Digitaler Nachlass

Was mit den Online-Daten Verstorbener geschieht

05.09.2014 von Michael Rath  
Bis das Web euch scheidet: Je digitaler ein Menschenleben wird, desto wichtiger wird die Frage, was mit den digitalen privaten, aber auch geschäftlichen, Hinterlassenschaften geschieht, wenn ein Mensch nicht mehr lebt. Lesen Sie hier die Rechslage dazu.
 
  • Was versteht man unter digitalem Nachlass?
  • Der private digitale Nachlass
  • Der geschäftliche digitale Nachlass

Auch zu Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung bleibt der Tod eines nahestehenden Menschen oft ein plötzliches und einschneidendes Ereignis. In unserer Gesellschaft findet ein immer größerer Teil des Lebens online statt und hinterlässt über den Tod hinaus Spuren im Internet.
Nun hinterlassen die Verstorbenen nicht mehr nur Geld und Häuser, sondern auch Online-Daten. Die Angehörigen müssen sich um diesen digitalen Nachlass des Verstorbenen kümmern, denn das virtuelle Leben kennt kein Verfallsdatum.

Digitaler Nachlass - Was versteht man darunter?

Der Begriff "digitaler Nachlass" beschreibt medienübergreifend alle Daten, die im Laufe eines Lebens angesammelt werden. Zum einen sind dies laufende Verträge, die online verwaltet werden und zum anderen tatsächlich hinterlassene Daten, die der Person des Verstorbenen zugeordnet werden können. Namentlich sind das

Wie ist die Rechtslage?

Auch Daten unterliegen dem regulären Erbrecht. Dabei gilt in Deutschland das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge. Dieses legt fest, dass der Erbe alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen übernimmt, er tritt quasi in dessen Fußstapfen. Vererbt wird also auch das Eigentum an der Hardware des Verstorbenen, also Computer, Smartphone, Festplatte oder USB-Stick, einschließlich der darauf gespeicherten Daten, die Bestandteil des Geräts beziehungsweise Speichermediums sind.

Vertragliche Rechte und Pflichten aus sämtlichen Online-Beziehungen gehen ebenso auf den Erben über. Er kann daher gegen die jeweiligen Online-Anbieter einen Anspruch auf Auskunft, Zugang, Löschung von Nutzerkonten oder auf Herausgabe von Daten haben.

Laptop, USB-Sticks und auch die auf den Medien vorhandenen Daten sind Teile des digitalen Erbes.
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Auch Urheberrechte zum Beispiel an Blogbeiträgen sind vererblich. Zudem können auch digitale Inhalte auf die Erben übergehen, egal ob sie privater oder geschäftlicher Natur sind. So endet beispielsweise auch der Vertrag mit Facebook nicht ohne Weiteres mit dem Tode des Nutzers. Digitale Inhalte werden also nicht anders behandelt als "analoge Dokumente" wie Tagebücher und persönliche Briefe. Ein Grundsatzurteil vom 12.7.2018 - III ZR 183/17 ging im Sommer 2018 durch die Medien: Der BGH hatte entschieden, dass Eltern auch ohne vorher vereinbarte Nachlass-Regelung den Facebook-Account ihrer verstorbenen Tochter einsehen dürfen.

Was umfasst der digitale Nachlass im Einzelnen?

Daten auf eigenen Medien des Verstorbenen (Smartphone, USB-Stick, Festplatte, usw.) gehen direkt in das Eigentum des Erben über. Sind E-Mails noch nicht vom Server des Anbieters abgerufen, kann der Erbe den Zugang zum E-Mail-Account verlangen. Bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing, Twitter wird grundsätzlich der Erbe Vertragspartner. Hinterlässt der Verstorbene eine Webseite, wird der Erbe Inhaber der Domain und darf auf Inhalte zugreifen. Zu beachten ist, dass bei Verletzung von Rechten Dritter durch Inhalte der Webseite der Erbe dafür wie für eigene Inhalte haften muss.

Lesetipp: So treffen Sie Vorsorge für Ihre Online-Konten im Todesfall

Grundsätzlich übernimmt der Erbe die Rechte des Urhebers. Das heißt, er kann Texte und Fotos verändern - soweit der Verstorbene nichts anderes verfügt hat. Daten, die der Verstorbene in eine Cloud geladen hat, können also vom Erben abgerufen werden. Er tritt grundsätzlich in das Vertragsverhältnis mit dem Diensteanbieter ein.

Gleiches gilt für Online-Portale. Hat der Verstorbene kurz vor seinem Tod noch in einem Online-Shop bestellt, kann der Erbe das den Verbrauchern zustehende Widerrufsrecht geltend machen (Frist: 14 Tage nach Ablieferung der Ware und nicht vor Zugang einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung).

