Der Staat gegen Hasskriminalität im Netz

Was Social-Media-Netzwerke zu beachten haben

29.05.2017 von Martin Gerecke
Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat nun den Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorgelegt. Damit sollen soziale Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden angehalten werden.

"Hate Speech" und "Fake News" sind die Geister unserer digitalen Welt. Der Fall Anas M., dessen Selfie mit der Bundeskanzlerin von unbekannten, mutmaßlich rechtsextremen Personen auf Facebook missbraucht wurde, um dem Syrer eine Täterschaft oder eine Beteiligung an Terroranschlägen zu unterstellen, hat dabei wieder einmal die Probleme im Umgang mit Hasskommentaren in sozialen Netzwerken gezeigt. Hosting Provider wie Facebook haften nach deutschem Recht nicht präventiv, sondern nur ab Kenntnis von dem rechtswidrigen Post (§ 10 Telemediengesetz) und auch dann werden Inhalte nach Ansicht der Betroffenen nur zögerlich gelöscht.

Das Bundesjustizministerium (BMJV) hat nun den Entwurf eines Gesetzes mit dem bürokratischen Namen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) vorgelegt. Damit sollen soziale Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden, insbesondere über Hasskriminalität, angehalten werden.

Wen betrifft das Gesetz?

Betroffen sind "Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die es Nutzern ermöglichen, beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen". Journalistisch-redaktionell gestaltete Plattformen sollen nicht hierunter fallen ebenso wenig wie Anbieter mit weniger als zwei Millionen registrierten Nutzern im Inland. Das Gesetz gilt danach insbesondere für soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Instagram.

Welche Pflichten haben die Plattformanbieter?

Der Entwurf verlangt vom Anbieter die vierteljährliche Erstellung und Veröffentlichung eines deutschsprachigen Berichts über den Umgang mit Beschwerden von Nutzern über rechtswidrige Inhalte auf den Plattformen. Er muss insbesondere Angaben darüber enthalten, welche Anstrengungen der Anbieter des sozialen Netzwerks unternimmt, um strafbare Handlungen auf seinen Plattformen zu unterbinden.

Ferner muss der Anbieter ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden der Nutzer vorhalten. Dabei muss das Netzwerk im Wesentlichen drei Schritte beachten:

  1. - Es muss zunächst unverzüglich von der Beschwerde Kenntnis nehmen und prüfen, ob der Inhalt rechtswidrig und zu entfernen ist.

  2. - Offensichtlich rechtswidrige Inhalte muss die Plattform innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde löschen.

  3. - Bei sonstigen Inhalten, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, hat eine Löschung innerhalb von sieben Tagen zu erfolgen. Ein Inhalt ist offensichtlich rechtswidrig, wenn zur Feststellung der Strafbarkeit keine vertiefte Prüfung erforderlich ist.

Die entfernten Inhalte sind zu Beweiszwecken zu sichern und im Inland zu speichern. Zudem muss der Anbieter sowohl den Betroffenen als auch den Nutzer, dessen Inhalte gelöscht wurden, über die Entscheidung informieren und sie ihnen gegenüber begründen.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die proaktiven Überwachungspflichten, die das soziale Netzwerk trifft: So müssen sämtliche auf den Plattformen befindliche Kopien des rechtswidrigen Inhalts ebenfalls unverzüglich entfernt oder gesperrt und wirksame Maßnahmen gegen die erneute Speicherung des rechtswidrigen Inhalts getroffen werden. Dies steht im Konflikt mit dem Telemediengesetz und der E-Commerce-Richtlinie, wonach Überwachungspflichten allgemeiner Art für Hosting Provider nicht bestehen.

Rechtswidrige Inhalte

Rechtswidrige Inhalte sind nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz bestimmte Straftatbestände aus dem Strafgesetzbuch, u. a. Beleidigung, Üble Nachrede, Verleumdung sowie die Öffentliche Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung. Die abschließende Aufzählung der Strafnormen verdeutlicht, dass die Löschpflichten nicht bei jeglichen Verletzungen des geltenden Rechts, sondern nur bei solchen mit Strafcharakter bestehen. Nicht immer sind dies jedoch die problematischen Delikte.

Diskriminierungen, Mobbing oder andere rassistische Ehrverletzungen, die möglicherweise keinen Straftatbestand verwirklichen, können für den Betroffenen ebenso schwer wiegen. Diese wären von der Löschpflicht nicht umfasst. Andererseits fehlen in dem Katalog Strafnormen wie die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB).

Welche Bußgelder drohen den Plattformen?

Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Nichteinhaltung der Berichtspflicht und bei Zuwiderhandlung gegen die Pflicht, ein wirksames Beschwerdemanagement vorzuhalten, drohen den sozialen Netzwerken erhebliche Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro.

Auswirkungen auf die Praxis

Auf die Anbieter sozialer Netzwerke in Deutschland hat das NetzDG erhebliche praktische Auswirkungen. Die bisherigen Bemühungen im Rahmen der Selbstverpflichtung der Unternehmen genügen dem Gesetzgeber nicht mehr. Ab Inkrafttreten des Gesetzes ist jedem Nutzer ein transparenter Weg der Beschwerdemeldung anzubieten. Dies bedeutet einerseits einen erheblichen technischen Aufwand. Andererseits müssen die Anbieter angesichts der recht kurzen Bearbeitungszeit zusätzliches Personal vorhalten, das zumindest juristische Grundkenntnisse aufweisen muss, um eine adäquate Prüfung der Beschwerden zu gewährleisten und um im Zweifel die sprachlichen Feinheiten der Inhalte prüfen zu können.

Der Entwurf des NetzDG wirkt in Teilen noch unausgegoren. Dennoch: Der Untergang der Meinungsfreiheit - wie von vielen befürchtet - ist er nicht. Plattformen müssen rechtswidrige Inhalte schon nach geltendem Recht löschen (und werden auch nach dem neuen NetzDG mit den Behörden kooperieren), nur gibt der Gesetzgeber nun ein spezielles Verfahren dafür vor.

Dr. Martin Gerecke ist Rechtsanwalt bei CMS in Deutschland und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht.

CMS Hasche Sigle, Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Public & Media Relations, Lennéstraße 7, 10785 Berlin, Tel.: 030 20360-2258, Internet: https://cms.law/de