Checkliste für den Blackout

Wenn die Logistik-IT ausfällt

03.06.2015 von Michael Sudahl
Logistiker müssen heute dem immer größer werdenden Wettbewerb die Stirn bieten. Wer seine Kunden zufriedenstellen will, braucht aktuelle, sichere und ausfallgeschützte EDV. Denn das Business muss auch im Notfall weiter laufen.

Probleme bekommt Logistikdienstleister Seifert Logistics beispielsweise, wenn ein automatisiertes Hochregallager von der IT-Versorgung abgeschnitten ist. Dann ist die Fahndung nach einem bestimmten Gut wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die meisten anderen Abläufe können auch bei einem IT-Ausfall von einigen Minuten fast normal weiterlaufen. "Wir verlieren dann etwas Zeit", erläutert Qualitätsbeauftragter Volker Pfeiffer und meint, dass in der Logistik Zeit mit Geld gleichzusetzen ist.

Logistiksysteme können aus den unterschiedlichsten Gründen ausfallen. Hier ist rasche Fehlerbehebung angesagt.
Foto: cienpiesnf - Fotolia.com

"Natürlich gewährleisten wir auch über die entsprechende Infrastruktur, dass die Arbeit weitergeht", weiß der Sicherheitsexperte. Über Rechner und Drucker, die nicht an das Gesamtnetz angeschlossen sind, beispielsweise. Und Systeme, die sich gegenseitig ersetzen können. "Grundsätzlich sind unsere Systeme redundant ausgelegt. Das heißt, dass sie bei Ausfällen füreinander einspringen und wichtige Daten wiederhergestellt werden können", erläutert Pfeiffer seine Strategie. Nötige Daten zu Bewegung und Warenfluss können dank Redundanz von einem funktionierenden Systemteil auf den offline-Rechner heruntergezogen und dort weiter bearbeitet werden. Damit Server, Netzwerke und Computer nicht gleichzeitig Störungen unterliegen, werden Daten an ausgelagerte Stationen gespiegelt und in Cloud-Diensten gesichert.

Checklisten für den Notfall geben vor, was zu tun ist

Was im Einzelfall zu tun ist, ist in ausgeklügelten Szenarien schriftlich festgehalten. Und wird regelmäßig, etwa alle drei bis vier Monate geübt. Jeder Standortleiter, IT-Mitarbeiter und Lagerarbeiter weiß dann, welche Maßnahmen er an seiner Niederlassung einleiten muss.

Blick auf die Logistiksysteme.
Foto: Seifert Logistik

In Karlsruhe-Malsch beispielsweise managt die Seifert Gruppe die Montageversorgung eines Premium-Autobauers. Angelieferte Teile werden hier just in time in die Fertigung geliefert. Davor haben die Mitarbeiter sie kommissioniert, neu verpackt und in die richtige Reihenfolge gebracht. Sogar Montagetätigkeiten und andere Mehrwertdienstleistungen erbringt der Dienstleister für den Automobilhersteller. "Für die Verwaltung der Lagerbestände sind wir extrem auf die Hilfe des Computers angewiesen", erläutert Pfeiffer. Denn Standorte und Anzahl der vorrätigen Komponenten ändern sich ständig und sind, werden sie auf Papier festgehalten, chronisch veraltet. "Fällt uns hier die IT aus, haben wir ein echtes Problem. Dann müssen wir auf anderen Wegen die Fertigung des Kunden sicherstellen", weiß der Qualitätsmanager. Denn eine Minute Bandstillstand bei Daimler, BMW & Co verursacht Kosten zwischen 1.000 und 6.000 Euro. Stockt das System, stellen die Mitarbeiter manuell sicher, dass dem Kunden die Teile nicht ausgehen. Mit von Hand geführten Lagerfachkarten und persönlichen Absprachen.