Auch digitale Nutzungsrechte wie eBooks, Apps, Sammlungen oder Archive sind vererblich und stehen dem Erben zu. Passwörter werden Eigentum des Erben. Waren sie nur dem Verstorbenen bekannt, muss der Online-Anbieter dem Erben trotzdem den Zugang gewähren.

Aktuelle Rechtsprechung auf höchstrichterlicher Ebene

Nachdem der Bundesgerichtshof, wie oben erwähnt, sich bereits 2018 mit dem Fall eines verunglückten 15-jährigen Mädchens und ihrem digitalen Nachlass befasste, musste er sich zwei Jahre danach erneut mit der Sache beschäftigen. Damals hat er ein Grundsatzurteil gefällt, in der folgenden Entscheidung hat er erneut die Rechte der Erben gestärkt.

Im ersten Urteil aus 2018 urteilte der BGH aus, dass der zwischen Facebook und dem Mädchen geschlossene Vertrag nach ihrem Tod auf die Eltern als Erben übergeht. Dementsprechend haben die Eltern Anspruch auf Zugang zum Facebook-Konto. Facebook hatte das Konto nach dem Tod in den Gedenkzustand gesetzt, so dass eine Nutzung nicht mehr möglich war. Das Einloggen oder Lesen der Inhalte war trotz Eingabe der Zugangsdaten nicht mehr möglich. Die Eltern klagten auf Zugriff auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter Facebook-Konto - und erhielten Recht.

Facebook überließ den Eltern daraufhin sämtliche Informationen aus dem Konto, einschließlich aller Nachrichten, Fotos und Posts in Form einer PDF-Datei auf einem USB-Stick. Die Datei umfasste 14.000 Seiten. Das reicht dem BGH nicht. Mit Beschluss vom 27.08.2020 - III ZB 30/20 entschied er, dass Facebook den Eltern den Zugriff auf das Konto in der gleichen Form gewähren muss, wie er bei der Tochter bestand - mit Ausnahme der aktiven Nutzung. Er stellte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Berlin wieder her - inklusive der Verpflichtung zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro für Facebook.

Die Vererblichkeit des Nutzerkontos ist indes nicht auf Facebook beschränkt. Dementsprechend hat das LG Münster am 16.04.2019 (Az.: 014 O 565/18) bestätigt: Zum Nachlass gehört auch das Recht auf Zugang zu den iCloud-Daten. Die Erben eines Familienvaters wollten auf die Inhalte des Verstorbenen in der Cloud zugreifen. Außergerichtlich verweigerte die Apple-Tochtergesellschaft "Apple Distribution International UCL" jedoch den Zugriff. Daraufhin klagten die Erben - und hatten Erfolg. Nach Auffassung des LG Münster muss Apple den Erben den Zugang gewähren.

Das sollten Sie im Privatleben beachten

Es empfiehlt sich, eine Liste mit allen Daten über den digitalen Nachlass zu erstellen und aktuell zu halten. Des Weiteren sollten Sie eine Person auswählen, die sich um den digitalen Nachlass kümmern soll. Dafür sollte eine entsprechende Vollmacht, die die Berechtigung regelt, handschriftlich und datiert erstellt und der Vertrauensperson ausgehändigt werden. Wichtig ist dabei auch, dass es sich um eine Vollmacht über den Tod hinaus handeln muss, damit der Bevollmächtigte auch nach dem Ableben des Erblassers handlungsfähig bleibt. Dadurch stellen Sie sicher, dass im Erbfall die Vertrauensperson Zugang zu Ihren Daten erhält und diese Ihrem Willen entsprechend verwalten kann. Zusätzlich können die Zugangsdaten für einzelne Online-Konten bei einem Notar hinterlegt werden.

Eine Liste mit immer aktuell gehaltenen Passwörtern, Online-Konten und digitalen Geschäftsverbindungen kann zu Lebzeiten entweder an den entsprechenden Erben übergeben, oder auch bei einem Notar hinterlegt werden.
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Außerdem ist es sinnvoll, bei den entsprechenden Diensteanbietern online auszuwählen, wer Zugriff auf Ihre Daten bekommen und was nach dem Tod damit geschehen soll. Vor allem bei sozialen Netzwerken sollten entsprechende Einstellungen vorgenommen werden. Bei Facebook zum Beispiel kann der User bestimmen, ob sein Profil nach dem Tod gelöscht werden soll und ein Nachlasskontakt bestimmt werden. Ist kein Nachlasskontakt festgelegt worden, versetzt Facebook das Profil in den Gedenkzustand, wenn Facebook vom Tod des Nutzers Kenntnis erlangt. Dann kann das Nutzerkonto nicht mehr ohne weiteres verändert werden. Ebenfalls empfehlenswert ist die Erteilung einer Vorsorgevollmacht. Diese greift bereits zu Lebzeiten, falls der Betroffene nicht mehr in der Lage ist seine Geschäfte selbst zu führen.

