet dem Brand und es schadet auch dem Vertriebskonzept.
Weiler: Beziehen sich diese Graumarkt-Geschichten nur auf Hardware oder tauchen auch Supplies auf?
Mich wundert, dass der Graumarkt nicht als problematisch angesehen wird
Ohlsson: Supplies sind unser eigentlicher Hauptkampf. Es geht um sogenannte komplatible oder sogar falsche Druckerpatronen. Bei den falschen, die teilweise schwierig zu erkennen sind, sind wir am rigorosesten und haben sozusagen eine eigene Polizei.
Wolf: Wir kaufen nur die Originale von den Herstellern. Vor ein paar Jahren hatten wir in Treu und Glauben von einem großen Lieferanten Kyocera-Toner eingekauft. Das haben wir dann zur Spitze getrieben und eine Gerichtsverhandlung verloren. Es handelte sich um Original-Ware, die auch für den deutschen Markt bestimmt war. Diese ist über Kyocera interne Kanäle über einen nicht autorisierten Distributer ins Land gekommen und das gilt nach geltendem Recht genauso als Urheberrechtsverletzung. Da verliert man den Glauben an Gerechtigkeit.
Bode: Wir haben auch eigene Mitarbeiter, die nichts anderes machen, als über Stichprobenprüfung oder bei Verdachtsmomenten genau diese Checks zu machen. Das Thema Graumarkt wird es aus unserer Sicht immer geben. Bei den wenigen Einzelfällen greifen wir direkt ein.
Wedemeyer: Ich war die letzte Zeit so schweigsam, weil es mich wundert, dass der Graumarkt nicht als problematisch angesehen wird. Wir konnten zum Beispiel mit Digitalkameras jahrelang kein Geschäft machen, weil die Einkaufspreise - egal wo - 20 Prozent über den Netzpreisen lagen. Später wurde dann festgestellt, dass diese Geräte überwiegend aus dem Ausland kamen.
Meyer: Wer die Preisstabilität im Channel dennoch schafft ist zum Beispiel die Firma Apple, die irgendwie ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen hat. Ist es nicht das, was dieser Branche auch letztlich zu schaffen macht, dass es uns an Innovationen und Differenzierungsmerkmalen fehlt?
Wedemeyer: Erstmal weiß ich nicht, ob es so eine Wahnsinnsinnovation ist, dass nicht alle Handys explodieren, sondern nur einzelne. Das war eine der Meldungen, die mich in den letzen Wochen am meisten gefreut hat. Ich glaube, speziell Apple lebt sehr von den Lorbeeren, deswegen würde ich das gar nicht so sehen. Man kann entweder versuchen, sich zu verbreitern, wie das neben Apple, viele Marken machen. Das belastet eine Marke natürlich auch immer. Der Lebensmitteleinzelhandel ist eigentlich ein schönes Beispiel. Die Umsatzrediten liegen hier mittlerweile wieder bei 2 bis 3 Prozent, die Händler müssen aber auch mit wenig Marge klarkommen.
Meyer: Warum funktioniert es nach Ihrer Einschätzung dort wieder?
von Wedemeyer: Ich muss die unterschiedlichen Zielgruppen unterschiedlich angehen. In Hannover habe ich zum Beispiel einen Edeka-Laden gesehen, der nach Feng Shui eingerichtet ist. So einen Quatsch gäbe es natürlich bei Lidl nicht, aber zu Edeka laufen die Double-Income-One-Kid-35- bis 40-jährigen mit Jutetragetaschen und zahlen dort tatsächlich mehr für genau den gleichen Kram. In der Großstadt ist das Konzept ein anderes: In Berlin heißt es Spätkauf, in Hannover heißt es Kiosk, ich weiß nicht, wie die Läden in München heißen, in denen man zum doppelten Preis abends noch eine Dose Ravioli kaufen kann.
Meyer: Tanke heißt das bei uns.
Solche Margen gibt es in dieser Branche nicht!
von Wedemeyer: Viele kleine Lebensmitteleinzelhändler haben gesagt: "das mache ich nicht". Auch die langen Öffnungszeiten wurden immer als Bedrohung angesehen und nicht als Chance. Ein Markt wird sich immer dann konsolidieren, wenn alle sagen: "ich will nichts verändern". Und von denen, die nichts verändern wollen, gibt es immer mehr. Das kann nicht funktionieren.
Weiler: Wir machen es uns ein bisschen einfach, wenn wir sagen: die Händler, die jetzt auch engagiert bei uns Forum diskutieren, kommen mit den Preisen nicht klar, also haben sie schlicht und einfach das falsche Geschäftsmodell. Das kann es doch nicht sein.
Schröter: Wir haben das Glück, dass wir als Systemhaus aufgestellt sind. Früher hatten wir fast zwei Drittel Hardwareumsatz. Jetzt sind wir bei einem Drittel Hardware, der Rest ist Service. Aber das ist doch keine Option für jemanden, der ein kleines Ladengeschäft, wie der Herr Roeseler, mit zwei Leuten hat. Der kann nicht plötzlich Outsourcing oder große Output-Konzepte für große Firmen machen.
Wolf: Wird er tun müssen; den Tante-Emma-Lebensmittelladen gibt es nicht mehr, weil die Kunden eine größere Artikelvielzahl wollten.
Schröter: Jetzt müssen wir aber bitte festhalten: es scheitert nicht daran, dass die Kunden nicht in den Laden kommen oder prinzipiell nicht bereit sind, für eine Beratung 3,50 Euro mehr zu bezahlen.
von Wedemeyer: Aber wie groß soll denn die Marge bitteschön sein? Das ist doch Fantasie!
