Was passiert mit meinem Unternehmen nach mir?

01.11.2001
Nicht immer ist Zahlungsunfähigkeit die Ursache für das Aus einer Firma. Auch eine nicht frühzeitig geregelte Unternehmernachfolge kann fatale Folgen haben. Hartmut Volk* hat den Wirtschaftsanwalt Christoph Schließmann zu Gegenstrategien befragt.

Viele inhabergeführte Betriebe erwischt es kalt. Über Nacht fällt der Chef durch Krankheit, Unfall oder Tod aus - und nichts und niemand ist für diesen Fall vorbereitet. Dann wird die Unternehmernachfolge zum reinen Troubleshooting: Schadensbegrenzung, Sicherung der Fortführung des Betriebs sowie Abwicklung der Situation im betriebswirtschaftlichen, juristischen, steuerlichen und personellen Bereich.

"Die Wahrung der Kontinuität des Unternehmens, die Absicherung des erreichten Erfolges, des Vermögens und der Familie in wirklich überlegter Form sind so aber kaum zu erreichen", warnt der Bad Homburger Wirtschaftsanwalt und Betriebswirtschaftler Christoph Schließmann. "Die strategisch, personell, finanziell, rechtlich und steuerlich optimierte Gestaltung der Unternehmernachfolge ist nur mittel- und langfristig möglich."

Und er fügt hinzu: "Jeder Unternehmer, der eine funktionierende Nachfolgesicherung anstrebt, muss vor allem zwei Hauptgesichtspunkte im Auge haben. Zum einen kommt es darauf an, die langfristige betriebswirtschaftliche und führungsbezogene Zukunftsfähigkeit des Unternehmens auch ohne ihn zu planen und zu sichern. Zum anderen geht es um die Absicherung seiner eigenen Zukunft und die seiner Familie."

Zu sehr auf den Chef zugeschnitten

Viele Inhaberunternehmen sind derart auf die Person des Chefs zugeschnitten, dass sie ohne diesen Mann beziehungsweise diese Frau nicht führungsfähig sind. Auch verkennen viele Gründerunternehmer den wahren strategischen Status quo von Markt-, Wettbewerbs- und Kundenposition ihres Unternehmens. Mit Argumenten wie "Das habe ich seit Jahren erfolgreich so getan!" werden vielfach Strategien und Strukturen gerechtfertigt, die längst nicht mehr den Marktsituationen gerecht werden und mindestens latent ein hohes Risiko für die Nachfolgefähigkeit des Unternehmens, insbesondere durch Dritte, darstellen.

Nach Schließmanns Erkenntnissen ist auch die Unternehmenskultur ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen einer Nachfolgegestaltung. Dabei umfasst der Begriff Unternehmenskultur sowohl die geschriebenen als auch die ungeschriebenen Gesetze und Werte in einem Unternehmen. Dazu zählen insbesondere die heimlichen Spielregeln, die auf individuellen Mustern beruhen, auf Ur-Motivation, Betriebsklima und Führungsstilen. Sie können Nachfolgeregelungen stützen oder torpedieren.

Nachfolger aus Familie, Belegschaft - oder extern

Rechtzeitige und qualifizierte Auswahl eines Unternehmernachfolgers und dessen Vorbereitung auf die Aufgabe ist deshalb für Schließmann unter verschiedensten Aspekten der archimedische Punkt in der Weichenstellung der Nachfolgesicherung. Dabei können Nachfolger aus der Familie oder deren Umfeld ebenso wie aus der Belegschaft kommen. Auch Externe, die als Teilhaber einsteigen wollen, sind eine Alternative zum Betriebsverkauf.

Falsch verstandenes Gleichbehandlungsstreben des übergebenden Firmeninhabers gegenüber allen Kindern sollte bei den Nachfolgeüberlegungen vermieden werden. Dies kann zu kritischen Konstellationen bis hin zur Unlenkbarkeit des Unternehmens führen. Schließmann: "Nicht jedes Kind muss in Bezug auf Unternehmensanteile und Führungspositionen gleich behandelt werden. Gerechtigkeit ist wichtig, aber nicht formale Gleichbehandlung um jeden Preis."

