Gleich zu Beginn dieses Gesprächs die unvermeidliche Frage nach der Umsatzentwicklung: Wie lief das Notebooksbilliger-Jahr 2014?
Wedemeyer: Wir haben unser internes Ziel übererfüllt. Die Umsatzmarke von 600 Millionen haben wir gut geknackt. Im Vergleich zu 2013 sind wir damit deutlich über 10 Prozent gewachsen.
Wäre es damit nicht langsam an der Zeit, das Umsatzziel von einer Milliarde Euro ins Visier zu nehmen?
Wedemeyer: Auf dem hohen Level, an dem wir uns inzwischen befinden, hat man nicht die Möglichkeit, plötzlich einmal Wachstumssprünge von 50 Prozent zu machen. Das sind vielmehr kontinuierliche Entwicklungen. Aber bei Notebooksbilliger.de ist schon noch Luft nach oben. Nur ist das mit der Milliarde so eine Sache: wenn wir heute bei 800 Millionen Euro wären, würde es vielleicht Sinn machen, noch einmal gezielt Gas zu geben. Aber so ist es im Prinzip egal, wann genau wir die Umsatzmilliarde erreichen.
Wettbewerber haben 2014 eher als Jahr der E-Commerce-Konsolidierung beschrieben. Woran lässt sich das starke Wachstum von Notebooksbilliger.de im Vergleich zur Konkurrenz festmachen?
Wedemeyer: Wir sind im Kerngeschäft gut gewachsen und konnten in neuen Bereichen überproportional stark zulegen. Ich habe auch gehört, dass andere nicht ganz so zufrieden mit dem vergangenen Jahr waren. Allerdings kann ich nicht beurteilen, woran das liegt.
"Der beste Fachhändler - im Netz"
Welche strategischen Schwerpunkte standen für Sie im letzten Jahr im Mittelpunkt?
Wedemeyer: 2014 sind wir in mehr Bereiche konsequenter hineingegangen. Dazu zählen unter anderem Weiße Ware, TV und Audio/Hi-Fi. Zudem haben wir unseren Mitarbeiterstamm deutlich aufgestockt. Ansonsten haben wir unser Thema aus dem Vorjahr weitergetrieben: dass wir für die Kunden der beste Fachhändler sein wollen, der eben ganz "zufällig" online ist.
Das klingt einfach. Aber wie gelingt es konkret, im umkämpften Online-Markt neue Kunden jenseits der Kerngeschäfts zu gewinnen?
Wedemeyer: Ein wichtiges Tool ist hier unser Angebot der Woche. Wir haben das inzwischen auf wöchentlich 20 bis 30 Produkte ausgebaut. Die Angebote werden breit angenommen und wir schicken diese per Newsletter auch an eine große siebenstellige Gruppe. Hier gilt der Grundsatz, dass steter Tropfen den Stein höhlt. Es ist wichtig, kontinuierlich in Sortimente zu gehen und Kompetenz zu demonstrieren. Früher waren wir deutlich mehr Posten-getrieben, jetzt zählen stärker die Qualität unserer Angebote oder die zahlreichen Kundenbewertungen, die wir für viele Artikel inzwischen vorweisen können.
Notebooksbilliger.de war in den vergangenen Jahren mit einer EBIT-Marge im Bereich von vier Prozent der Profit-Spitzenreiter unter den Elektronikversendern. Lässt sich diese vergleichsweise hohe Profitabilität auch dann aufrechterhalten, wenn es darum geht, neue Segmente zu erschließen?
Wedemeyer: Natürlich kosten neue Bereiche erst einmal Profitabilität. Aber das bedeutet keineswegs, dass wir 2014 unter Null gerutscht wären. Schließlich hatten wir auch deutlich mehr Umsatzvolumen, was uns eine positive Ertragsentwicklung ermöglicht hat.
"Ich sehe keine Änderung in der Handelslandschaft"
Zählen zu den neuen von Notebooksbilliger.de priorisierten Bereichen auch Wearables und andere vernetzte Geräte? Hier ließ sich in den vergangenen zwölf Monaten ein deutlich gestiegenes Anbieterinteresse verzeichnen...
Wedemeyer: Das Internet of Things ist für uns nicht so neu. Heimautomatisierung ist etwas, das wir bereits seit zwei bis drei Jahren anbieten. Aber in der Tat fängt einiges in dem Bereich nun an, spannend zu werden.
