Indem die E-Commerce-Konferenz K5 auf die bei derartigen Branchenevents üblichen Dienstleistervorträge verzichtet, verfolgen die Macher zwei Ziele: zum einen wird ein echter Erfahrungsaustausch unter Händlern möglich - sowohl auf dem Podium, wie auch informell in den Konferenzpausen. Zum anderen kann sich die K5 so übergeordneten Themen widmen, die über das Tagesgeschäft hinausblicken und Anregungen für die weitere Entwicklungen des Online-Handels liefern.
Traditionell gab Exciting-Commerce-Blogger und Konferenz-Initiator Jochen Kirsch zu Beginn der Veranstaltung die Themen für die K5 2014 vor: In den letzten Monaten sei es in der Online-Branche gleich zu einer ganzen Reihe wichtiger gedanklicher Durchbrüche gekommen. Der Handelskonzern Otto habe mit seinem E-Commerce-Projekt Collins und der neuen Shop-Plattform AboutYou Bereitschaft gezeigt, über gängige Onlineshop-Modelle hinauszudenken; Amazon habe mit seinem "Dash" getauften Warenscanner für Zuhause erstmals ein dezidiertes Shopping-Device vorgestellt; die Börsengänge der führenden deutschen E-Commerce-Companies Zalando und Rocket Internet brächten zusätzliche Transparenz in die Branche; zudem zeichneten sich im Logistikbereich mit den Paketkasten-Konzepten sowie im technologischen Bereich mit "Buy Buttons" bei Twitter und Pinterest neue Möglichkeiten ab.
Doch nicht nur die technologischen Lösungen für den online-getriebenen Versandhandel würden immer ausgefeilter - auch die Kunden seien heute viel besser in der Lage, E-Commerce-Konzepte auf ihren Mehrwert zu hinterfragen. "E-Commerce for a smarter world", lautete deshalb das Konferenzmotto der K5 2014. Oder in den Worten von Jochen Krisch: "Wie können intelligentere Geschäftsmodelle im E-Commerce aussehen?"
Abschied vom "Aldi-Modell"
Eines der widerkehrenden Themen in den Beiträgen auf dem K5-Podium war die Frage, wie Onlineshops über die auf Preis, Produktbeschreibung und Herstellerfoto reduzierte Angebotsdarstellung à la Amazon hinausgehen können. "Wer kommuniziert und präsentiert wie eine Aldi-Filiale, wird Reaktionsweisen wie eine Aldi-Filiale hervorrufen und auf den billigsten Preis reduziert werden", erklärte Branchenexperte Ruppert Brodmeier in einem anregenden Impulsvortrag. Als Gegenentwurf präsentierte er Konzeptstudien für lange, zum Scrollen einladende Produktseiten, die Herstellerinformationen mit Produktfotos verbinden und den Kunden in eine Art "digitales Beratungsgespräch" verwickeln. So wie Starbucks es geschafft habe, mit Design und Image überdurchschnittliche Preise für ein durchschnittliches Produkt zu etablieren, wünschte sich Brodmeier bei Händlern und Herstellern den Mut zu "Concept-Stores im E-Commerce".
Eine bereits existente Alternative zum Produktseiten-Allerlei sind individualisierte Angebote in Form von Produkt-Feeds bzw. "Produkt-Wolken", die beim Online-Einkauf Inspiration liefern sollen. So zeigte die Gründerin der Second-Hand-Modeplattform Mächenflohmarkt.de, wie Nutzer der Seite aus dem Warenangebot eigene Kollektionen zusammenstellen können. Diese "Kleiderschränke" können dann von anderen Mädchenflohmarkt-Nutzerinnen "geplündert" werden. Ein ähnliches Prinzip verfolgt der Mode- und Einrichtungsmarktplatz Stylefruits, wo Nutzer nach eigenem Gefallen "Styles" zusammenstellen können. Das sich ein solches Prinzip auch auf den Elektronikhandel übertragen lässt, zeigte übrigens vor einiger Zeit bereits eBay USA mit dem Feature "My Gadgets".
Noch einen Schritt weiter geht die Otto-Shop-Plattform AboutYou, die Entwickler dazu einlädt, auf Basis des vorhandenen Warenangebots eigene "Apps" in Form von Shop-Oberflächen zu erdenken. Beispielsweise können sich mit der App "Get the look" Celebrity-Fans die Outfits ihrer Stars nach Hause holen; "Nachteule" präsentiert die besten Events und Locations verschiedener Städte, inklusive der passenden Dresscodes; und bei "You&Idol" erhalten ehemalige GNTM-Kandidatinnen die Chance, individuelle Kollektionen zusammenzustellen und diese als "ihren Onlineshop" z.B. bei Facebook zu promoten. AboutYou-Geschäftsführer Tarek Müller präsentierte dazu auf der K5 eindrucksvolle Zahlen: Im Vergleich zum klassischen AboutYou-Shop sorgen App-Nutzer für eine 41 Prozent höhere Conversion Rate, haben 16 Prozent höhere Warenkorbwerte und bleiben deutlich mehr als doppelt so lange auf der Seite.
