Experton-Analyse

Wer füllt die Cloud mit Business-Services?

30.07.2010 von Joachim Hackmann
Google und Amazon beherrschen die Public Cloud. Geschäftskunden sollten andere Provider wählen - raten die Analysten der Experton Group.

In der Wahrnehmung der meisten IT-Nutzer dominieren Anbieter wie Google und Amazon das Geschäft mit Cloud Computing. Damit liegen die Beobachter gar nicht so falsch, zumindest bestätigt die Experton Group, die die aktuellen Cloud-Angebote im deutschen Markt untersucht hat, die starke Stellung der US-amerikanischen Anbieter. Dennoch: Das Rennen um die Cloud-Kundschaft ist keineswegs entschieden.

Neue und unbekannte Dienstleister können hinzukommen, alte große Provider durch die Cloud-Verschiebungen in den Wertschöpfungsketten vom Markt verschwinden. Zudem betonten die Analysten der Experton Group die Bedeutung lokaler Niederlassungen. Besonders den Geschäftskunden raten die Experten zu Cloud-Providern mit deutschen Verträgen und Service-Level-Agreements (SLAs) sowie hiesigem Gerichtsstand. "Die SLAs sind oft sehr komplex, Anwender haben zudem wenig Erfahrung mit den Angeboten, daher sind deutsche Fassungen wichtig", riet Steve Janata, Analyst der Experton Group, bei der Präsentation des "Cloud Vendor Benchmark 2010".

Cloud-Provider im Härtetest
Die Anbieter im Härtetest
In der Studie werden die Cloud-Services folgender Anbieter analysiert: Amazon, Deutsche Telekom AG Geschäftskundensegment (DTGK), Fujitsu Technology Solutions (FTS), Google, Hewlett-Packard (HP), IBM, Microsoft, Nionex, Pironet NDH, Salesforce.com, T-Systems.
Public-Cloud: So positioniert Experton die Anbieter
Nur fünf der elf untersuchten Hersteller bieten Public Cloud- Services ohne Zugangsbeschränkungen über das Internet an. Das Feld wird beherrscht von US-amerikanischen Anbietern. Ihre Verträge und SLAs - wenn es welche gibt – sind zumeist in englischer Sprache.
Public-Cloud-Anbieter Amazon:
Schon vor acht Jahren hat Jeff Bezos die eigenen Rechenkapazitäten anderen Anwendern zur Nutzung angeboten. Mit diesem großen Erfahrungsvorsprung hat sich Amazon laut Experton-Einschätzung einen Spitzenplatz verdient.
Public-Cloud-Anbieter Microsoft:
Microsoft hat in kurzer Zeit zu Amazon aufgeschlossen. Der Softwarehersteller nutzt seine Marktpräsenz offensiv aus.
Public-Cloud-Anbieter Nionex:
Nionex fordert mit seinem IaaS-Angebot die etablierten Hersteller heraus. Die Bertelsmann-Tochter überzeugte Experton mit Transparenz und einem deutschen Rechenzentren.
Cloud-Angebote für den Mittelstand
Der Mittelstand hat deutlich breitere Anforderungen an Cloud- Anbieter und deren Leistungen. Reine IaaS- und PaaS-Angebote im Public-Modus decken nur einen Teil der Anforderungen ab.
Privat-Cloud im Mittelstand, Microsoft:
Gutes Produktspektrum und hohes Vertrauen: Microsoft ist für mittelständische Anwender mit Interesse an Cloud-Diensten eine gute Anlaufstation. <br/> Quelle: Microsoft.
Privat-Cloud im Mittelstand, IBM:
Auch IBM kann im Mittelstandssegment punkten. Dem Unternehmen kommt vor allem zugute, dass es hohes Vertrauen genießt.
Privat-Cloud im Mittelstand, Deutsche Telekom:
Der Geschäftskundenbereich der Deutschen Telekom bietet unter anderem auch Telco-Cloud-Services und deckt laut Experton-Einschätzung nahezu alle Use-Cases ab.
Privat-Cloud im Mittelstand, Nionex:
Die Bertelmann-Tochter betreibt Server- und Storage-Dienste. Weil Rechenzentren in Deutschland stehen und alle Unterlagen in Deutsch geschrieben sind, bietet sich Nionex als Alternative an.
Privat-Cloud im Mittelstand, HP:
Die Cloud-Angebote von HP sind noch verbesserungsdürftig, meinen die Experton-Analysten. Zudem fehlt das eindeutige Bekenntnis des obersten Managements zum Cloud-Geschäft.
Privat-Cloud im Mittelstand, Amazon:
Google bietet günstige Preise, richtet sich mit den Services jedoch vor allem an den Massenmarkt. Wer bei Bedarf einen lokalen Ansprechpartner benötigt, wird bei Google selten fündig.
Privat-Cloud im Mittelstand, Amazon:
Das gleiche gilt für Amazon. Selbstversorger sind hier bestens aufgehoben. Doch das vertrauen im Mittelstand muss sich Amzon noch erarbeiten.