Lassen sich solche neuen Produktkategorien einfach mit den bestehenden Strategien verkaufen? Es gibt Stimmen, die es für möglich halten, dass beim Handel mit Wearables und vernetzten Lösungen dereinst Mobilfunk-Betreiber und Plattform-Anbieter wie Apple vorne liegen könnten.
Wedemeyer: Es reden zwar viele von neuen Strategien und einige haben dafür auch Ideen. Doch es handelt sich hier noch um einen stark fragmentierten Markt. In vielen Fällen ist bei den Geräten die User Experience noch nicht da, wo sie sein müsste. Ich selbst bin ein Technik-Freak, aber es gibt im Bereich vernetzter Geräte noch nicht so viel, was ich auch meinen Eltern oder Bekannten empfehlen würde. Es gibt gute Lösungen, aber diese sind oft noch sehr teuer und bringen einen hohen Installationsaufwand mit sich.
Dennoch entwickelt sich dieser Bereich in eine gute Richtung. 2014 wuchs er aus unserer Sicht signifikant. Aber ich sehe weder eine Änderung in der Handelslandschaft, noch eine Marke, die hier vor dem großen Durchbruch steht. Herstellershops haben eine Berechtigung bei einer sehr starken Marke. Oder wenn es für den Kunden ein vermeintlicher Statusvorteil ist. Objektiv spricht allerdings viel mehr dafür, bei einem breit aufgestellten Händler zu kaufen, als bei einem Hersteller. Insofern bin ich bei diesem Thema sehr entspannt.
Media-Saturn hat angekündigt, solche neuen Produktbereiche mit Übernahmen und Beteiligungen vorantreiben zu wollen. Conrad setzt auf die Zusammenarbeit mit Hardware-Entwicklern. Kommt auch für Sie ein Investment in geeignete Startups in Frage?
Wedemeyer: Persönlich schaue ich mir Startups schon hin und wieder an. Aber speziell im reinen E-Commerce-Bereich habe ich den Eindruck, dass es in Deutschland zwar recht viele "Entrepreneure", aber nur wenig gute Unternehmer gibt. Oft gehen Startups mit einem hohen Budget in ein verhältnismäßig großes Risiko. Und die angesetzten Unternehmensbewertungen sind mir auch ein ziemliches Rätsel. Im E-Commerce-Bereich habe ich mir deshalb seit einem halben Jahr keine Startups mehr angeschaut.
"Der Elektronikhandel ist bodenständiger"
Das klingt so, als ob Sie Notebooksbilliger.de noch lange erhalten bleiben. Die Führung des von Ihnen gegründeten Unternehmens ist Ihnen also auch noch 14 Jahre nach dem Start des Onlineshops nicht langweilig?
Wedemeyer: Wenn man mehr als 20 Jahre in dem Geschäft tätig ist, kommt man natürlich schon gelegentlich an einen gewissen Punkt. Aber bei Notebooksbilliger.de konnte ich dann immer an einer Stelle etwas anderes anstoßen und eine neue Herausforderung suchen. Ich wüsste nichts Besseres, was ich machen könnte.
Wenn jemand zu mir käme und eine Super-Idee hätte, was man neues machen könnte, würde mich das vielleicht schon reizen. Aber das würde nicht bedeuten, dass ich Notebooksbilliger den Rücken kehren würde, sondern dass ich meine Stellung dort vielleicht anders organisieren würde. Aber zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich nichts Diesbezügliches - und ich möchte auch nicht anfangen, prophetisch zu werden.
Das klingt sehr bodenständig. Im Vergleich dazu: sogar Media-Saturn will mit der Electronics Online Group nun eine Art "Startup im Konzern" etablieren...
Wedemeyer: Ich finde es toll, wenn die Kollegen sich mit solchen Nebenschauplätzen befassen. Es gibt doch fast kein Family Office oder keinen Konzern mehr, der noch nicht einen Inkubator gegründet hätte und dann wieder eingestellt hat. Wenn gute Ideen so breit gestreut wären, würde das sicherlich viel leichter laufen. Aber in der Realität gibt es vor allem Copycats, die Ideen x-fach kopieren, alle mit jeder Menge Kapital ausgestattet sind und voller sogenannter "Entrepreneure" stecken, die letztlich angestellte Manager mit geringer Berufserfahrung sind ohne eigenes echtes Risiko.
Aber macht es nicht Sinn, wenn Electronics-Online-Group-Chef Martin Sinner den innovativen Otto-Shop About You lobt und ankündigt, ähnlich gelagerte Elektronikshop-Formate entwickeln zu wollen, um beispielsweise weibliche Käufer stärker anzusprechen?
