Die Europäische Kommission hat kürzlich einen neuen Entwurf für das "Recht auf Reparatur" vorgelegt. Verbraucherschützer hatten den schon sehnlich erwartet und darauf gedrängt, dass die Bundesregierung eigene Schritte unternimmt, statt auf die Vorgaben aus Brüssel zu warten und erst dann aktiv zu werden. Angekündigt hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke Schritte zu einem " Recht auf Reparatur" bereits im März 2022. Alleine, es fehlt an der Umsetzung. Bringt der Entwurf aus Brüssel da jetzt die Wende?
Kilian Kaminski, Co-Gründer von Refurbed, einem Online-Marktplatz für Refurbished Produkte in der DACH-Region, sieht ihn immerhin als "positives Signal für die weitere Entwicklung hin zur Kreislaufwirtschaft", hält ihn aber nicht für ausreichend, um wirklich etwas zu bewirken.
"Reparatur vor Ersatz" muss zum Grundsatz werden
Zusätzlich müsse noch der Grundsatz "Reparatur vor Ersatz" gesetzlich verankert werden, es brauche eine erweiterte Herstellerverantwortung und Praktiken, die eine Reparatur behindern oder einschränken, müssten ausdrücklich verboten werden. Zudem hält Kaminski einen für Verbraucher leicht verständlichen "EU-Repair-Score" für sinnvoll, der sie vor dem Kauf darüber informiert, ob ein Produkt repariert werden kann, und wie einfach und mit welchen Kosten das verbunden ist.
Daniel Büchle, Geschäftsführer von AfB social & green IT, begrüßt es, dass es bei dem Thema nun immerhin weiter geht. "Das Dokument kommt mit einiger Verspätung, der Entwurf sollte bereits im letzten Jahr kommen, wurde jedoch verschoben." Schließlich hat sich das EU-Parlament schon 2020 für ein Recht auf Reparatur ausgesprochen. Die Idee ist daher nicht neu, aber an der Umsetzung hapert es.
Auch Büchle vermisst im aktuellen Entwurf zudem die Idee eines Reparaturindexes. "Ähnlich wie bei Lebensmitteln (mit Nutriscore, Anmerkung der Red.) wäre es gut, ein Produktetikett einzufügen, das bei der Kaufentscheidung für die Verbraucher nachvollziehbar angibt, ob ein Produkt leicht oder schwer zu reparieren ist", sagt Büchle.
Als Teil des "EU Green Deal" und des "Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft" ist der aktuelle Entwurf für Refurbisher von Bedeutung, weil er die Reparatur defekter Produkte als kostengünstigere und zuverlässigere Lösung gegenüber dem Neukauf fordert. Davon profitieren laut Büchle nicht nur Verbraucher, sondern auch gewerbliche Nutzer.
Die Forderung des Refurbisher-Verbands EUREFAS nach einem Verbot von Praktiken, die die Reparatur behindern und einschränken, unterstützt Büchle. "Ein Produkt, das nicht mehr repariert werden kann, ist Schrott." Produkte im Kreislauf zu halten, anstatt sie zu verschrotten, sei ein wertvoller Beitrag, um Ressourcen zu schonen und den CO2-Fußabdruck zu minimieren.
"Technische Hürden verringern diesen wichtigen Akt der Nachhaltigkeit; außerdem wird Verbrauchern die Wahlfreiheit genommen, ob sie ihr Produkt reparieren oder reparieren lassen wollen. Daher stärkt ein Verbot von Reparaturbehinderungspraktiken ganz klar den Verbraucherschutz", sagt Büchle.
Reparaturen müssen günstiger als Neuanschaffungen sein
"Auf jeden Fall ist das ein Schritt in die richtige Richtung", kommentiert Christian Schuler, Geschäftsführer von Comspot Repair den aktuellen Entwurf der EU-Kommission. "Wir müssen unbedingt weg von der Wegwerfgesellschaft. Verbraucher werden aber nur zur Reparatur greifen, wenn diese wesentlich kostengünstiger ist als die Neuanschaffung."
Bei vielen Smartphones sei die Neuanschaffung nach Ablauf der Garantie aber immer noch günstiger als die Reparatur, zum Beispiel bei einem Displaybruch. "Es fehlen Mechanismen, die die Reparatur günstiger machen. Eine Mehrwertsteuersenkung oder staatliche Zuschüsse zu Reparaturen, wie es sie in Österreich oder Thüringen gibt, sind mögliche Mittel", regt Schuler an. Dies könne aber nicht die Europäische Kommission regeln. Hier sei der deutsche Gesetzgeber gefordert. Schuler greift damit eine Forderung auf, die auch Verbraucherschützer schon erhoben haben.