Wird die Übergabe (ohne Verkauf) vollzogen, muss der Unternehmer - gegebenenfalls nach einer Übergangszeit - zuverlässig die Zügel aus der Hand geben. Oft gibt es auch indirekte Problemfelder über Beiräte, die nichts anderes als verlängerte Arme des "Alten" oder seine Kontrollorgane sind. Wie Schließmann mit Nachdruck betont, kann diese verdeckte Machtausübung zu einer ernsten Bedrohung für den Betrieb und die Fähig- und Möglichkeit des Nachfolgers werden, seinen eigenen Weg zu finden

Zeitbombe Unersetzlichkeitsdenken

Das weit verbreitete Unersetzlichkeitsdenken führt zu fehlender oder mangelnder Diskussion und Information in der Familie sowie im Führungskreis des Unternehmens. Berufliche und persönliche Ziele der Parteien einer Nachfolge, Ängste, Wünsche und Streitpotenziale werden nicht thematisiert. Probleme, die so unter den Teppich gekehrt werden, entwickeln sich zu latenten Zeitbomben. Nur zu oft nehmen Unternehmer im Falle eines plötzlichen Todes entscheidende Informationen mit ins Grab. Das kann fatale Folgen haben.

Die Finanzierbarkeit der Nachfolge ist ein oft unterschätzter Erfolgsfaktor, an dem viele Nachfolgeregelungen scheitern. Man hat brauchbare Konzepte entwickelt, scheitert aber an deren finanzieller Realisierbarkeit. Nicht wenige Mittelstandsunternehmer haben einen Großteil ihres Vermögens - und damit illiquide - im Unternehmen stecken.

Gerade präventive erbvertragliche Lösungen benötigen zu ihrer Realisierung wie unter Schenkungs- und Erbschaftssteuergesichtspunkten aber vielfach Kapital, um beispielsweise Abfindungsansprüche weichender Erben, Zugewinnausgleichsansprüche der Ehefrau oder ähnliche Ansprüche zu beachten und abzufinden. Diese erfordern Liquidität, die finanziert werden muss, ohne das Unternehmen zu schwächen.

Darüber hinaus muss sichergestellt werden, wie bei Nachfolgelösungen beispielsweise über einen Management-Buyout die Kosten für die Anteilsübertragung für den/die übernehmenden Mitarbeiter finanzierbar sind. Viele Mitarbeiter, die sich ein Unternehmen kaufen, haben zu wenig Ersparnisse und müssen den Anteilskauf aus dem Cashflow des Unternehmens finanzieren können. Dafür muss das Unternehmen genügend Cashflow erwirtschaften.

Unternehmensrechtsform von erheblicher Bedeutung

Die Wahl der Unternehmensrechtsform ist für die Gestaltung der Nachfolge von erheblicher Bedeutung. Vielfach sind Unternehmen noch in der Rechtsform der Gründerzeit behaftet, obwohl diese vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen einer Unternehmernachfolge ungeeignet ist. Schließmann: "Die Unternehmensnachfolge der gesetzlichen Regelung zu überlassen ist die schlechteste Lösung. Fehlende oder veraltete Regelungen führen zu beträchtlichen Risiken in der personellen Nachfolge, zu einem Abwandern des Vermögens und zu hohen strategischen Risiken für das Unternehmen.

Unter Nutzung neuer gesellschaftsrechtlicher Möglichkeiten können hier flexible Lösungen geschaffen werden. Gerade auch die steuerlich optimierte Nachfolgegestaltung verlangt die frühzeitige Auseinandersetzung mit der Problematik. Nur so lassen sich mögliche Steuervergünstigungen nutzen und die einkommensteuerliche Situation optimieren."

*Hartmut Volk ist freier Wirtschaftspublizist in Bad Harzburg.

Unternehmensnachfolge

Das Buch zum Thema

Christoph Schließmann/Andreas Fandrich/Joachim Bloehs (Hrsg.) Unternehmer-Nachfolge. Strategische, finanzielle, juristische, steuerliche und persönliche Aktionsfelder vernetzen - die beste Lösung finden. Luchterhand Verlag, Neuwied 2001, 397 Seiten, 90 Mark