Wedemeyer: Im Modebereich gibt es eine größere Varianz, sowohl bei den Beschaffungswegen als auch bei den Marken. Elektronik ist demgegenüber viel bodenständiger. Dem tragen auch die Shop-Lösungen der großen Elektronikversender Rechnung. Das heißt nicht, dass wir uns nicht weiterentwickelt haben. Wir haben unseren Blog in den Shop integriert und beschäftigen inzwischen mehr Redakteure als die meisten Technik-Blogs. Aber wir machen das, weil es dem Informationsbedürfnis der Nutzer Rechnung trägt. Bei Mode verstehe ich, dass der Handel nach neuen Online-Modellen sucht. About You ist dafür ein schönes Beispiel - aber nicht mehr.
"Angebot auf Online-Marktplätzen wird überdacht"
Eine der interessanteren Nachrichten der letzten Zeit war die Entscheidung von Media-Saturn, das komplette Online-Sortiment von Media Markt und Saturn bei eBay anzubieten. Steigt damit die Relevanz von eBay für den Elektronik-Online-Handel?
Wedemeyer: Wir haben bei eBay immer einen Preisaufschlag für unsere Angebote genommen und hatten dort deshalb nie riesige Umsätze. Nach dem Preisfehler in unserem eBay-Shop Ende vergangenen Jahres gibt es bei uns Überlegungen, sich vom Plattformgeschäft grundsätzlich zu verabschieden. Das ist weniger ein eBay-Thema im speziellen. Als mehr ein Thema, das wir die Qualität der Prozesse bei einer durchgängig internen Lösung besser im Griff haben.
Und andere Plattformen wie Amazon und Rakuten? Welche Rolle spielen diese Anbieter in der Sichtweise von Notebooksbilliger.de?
Wedemeyer: Amazon macht aus unserer Sicht keinen Sinn, weil Amazon sehr stark beobachtet, was andere verkaufen und das dann schnell ins Portfolio nimmt. Und wenn man den Preisfehler bei Amazon.co.uk betrachtet, ist Amazon mit seinem hohen Grad an Outsourcing noch problematischer als eBay.
Was andere E-Commerce-Plattformen betrifft, stellt sich die Frage, ob nicht eher wir die Plattform stärken würden, wenn wir dort hingehen - und nicht umgekehrt. Die Kundengruppen, die wir uns damit neu erschließen könnten, sind jedenfalls sehr eingeschränkt. Von einem Angebot bei kleineren Plattformen wären also kaum Mehrumsätze zu erwarten, sondern eher eine Kannibalisierung von Umsätzen - und das mit einem vermutlich schlechteren Einkaufserlebnis als in unserem eigenen Shop.
"Preisfehler sind nie hundertprozentig auszuschließen"
Den Preisfehler im eBay-Shop von Notebooksbilliger.de haben Sie bereits angesprochen. Im Netz liest man weiterhin von Kunden, die ihre Bestellungen einklagen wollen. Wie ist hier der aktuelle Stand?
Wedemeyer: Wir sprechen hier von einer einstelligen Zahl an Briefen, die uns überhaupt dazu erreicht haben. Ich habe Zweifel, dass der Klageweg beschritten wird, die Rechtslage ist sehr eindeutig. Und das ist auch richtig so, denn sonst würde es dauernd Insolvenzen von guten Anbietern geben. Denn aufgrund der immer höheren Komplexität der Datenlieferungen und -verarbeitung sind solche Fehler eben nie hunertprozentig auszuschließen.
Was haben Sie aus dem Preisfehler gelernt?
Wedemeyer: Zum einen hat das für mich das Angebot auf Online-Marktplätzen in Frage gestellt, weil wir dort nicht alles einhundertprozentig im Griff haben - und das ist für uns grundsätzlich wichtig. Zum anderen werden wir eine interne Notfallnummer einrichten mit einer Sieben-Tage-24-Stunden-Veranwortlichkeit. Aber auch das hätte in dem konkreten Fall nur dazu geführt, dass wir vielleicht eine Stunde früher reagiert hätten. Eine gute Idee ist zudem das in einem Blog-Beitrag zu unserem Preisfehler vorgeschlagene Monitoring-Tool für Auffälligkeiten im Kaufverhalten. Doch könnte das auch schwierig sein und bei jedem Wochenangebot einen Alarm auslösen. Alles in allem finde ich, dass unser Management des Preisfehlers gut war und wir auch bei der darauffolgenden Kommunikation das Meiste richtig gemacht haben.