Es geht nicht nur um Verbraucher
Die Diskussion um das Recht auf Reparatur ist ursprünglich von Verbraucherschützern und der Kritik an der "geplanten Obsoleszenz" ausgegangen. Im Fokus standen dann schnell die Smartphone-Hersteller. Die Diskussion auf Smartphones und Verbraucherrechte zu beschränken, halten Refurbisher aber für zu kurz gegriffen.
Refurbed-Chef Kaminski fordert etwa, dass der öffentliche Sektor ein Vorbildfunktion übernimmt, indem er durch Vorschriften für das Beschaffungswesen Anforderungen und Ziele für die Verwendung reparierbarer und aufgearbeiteter Produkte festlegt. Denn die Reparaturmöglichkeit ist nur ein Aspekt. Die reparierten oder wieder aufbereiteten Produkte müssen danach aber auch wieder in den Markt zurückfließen können.
AfB-Manager Büchle erkennt an, dass die Diskussion zum "Recht auf Reparatur" in der Gesellschaft angekommen ist und "bei einzelnen sicherlich zu einem Umdenken beigetragen hat". Er bedauert aber auch, dass Procurement-Abteilungen von Unternehmen auf Reparierbarkeit meist keinen Wert legen. "Da viele Unternehmen ihre IT-Geräte nach drei bis fünf Jahren austauschen und hier auch Austausch-Services von Herstellern angeboten werden, spielt die Reparierbarkeit eine untergeordnete Rolle", sagt Büchle.
Ersatzteilversorgung ist besser geworden
"Wir als Refurbisher begrüßen es sehr, wenn Ersatzteile von Herstellern länger verfügbar gehalten werden müssen", greift Büchle einen weiteren Aspekt des EU-Entwurfs auf. "Bei guter IT-Hardware kann man nach fünf, sechs Jahren die Nutzungsdauer verdoppeln, wenn man Zugang zu den passenden Ersatzteilen hat."
Allerdings ist laut Comspot-Sprecher Schuler der Zugang zu Ersatzteilen auch heute schon "ganz überwiegend als sehr gut zu bezeichnen." Comspot Repair profitiert hier davon, dass sie als von Apple, Samsung und Google autorisierter Serviceprovider direkt von den Herstellern beliefert wird. "Ersatzteile sind für Modelle der letzten 5 bis 10 Jahre verfügbar. Es gibt nur noch im Einzelfall bei bestimmten Modellen hin und wieder Lieferschwierigkeiten der Hersteller", erklärt Schuler.
Allerdings stellt auch Comspot Repair zunehmend fest, dass Hersteller Reparaturdienstleister zwingen, nur Originalersatzteile zu verwenden, da Nutzer sonst mit technischen Einschränkungen leben müssen. "Dies macht Reparaturen unnötig teuer. Auf der anderen Seite werden ohne solche Maßnahmen auch sehr minderwertige Ersatzteile zur Reparatur angeboten und eingesetzt, die nur eine kurze Lebensdauer haben. Dies ist kontraproduktiv", sagt Schuler.
Geräteversicherungen erhöhen die Reparaturquote
Eine Möglichkeit, die Reparaturquote zu erhöhen und die Reparaturkosten aus Sicht der Verbraucher zu reduzieren, sind Geräteversicherungen. Das erklärt Konrad Lehmann, Vorstand bei Wertgarantie, das solche Versicherungen über den Handel anbietet. "Aktuell liegen wir bei einer Reparaturquote von 68 Prozent im Geschäftsbereich Konsumelektronik und bei 97 Prozent im Geschäftsbereich Bike. Versicherte Geräte werden dreimal so oft repariert wie nicht versicherte."
In einer repräsentativen Verbraucherbefragung hat das Unternehmen empirisch erhoben, wie viel Elektroschrott die 38 wichtigsten Haushaltsgeräte im Jahr 2021 verursachten und inwieweit Gerätereparaturen diese Menge reduzieren konnten. "Das Kerngeschäft von Wertgarantie setzt hier an und ermöglicht eine Ressourcenschonung durch Reparatur und verlängerte Gerätenutzung", sagt Lehmann. Die Studie kann hier eingesehen werden.
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