Logistik und IT in neuer Führungsrolle
Warum IT und Logistik zusammengehören
Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) plädiert für einen engen Schulterschluss von Logistik und IT. Dabei gilt folgende Definition: "Logistik ist die ganzheitliche Planung, Steuerung, Koordination, Durchführung und Kontrolle aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Informations- und Güterflüsse." Die BVL formuliert zwölf Thesen, die Sie auf den folgenden Seiten finden.
These 1: Logistik und IT zusammendenken
"Die Verbindung zwischen Informationstechnologie und Logistik birgt das größte Potenzial für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland", schreibt die BVL. Daher müssten Logistikwirtschaft und -wissenschaft eine taktgebende Führungsrolle in der Informatik und bei der Entwicklung von Informationstechnologien übernehmen.
These 2: Informationslogistik als eigene Disziplin
Nur Länder mit eigener Technologieentwicklung werden einen signifikanten Wettbewerbsvorsprung halten können, so die BVL. Die Informationslogistik müsse als eigenständiges Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsumfeld begriffen werden mit dem Ziel, Software zu produzieren wie Autos. Die Vereinigung fordert in Deutschland hundert neue Logistiklehrstühle und "viele davon mit IT-Bezug".
These 3: Megatrends und Innovationen
"Die deutsche IT-Forschung und Innovation muss bewusst beschleunigt werden, indem die Standortvorteile genutzt und gestärkt werden", schreibt die BVL. Konkret: Die vertikale Integration von Logistik und IT soll vorangetrieben werden. Dabei kommt der Informationslogistik als Bindeglied zwischen IT und Produktion eine Schlüsselrolle sowohl beim Management als auch beim Design der Systeme zu.
These 4: E-Commerce und M-Commerce
"Erfolgreiche Zustellsysteme im E-Commerce und M-Commerce basieren auf einer umfassenden Logistik- und IT-Kompetenz", erklären die Logistiker. Ihre Prognose: Unternehmen, die nicht auf die Verbindung von IT und Logistik fokussieren, werden mittelfristig aus dem Wettbewerb ausscheiden.
These 5: Komplexität
Die BVL gibt zu bedenken, dass Komplexität und Dynamik in der Logistik überproportional wachsen. "Die größte strategische Chance besteht aus deutscher Sicht in einer schnellen innovativen Entwicklung branchenspezifischer IT-Werkzeuge in der Logistik", heißt es.
These 6: Transparenz
"Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind die Grundlage des logistischen Managements und Garanten für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Supply Chains", sagt die BVL. Dies gelinge nur mit der Entwicklung und konsequenten Einführung neuer Informationstechnologien.
These 7: Collaboration
"Logistik ist ein internationales Geschäft", stellt die BVL fest. IT-Lösungen, die eine IT-gestützte, unternehmensübergreifende Zusammenarbeit im Sinne von Collaboration und einen schnellen, automatisierten Datenaustausch ermöglichen, seien ein wesentliches Differenzierungsmerkmal der Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Bestehende Lösungen und Forschungsvorhaben hierzu müssten von Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik unterstützt werden.
These 8: Normung und Standards
"Die Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationslogistik führt zunehmend zu De-facto-Standards", beobachtet die BVL. Die notwendige Geschwindigkeit und Tiefe der Standardisierung und Normung zu gewährleisten, sei eine internationale Aufgabe, die auch auf nationaler Ebene unterstützt und aktiv gefördert werden müsse. Die Logistiker sprechen sich für internationale Standards aus.
These 9: Digitale Infrastruktur
Laut BVL vertausendfacht sich die Datenmenge in der Logistik alle zehn Jahre. Investitionen des Bundes in breitbandige und mobile Datennetze müssen zur Wettbewerbssicherung des Standortes und zur Sicherstellung eines schnellen und sicheren Datenaustausches erhöht werden, fordert die Vereinigung.
These 10: Sicherheit und Compliance
"Rechtssicherheit auf Basis klarer, transparenter Regeln und länderübergreifende Lösungen und Vereinbarungen sind für die Logistik essenziell", schreibt die BVL. Die Logistiker wollen eine sichere „German Cloud“ schaffen.
These 11: Industrie 4.0
"Die 4. Industrielle Revolution und konkret die Soft- und Hardware- Entwicklungen sowie die korrespondierende Algorithmik und deren Anwendung in der Logistik müssen von den Entscheidungsträgern in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft vorangetrieben werden", fordert die BVL.
These 12: Mensch und IT
Nach den Zahlen der BVL beschäftigt die Logistik in Deutschland über 2,8 Millionen Menschen. Sie ist auch in Zeiten einer Industrie 4.0 auf menschliche Flexibilität, Kreativität und Schaffenskraft angewiesen. "Es gilt, insbesondere Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologien in den Dienst einer „Social Logistics“ zu stellen, die die Vernetzung des Menschen in den „Social Networks“ einer Industrie 4.0 propagiert und ihn zugleich als soziales Individuum adressiert", erklären die Logistiker.

Kontinuität der Geschäftsprozesse: Das Business läuft immer

Einem Stromausfall sieht Pfeiffer da gelassener entgegen. Die zentralen Server für alle Niederlassungen stehen am Firmensitz in Ulm. Fällt hier einmal der Strom aus, springen binnen Sekunden Dieselgeneratoren an, die den Energiefluss direkt wieder herstellen. "Wir haben unser System außerdem so eingestellt, dass bei einem Stromausfall die Energie noch reicht, um Computer und Server geordnet herunterzufahren", sagt Pfeiffer. Eine unterbrechungsfreie Stromversorgung ist per USV-Konzept sichergestellt. An Notebooks und Tablet-PCs mit ihrem integrierten Akku kann ohne Unterbrechung weiter gearbeitet werden. "Wo es der Geschäftsprozess verlangt, findet auch bei Stromausfall keine Unterbrechung in der IT und damit im täglichen Geschäft statt. Das Business läuft immer", betont Qualitätsmanager Pfeiffer die Kontinuität der Geschäftsprozesse.