Experton hat die Angebote von elf Providern durchleuchtet, die in Deutschland aktiv sind. Folgende Anbieter werden in der Studie besprochen:

Microsoft empfiehlt sich in der Cloud

Eine gute Position billigen die Marktbeobachter Microsoft zu, nicht zuletzt, weil Firmenchef Steve Ballmer sein Unternehmen öffentlich auf eine Cloud-Strategie festgelegt hat. Zuletzt schwor er Anfang März auf einer Veranstaltung an der University of Washington sein Unternehmen auf dieses Geschäft ein ("We're betting our company on …the cloud"). Solche publikumswirksamen Auftritte zeigen Wirkung. Zweifel an Microsofts Engagement in dem neuen Markt hegen die Analysten nun nicht mehr.

Nur fünf der elf Anbieter, die analysiert wurden, bieten frei zugängliche Dienste in der Public Cloud an.
Foto: Experton Group

Die gab es in der Vergangenheit immer wieder, weil der Löwenanteil von Microsofts Einnahmen dem Lizenzgeschäft mit Office-Produkten und Betriebssystemen entstammt und die Company eine Kannibalisierung fürchten musste. Dennoch hat der Softwarehersteller bereits vor drei Jahren mit der Entwicklung der Cloud-Plattform Azure begonnen. Lohn des frühen Starts ist eine sehr gute Positionierung, die Experton Microsoft im Geschäft mit öffentlichen Cloud-Angeboten zubilligt (siehe Grafik).

Was sagen die Analysten?

Die Public Cloud definieren die Analysten als ein Angebot ohne Zugangsbeschränkung, dass heißt, eine einfache Registrierung im Internet ist möglich. In diesem Segment ist nur Amazon besser als Microsoft aufgestellt. "Dort gibt es die Idee bereits seit acht Jahren. Amazon hat einen großen Erfahrungsvorsprung", betont Carlo Velten, Senior Advisor bei der Experton Group. Eine starke Wettbewerbsposition schreiben die Marktbeobachter zudem Google und Salesforce.com zu, allerdings konzentrieren sich beide laut Experton auf wenige Segmente im Cloud-Business (Platform as a Service beziehungsweise CRM as a Service).

Das Portfolio von Amazon und Microsoft erachten die Analysten als größer. Überraschend ist die gute Wertung des kleinen und unbekannten deutschen Anbieters Nionex. Der Provider liefert Rechenleistung und Speicherdienste aus der öffentlichen Wolke. "Mit einem klar strukturierten Angebot ist die Bertelsmann-Tochter Nionex eine attraktive Alternative", lobt die Experton Group in ihrer Analyse.

IBM, T-Systems und Microsoft für die Private Cloud

Der Mittelstand hat besondere Anforderungen an die Provider. Wichtig sind etwa Vertrauen und lokale Standorte.
Foto: Experton Group

Alle anderen Anbieter spielen in der öffentlichen Wolke keine Rolle. Sie richten sich mit Private-Cloud-Diensten an Unternehmenskunden. Hier zählen IBM, T-Systems und Microsoft eindeutig zu den führenden Anbietern. Beispielhaft präsentierte die Experton Group die Einschätzungen, die sie bezüglich der Positionierung der Anbieter für mittelständische Kunden gewonnen hat (siehe Grafik).

Einen reifen Mix aus Produktangebot und Wettbewerbsstärke weisen hier Pironet NDH, der Geschäftskundenbereich der Deutschen Telekom AG, IBM sowie Microsoft auf. Bei letzterem Unternehmen haben die Analysten ein breites Produktspektrum für mittelständische Kunden vorgefunden. Lobend erwähnen sie, dass auf der Azure-Plattform entwickelte Applikationen auch in anderen Umgebungen eingesetzt werden können.

IBM hat sich die gute Positionierung mit einem überzeugenden Portfolio, vor allem aber auch mit dem enormen Vertrauen im Mittelstand verdient. Die Deutsche Telekom konnte unter anderem mit dem Serviceangebot im Rahmen des Deutschland-LAN sowie einem breiten Kundenzugang punkten. Zudem konnte die Pironet NDH in die Spitzengruppe der Cloud-Provider für mittelständische Anwender vordringen. Der in Köln ansässige Outsourcing-Spezialist hat sein Angebot frühzeitig in Richtung Cloud erweitert. Für die deutschen Kunden ist er von besonderem Interesse, weil er ein Provider auf Augenhöhe und mit hiesigem Stammsitz ist. Alle Verträge, SLAs und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) werden auf Deutsch formuliert.

Die Cloud wird ernst genommen

Die Experton-Analyse kann nur Anhaltspunkte bei der Provider-Wahl bieten, denn sie erfasst bei weitem nicht alle Anbieter in Deutschland. Zudem ist der Markt derzeit stark in Bewegung, so dass sich bald Verschiebungen ergeben können. Experton selbst weist darauf hin, dass die Betreiber noch nicht sämtliche Fragen des Geschäftsmodells abschließend beantwortet haben. Oft ist beispielsweise die Lizenzierung von Software im Cloud-Betrieb offen. Trotz dieser unsicheren Rahmenbedingungen steht das Thema bei vielen Anwendern ganz oben auf der Tagesordnung. "Es hat in den vergangenen Monaten einen erheblichen Stimmungsumschwung bei den Unternehmen gegeben. Cloud Computing wird mittlerweile ernst genommen", berichtet etwa Andreas Zilch von der Experton Group. Zurecht, findet der Experte, denn Cloud-Dienste können Kosten senken sowie die Qualität und Dynamik der IT verbessern. (jha)