Shröter: Zehn Prozent ist die kritische Größe. Wenn ich allerdings schon teuer einkaufen muss und dann vielleicht noch zehn Prozent Marge draufhaben will, dann bin ich ganz schnell 15 bis 20 Prozent teurer.
Von Wedemeyer: Habe ich ja alles kapiert. Aber nochmal: solche Margen gibt es in dieser Branche nicht. Sie setzen hier scheinbare Prämissen, die aber Thesen sind. Und meine These dagegen: es gibt solche Margen nicht!
Schröter: Wenn die Distribution im Durchschnitt 3,8 Prozent macht, wo kommen denn da plötzlich diese Differenzen her? Das kann doch nicht sein! Und deswegen sind wir heute in der Diskussion darauf gekommen: okay, das kann nur über Herstellerboni und Ähnliches kaufen.
Von Wedemeyer: Aber nicht in der Größenordnung.
Meyer: Was kann denn ein Hersteller tun, dass solche Fachhändler wie Herr Roseler, auch überleben könnten? Oder kapituliert man?
Für uns bleiben nur die Krümel übrig
Bode: Nein, um Gottes Willen! Es sind typischerweise die low-end-Produkte, die im Schweinepreis zu finden sind. Man muss sich bei solchen Produktbereichen, in denen die Preise so massiv unter Druck stehen, überlegen, die Geräte mit möglichst wenig oder vielleicht keinem Vertriebsaufwand zu verkaufen. Wenn ich mir bei HP oder bei Epson einen 39-Euro-Drucker anschaue, da können sie keinen Vertrieb mehr draufsetzen.
Ohlsson: Wir haben keinen 39-Euro-Drucker.
Bode: Jetzt sehe ich auf der anderen Seite, dass vor allem mittelständische Kunden regional kaufen wollen, weil sie in der Regel auf den Service angewiesen sind. Sie brauchen jemanden, der schnell vor Ort ist. Das ist dann typischerweise nicht unbedingt der Onliner. Ich denke - und das war meine These von vorhin, dass diese Kunden auch bereit sind, mehr zu bezahlen. Ein kleiner Händler muss sich differenzieren. Sie haben die Service-Möglichkeit. Sie haben den persönlichen Kontakt zu den Kunden vor Ort. Und jetzt frage ich mal auch ganz herausfordernd: was ist mit Cross Selling? Wieviel holen Sie aus einem Kunden heraus?
Roeseler: Von welcher Marge reden wir? Von der Notebooktasche? Von einer Maus? Jetzt sind wir wieder beim 39-Euro-Drucker. Natürlich machen wir Cross Selling und sobald wir ein Angebot abgeben gehen die Leute ins Internet und dann kommt die Antwort: "du willst mich betrügen." Der Kunde kommt zwar wieder aber für uns bleiben nur die Krümel übrig. Und wir reden hier über mehr als 10 Prozent.
Von Wedemeyer: Wir kommen immer wieder an einen Punkt zurück. Das heißt, wir moven im weitesten Sinne eine Box von A nach B und müssen irgendwie alle davon leben. Die Box, die früher einen Durchschnittswert von 1.200 Euro hatte, hat jetzt einen Durchschnittswert von 500 Euro. Bei einem Tintenstrahldrucker für 39 Euro - ob es den nun gibt oder nicht - frage ich mich, ob es überhaupt möglich ist, den rentabel von A nach B zu bewegen. Ich glaube es nicht. Da sind schon die Logistikkosten zu hoch.
Wolf: Wir sitzen als Distributor genau dazwischen. Der Fachhandel fragt: "habt ihr eine Meise, zu dem Preis?" Unsere Antwort: "festgeschriebene Konditionen". Und der Hersteller sagt: "macht mehr draus, sonst gibt es keinen neuen Vertrag". Das hilft aber dem Fachhandel nicht, solange es Postengeschäfte, die 10, 15 Prozent und 20 Prozent günstiger sind, gibt.
Schröter: Wäre es im Prinzip denkbar, dass sich kleine Fachhändler zusammentun und einen exklusiven PC oder ein exklusives Notebook konzepieren?
Wolf: Ja, grundsätzlich ist das machbar. Aber Bluechip hat nur die Jahresproduktionsmenge von 63.000 Stück. Wir machen Preloads in allen möglichen Installationsgraden.
von Wedemeyer: Ich glaube auch, sich zusammenzuschließen, ist eine sehr gute Idee. In der Praxis stelle ich es mir dann schwer vor, mit 1.000 Händlern eine optimale Konfiguration zu diskutieren.
Roeseler: Ich habe noch eine Frage: Es leiden doch bestimmt auch die Hersteller darunter, immer billiger verkaufen zu müssen. Das Zeug wird nur noch verramscht. Darunter leiden auch das Image und der Name.
Bode: Wollen Sie meine Spekulation hören? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich dachte schon vor einem Jahr, wir hätten den Tiefpunkt erreicht. Ich dachte vor zwei Jahren, wir hätten den Tiefpunkt erreicht. Ich werde jedes Mal eines Besseren belehrt.
Wolf: Wir verzeichneten im letzten Jahr rund sieben Prozent Preisverfall, übergreifend über PC, Server und Notebooks. Im Handelswarebereich Drucker und Monitor war der Verfall noch verschärfter. Zwangsläufig ist aber natürlich auch irgendwo die Grenze erreicht.
Meyer: Ich möchte mich hiermit ganz herzlich bei allen Teilnehmern bedanken, dass Sie sich die Zeit genommen haben, hier zu ChannelPartner nach München zu kommen. Preise sind ein Thema, das den Handel regelmäßig beschäftigt.
Den kompletten Audiomitschnitt des Roundtables können Sie sich hier anhören. (bw)