Amazon und Cyberport als härteste Wettbewerber
Lassen Sie uns einen Blick auf die Konkurrenzsituation bei den Elektronikversendern werfen: Welche Wettbewerber haben Sie im zurückliegenden Jahr wahrgenommen?
Wedemeyer: Für uns sichtbar ist selbstverständlich Amazon und dann noch Cyberport, aber das ist je nach Hersteller und Bereich schwankend.
War der Markteinstieg des britischen Haushaltsgeräte-Marktführers AO.com für Sie spürbar?
Wedemyer: Wir kriegen das bisher nicht mit und soweit ich sehen kann, ist hier in Deutschland bislang auch noch keine Google-Relevanz gegeben. In Industriekreisen wird über das angeblich tolle Einkaufserlebnis bei AO.com geredet, aber ich habe darüber noch nichts Spektakuläres gehört. Ich hätte vom Markteinstieg von AO.com mehr erwartet - anscheinend ist es bisher nicht gelungen, große Marktanteile im Bereich Weiße Ware zu erobern.
Bei Cyberport weiß man inzwischen, dass das große Umsatzwachstum der letzten Jahre zulasten der Profitabilität ging. Wie schätzen Sie die Situation bei dem Wettbewerber ein?
Wedemeyer: Ich glaube, dass das Store-Netz für Cyberport eine große Bürde darstellt. Es dürfte sehr schwer sein, die Stores rentabel zu führen. Zumindest für Sortimente, in denen wir gemeinsam unterwegs sind, kann ich das sagen.
Cyberport versteht sich heute als Multichannel-Händler und setzt auch auf Innovationen in Sachen digitaler POS. Ist das ein Thema für Notebooksbilliger.de und Ihre drei stationären Stores?
Wedemeyer: Wir versuchen Themen wie den digitalen POS auf die Kundensicht zu reduzieren. Brauchen die Kunden das oder handelt es sich nur um ein nettes Gimmick? Ich tendiere dabei eher zu Letzterem.
Zweifel an der Multichannel-Strategie von Media-Saturn
Erwarten Sie einen weiteren Rückgang im stationären Handel?
Wedemeyer: Ja, ich denke, dass das stationäre Geschäft weiter zurückgehen wird. Schon heute ist es doch so, dass es in den Innenstädten nur noch Markenshops gibt. Die Vielfalt nimmt hier weiter ab und auch in den Einkaufscentern gibt es überall die gleichen Ketten. Wo existiert heute noch ein echter Fachhandel?
Ihr größter stationärer Wettbewerber Media-Saturn hat Ende 2014 Multichannel-Pilotmärkte eröffnet und glaubt offensichtlich daran, mit solchen Maßnahmen seine Zukunftschancen sichern zu können. Sie glauben nicht daran, dass das gelingt?
Wedemeyer: Ich habe insgesamt Zweifel an Konzepten wie den Vorzeige-Stores von Media-Saturn in Ingolstadt. Wenn das für die Kunden wirklich Relevanz besitzt, stellt sich noch immer die Frage, wie man das auf alle Outlets ausrollen will, welche Kosten dabei entstehen und wie hoch die finanzielle Belastung letztendlich wäre. Ich denke, mit den Pilotmärkten will Media-Saturn vor allem der Industrie, die in der Konzernzentrale zu Besuch ist, zeigen, wie kreativ man doch ist.
Und wie nehmen Sie Media-Saturn als Online-Wettbewerber wahr? Immerhin liegen die Online-Umsätze dort inzwischen bei rund 1,5 Milliarden Euro...
Wedemeyer: Bei dem, was Media-Saturn als Online-Umsätze bezeichnet, zählt ja auch die Abholung und Vorreservierung von Artikeln dazu, soweit ich das weiß. Das sind aus meiner Sicht keine Online-Umsätze im eigentlichen Sinn. Wir jedenfalls spüren Media-Saturn als Wettbewerber nicht. Die aktuelle Multichannel-Werbung von Media Markt finde ich aber wieder sympathischer. Hier geht man anscheinend "Back to the Roots". Grundsätzlich glaube ich schon, dass wenn Kunden offline kaufen wollen, das was Media-Saturn heute bietet in Punkto Flächendeckung und Verfügbarkeit anbietet, gut ist und für Spontankäufe sinnvoll sein kann. (mh)