Zum Video: Wenn Online-Händler über den Tellerrand hinausblicken
In die Breite, in die Tiefe - oder ins Ausland
Die von weiteren Händlern auf der K5 präsentierten Stellschrauben für mehr Erfolg im E-Commerce wirkten demgegenüber weniger spektakulär, zeigten aber dennoch große Effekte. So berichtete Cornelius Patt, Gründer und Geschäftsführer des Tiernahrungshändlers Zooplus davon, wie er es mit seinem 1999 gegründeten Shop zu 2,7 Millionen Kunden und einem Jahresumsatz von mehr als einer halben Milliarde Euro geschafft hat. Als Gamechanger für die Entwicklung des Onlineshops bezeichnete Patt die Entscheidung, auch im europäischen Ausland aktiv zu werden. Anstatt das Geschäftsmodell auf mehrere Kanäle oder zusätzliche Produktsparten zu erweitern, habe man sich für eine konsequente Internationalisierung entschieden. Heute sei Zooplus in 23 Märkten vertreten und nehme in 21 Ländern die Rolle des Marktführers ein.
Über einen anderen Ansatz berichtete Windeln.de-Gründer Alexander Brand. Dem klar eingegrenzten Firmennamen zum Trotz weitet der Online-Händler sein Produktsortiment konsequent aus und ist gerade dabei, mittels Übernahmen auch in das Geschäft mit Kindermode einzusteigen. Damit erinnerte Windeln.de nicht zuletzt an Notebooksbilliger.de, das längst nicht mehr ausschließlich tragbare Computer anbietet, sondern "alles, was einen Stecker hat", wie Firmenchef Arnd von Wedemeyer vor zwei Jahren auf der K5 berichtete.
Dem vielstimmigen Ansatz der E-Commerce-Konferenz entsprechend, stellte kurz nach Windeln.de Christian Gleichmann, E-Commerce-Leiter von Babyartikel.de, einen komplett andersgerichteten Ansatz vor: statt das vorgegebene Sortiment immer weiter auszuweiten, setzt der Online-Händler auf eine möglichst hohe Produktkompetenz mit ausführlichen, redaktionell gepflegten Produkttexten und -Fotos. Wie Gleichmann berichtete, erzielt das Unternehmen so eine maximale Kundenbindung und schafft es, im Gegenzug auf übersteigerte Kosten für (Suchmaschinen-)Werbung zu verzichten.
Zukunftsthemen: Mobile und dezentrales Warehousing
Mit den präsentierten Themen löste die K5 2014 viele ihrer Versprechen ein. Lediglich im Hinblick auf das Thema smarter Shopping Devices gab es eine Leerstellen zu verzeichnen. Aber vielleicht ist hier Amazon einfach einen Schritt weiter als die Konkurrenz - oder sind die Kunden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Shop-Zugänge auch einfach zufrieden. Hardware-seitig wurde stattdessen in verschiedenen Vorträgen das Thema Mobile adressiert - allerdings ohne die von Agenturen und Dienstleistern sonst häufig an den Tag gelegte Euphorie. Man könne noch nicht sagen, ob der Einkauf von mobilen Endgeräten wirklich einen signifikanten Unterschied darstelle - schließlich würden die meisten Einkäufe per iPad zu Hause getätigt, erklärte Stefan Smalla, Gründer des Einrichtungs-Shoppingclubs Westwing. Sein Unternehmen unterscheide bei der Site-Entwicklung zwischen Endgeräten mit großen und kleinen Bildschirmen. In beiden Fällen gelte es, optimale Nutzererlebnisse zu bieten.
Die zweite große bei der K5 diskutierte Hardware-Lösung stellten die Paketkästen des Logistik-Marktführers DHL dar. DHL-Manager Thomas Ogilvie verteidigte die Konzeption der "Empfangsboxen" als geschlossenem System und kündigte auch den Ausbau des bestehenden Packstation-Netzes aus. "Für jedes Paket, das in diesem Moment unterwegs ist, verzeichnen wir die doppelte Menge an Tracking-Aufrufen. Das zeigt uns, dass E-Commerce nicht ohne eine entsprechend ausgereifte Logistik funktioniert", so Ogilvie. Großes Potenzial räumte der DHL-Manager auch lokalen Händlern ein - denn schließlich halte "jede Stadt in ihren Geschäften das gleiche Warenangebot vor, wie ein Logistikzentrum auf der grünen Wiese". Doch gebe es noch massive Schwierigkeiten auf der Warenwirtschafts-Seite und lasse sich deshalb schwer voraussagen, wie lange es dauern würde, bis der lokale Handel für den E-Commerce aktiviert werden könne. (rw)
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