Mittlerweile existieren zudem verschiedene Apps wie Last Hello oder Memoresa, die Nutzern ermöglichen sollen ihren digitalen Nachlass zu organisieren. Neben praktischen Aspekten wie einer Liste über bestehende Onlinekonten und -verträge, kann man unter anderem auch seine letzten Worte verfassen, die nach dem Tod an die Angehörigen versendet werden. Dieses Angebot mag durchaus praktisch sein, allerdings kann wie bei den meisten kommerziellen Angeboten nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass sie datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Daher ist hier grundsätzlich Vorsicht geboten.

Digitaler Nachlass im geschäftlichen Bereich

Im betrieblichen Bereich kommt dem digitalen Nachlass eine weitreichende Bedeutung zu.
Nimmt der Betriebsinhaber oder zum Beispiel der IT-Verantwortliche betriebsinterne Informationen über Projekte, Geschäftspartner oder den Geschäftsablauf mit ins Grab, kann die Existenz des Betriebs bedroht sein. Wie sorgt man für den Fall der Fälle ideal vor?

Zunächst sollte im Sinne eines Know-how Schutzes eine Liste erstellt und regelmäßig aktualisiert werden, auf der alles aufgeführt ist, was zum digitalen Erbe des Betriebsinhabers gehört. Auf ihr sollten auch, natürlich entsprechend geschützt, Benutzernamen und Passwörter gesammelt werden. Die Liste sollte an einem sicheren Ort wie einem Safe oder einem virtuellen Schließfach aufbewahrt werden, wozu nur eine Kontrollperson Zugang hat.
Immer beliebter werden zu diesem Zwecke auch Passwortmanager. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat mit Bezug auf eine Studie des Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT eine Empfehlung für KeePass ausgesprochen. Dieses Tool speichert die Passwörter nicht, wie bei anderen Angeboten, in der Cloud, sondern lokal. Nichtsdestotrotz gilt bei kommerziellen Angeboten zu berücksichtigen, dass sich hier Probleme in Sachen Datensicherheit und aus der mangelnden staatlichen Kontrolle ergeben können. Ebenfalls zu bedenken sind die Folgen einer Insolvenz des Anbieters.

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Unternehmen sollten außerdem dafür sorgen, dass bestimmte Informationen und Handlungsanweisungen hinsichtlich ihrer IT und Onlineaktivitäten nicht nur an eine Person gekoppelt sind. Es sollte mindestens ein Stellvertreter benannt werden, um im Todesfall die Handlungsfähigkeit des Betriebs sicherzustellen.

Ratsam ist, dass die digitale Schlüsselfigur im Betrieb entsprechende Vollmachten schriftlich ausstellt. Diese Vollmacht sollte festlegen, wer Zugang zu Online-Daten und Daten auf Speichermedien bekommt, ob Accounts gelöscht oder deaktiviert werden oder was mit Bildern, Texten und Videos geschieht. Je mehr Regelungen dem Bevollmächtigten an die Hand gegeben werden, umso leichter hat es dieser, auch Zugang bei Anbietern wie Xing, Facebook und Co. zu erhalten.

Problem: Nachweis der Berechtigung durch die Erben

Der Nachweis der Berechtigung durch die Erben kann insbesondere dann schwierig werden, wenn der Anbieter seinen Sitz im Ausland hat. Ob ein Diensteanbieter eine bloße Kopie der Berechtigungsurkunde akzeptiert, liegt letztlich in dessen Ermessen. Eine Alternative stellt die Ausfertigung der Urkunde in elektronischer Form da. Bisher fehlt es jedoch an einer rechtlichen Grundlage für dieses Vorgehen, auch wenn die technische Möglichkeit bereits besteht. Bis der Gesetzgeber Abhilfe schafft, wird der länderübergreifende Nachweis der Berechtigung weiter mit zahlreichen Hürden verbunden sein.

Fazit

Zwar mag der eigene Tod für viele Menschen ein Tabuthema sein, über das sie nicht nachdenken wollen. Jedoch gilt: Um den Erben eine aufwändige Spurensuche zu ersparen, sollte man den digitalen Nachlass per Vollmacht oder testamentarisch regeln. Nur so lässt sich genau festlegen, wer Zugang zu den eigenen Daten haben soll. (bw)